
Teilnehmer einer Demonstration in Berlin.Bild: www.imago-images.de / bildgehege
Klima & Umwelt
12.05.2021, 12:5212.05.2021, 14:09
Nur knapp zwei Wochen sind seit der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vergangen, nun ist das
neue, nachgebesserte Klimaschutzgesetz vom Bundeskabinett beschlossen worden. Im Kern: Deutschland wird bis 2045 klimaneutral und bekommt bis dahin verbindliche Emissionsziele für die 20er und 30er Jahre. Bislang hatte die Bundesregierung bis 2050 angestrebt, nur noch so viele Treibhausgase auszustoßen, wie wieder gebunden werden können. Dieses Ziel der Treibhausgasneutralität wird mit dem neuen Gesetz um fünf Jahre vorgezogen.
Ein Überblick über das Gesetz:
Treibhausgasneutralität bis 2045
Deutschland setzt sich erstmals das nationale Ziel, bis 2045
seine Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 auf nahezu Null zu
senken. Bis dahin sollen nur noch so viele klimaschädliche Gase
ausgestoßen werden dürfen, wie auch wieder neutralisiert werden
können. Bis heute sind die Emissionen um 40 Prozent zurückgegangen.
Das neue Gesetz sieht vor, dass sie bis 2030 um mindestens 65 Prozent
gegenüber 1990 sinken. All das soll dem Ziel dienen, Deutschlands
Beitrag aus dem Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen. Die
Staatengemeinschaft hatte sich 2015 verpflichtet, die globale
Erderwärmung unter zwei Grad zu halten, wenn möglich auf 1.5 Grad zu
senken, um verheerende Folgen für Klima und Umwelt abzuwenden.
Ziele für einzelne Wirtschaftssektoren
Der neue Klimagesetzentwurf sieht auch geänderte Emissionsmengen
für sechs Sektoren vor. Demnach müssen Energiewirtschaft, Industrie,
Gebäude, Verkehr, Landwirtschaft und der Abfallsektor schrittweise
CO2 und andere Klimagase einsparen – und zwar noch stärker als
bisher. Die jährlichen Emissionsmengen von 2023 bis 2030 werden neu
festgelegt. Besonders groß ist die Aufgabe für den Energiesektor: Im
Vergleich zum bisherigen Klimagesetz muss dieser im Jahr 2030 auf 67
Millionen Tonnen CO2-Äquivalente verzichten – das ist die Einheit, in
die die Klimagase umgerechnet werden.
Während bislang für 2030 noch
175 Millionen Tonnen im Energiesektor erlaubt waren, sind es nach den
neuen Plänen nur noch 108 Millionen Tonnen. Auch der Verkehr muss bis
zum Ende des Jahrzehnts noch mal 10 Millionen Tonnen Treibhausgase
einsparen. Bis 2030 hätte Deutschland damit über alle Sektoren hinweg
ein Gesamt-Emissionskontingent von 5.465 Milliarden Tonnen
Treibhausgasen. Viel zu viel, sagen Klimaschützer. Die Aktivisten von
Fridays for Future etwa fordern, die noch erlaubte Ausstoßmenge auf
etwa 4.1 Milliarden Tonnen Treibhausgase zu begrenzen.
Jährliche Minderungsziele von 2031 bis 2040
Bislang gab es für die Zeit zwischen 2031 und 2040 keinen genauen
Fahrplan zur Reduktion von Treibhausgasemissionen. Das war einer der
Hauptkritikpunkte des Bundesverfassungsgerichts. Vor knapp zwei
Wochen mahnten die Richter an, dass auch die Zeit nach 2030
gesetzlich geregelt sein müsse. Der jetzige Plan sieht jährliche
Prozentziele bis 2040 vor. Bis 2035 sollen die Treibhausgase demnach
um 77 Prozent gesunken sein, bis 2040 um 88 Prozent. Klimaschützer
wünschen sich bereits 2030 eine Minderung von 70 Prozent. Die soll
nach dem Gesetz aber erst 2032 erreicht sein.
Berücksichtigung von Ökosystemen zur CO2-Reduktion
Die Sektorziele alleine werden nicht reichen, um Deutschland bis
2045 zu 100 Prozent treibhausgasneutral zu machen. Auch das stellt
das neue Gesetz fest. Für restliche drei Prozentpunkte sollen
natürliche Ökosysteme wie Wälder oder Moore sorgen. Dieser Punkt ist
neu im Gesetz, ebenso wie die Verpflichtung, diese Ökosysteme
besonders fit dafür zu machen. Denn nur, wenn sie intakt sind, können
sie auch genug CO2 aus der Atmosphäre binden. Auf diese Art sollen
bis 2030 jährlich 25 Millionen Tonnen Treibhausgase gebunden werden.
Zum Vergleich: 2018 haben die natürlichen Ökosysteme 18 Millionen
Tonnen Treibhausgase gebunden. Umweltorganisationen befürchten, dass
die Rechnung mit dem natürlichen Puffer etwa wegen der Zerstörung von
Wäldern nicht aufgehen wird.
Flankierende Maßnahmen
Das Klimaschutzgesetz schreibt keine konkreten Maßnahmen zur
Erreichung der Klimaziele fest. Mögliche Instrumente zur Senkung von
Emissionen sind ein höherer CO2-Preis auf fossile Brennstoffe, ein
vorgezogener Kohleausstieg und ein schnellerer Ausbau von Wind- und
Solarenergie. Über diese Maßnahmen wird parallel beraten. Wichtige
Entscheidungen könnten aber erst in der kommenden Legislatur fallen.
Abhängigkeit von der EU
Das deutsche Klimagesetz ist so angelegt, dass es noch einmal
angepasst werden kann, sofern die Ziele nicht ausreichen sollten, um
die EU-Vorgaben zu erfüllen. Die EU hatte sich Ende des vergangenen
Jahres zum Ziel gesetzt, bis 2030 anstelle von 40 Prozent
Emissionsminderung 55 Prozent zu schaffen. Dadurch ergeben sich auch
neue Ziele für die einzelnen Mitgliedstaaten, auch für Deutschland.
Mitte Juli will die EU die neuen Vorgaben präsentieren. Das geänderte
deutsche Klimagesetz sieht eine Überprüfung der nationalen Ziele
innerhalb von sechs Monaten nach Bekanntgabe des EU-Rahmens
vor.
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock forderte am Mittwochmorgen konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Klimaschutzgesetzes. "Zukünftige Generationen haben ein Recht auf Zukunft und heutige Generationen sind in der Verantwortung, dieses Recht zu sichern", sagte Baerbock im ARD-"Morgenmagazin". Das Klimaschutzgesetz sei ein "Rahmen", der aber noch mit konkreten Maßnahmen gefüllt werden müsse. Die Kanzlerkandidatin forderte deshalb ein "Klimaschutz-Sofort-Programm". Ziel müsse unter anderem sein, den Ausbau von erneuerbaren Energien in den nächsten zehn Jahren zu verdoppeln. Baerbock betonte die Notwendigkeit, die Herausforderungen des Klimaschutzes "ehrlich und deutlich" zu kommunizieren. "Solche Auseinandersetzungen löst man nicht, indem man sagt, wir ducken uns weg", sagte Baerbock.
(pas/dpa)
Klimaschutz ist eine Notwendigkeit. Deshalb schreiben hier junge Aktivist:innen von Fridays for Future regelmäßig für watson über das, was sie bewegt – und was sich politisch bewegen muss. Es geht um Gerechtigkeit und die Zukunft. In dieser Woche schreibt Franziska Liess über Gasbohrungen in Reichling.
Reichling, ein idyllischer kleiner Ort im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech, mit Ausblick auf Seen und Wälder, in der Ferne die Alpen – sogar die Zugspitze kann man sehen – und bald, inmitten dieser wunderschönen Landschaft, auch einen etwa 40 Meter hohen Gasbohrturm.