Nachhaltigkeit
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Urlaub in Litauen: Kulinarische Reise durch Wälder und nachhaltige Küche

Gibt's in Litauen in Hülle und Fülle: Pfifferlinge.
Gibt's in Litauen in Hülle und Fülle: Pfifferlinge.Bild: watson / privat
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Go touch some grass: Von der Großstadt in den litauischen Wald

Zwischen wilden Heidelbeeren, duftenden Pfifferlingen und altem Wissen über die Natur kann man in Litauen entdecken, wie eng Tradition, Kulinarik und Nachhaltigkeit zusammengehören – und erfährt, warum Pilzesammeln hier fast Nationalsport ist.
13.10.2025, 08:2913.10.2025, 08:29

Es ist mitten im Sommer, aber das Moos ist feucht unter meinen Stiefeln. Der viele Regen der vergangenen Wochen macht sich bemerkbar, hier im litauischen Wald. Alles ist saftig grün, der Wald scheint zu vibrieren vor Leben. Und vor Mücken. Wer hier stehen bleibt, wird direkt als Landebahn für ganze Schwärme genutzt.

Die Feuchtigkeit ist jedoch nicht nur für die Vermehrung von Mücken gut. Überall auf dem Waldboden sprießen Pfifferlinge, die Heidelbeeren stehen saftig von den Büschen ab. Und genau diese Beeren und Pilze sind der Grund für meinen Besuch hier im litauischen Wald, nur wenige Kilometer entfernt von der belarussischen Grenze.

Eigentlich wohne ich in Berlin, hier ist die nächste Schlemmerei immer nur einen Klick entfernt. Per App lässt sich alles bestellen, von der gesunden Bowl bis zu fettigen Burgern oder auch einzelnen Lebensmitteln (sollte man doch mal wieder selbst kochen wollen).

Wer so lebt, gerät schnell out of touch mit dem langwierigen Herstellungsprozess von Lebensmitteln und verliert auch mal die Dankbarkeit für eine gute Mahlzeit. Deswegen ist es höchste Zeit für mich, mal wieder in touch mit der Natur und der Realität der Lebensmittelindustrie zu kommen.

Reisen nach Litauen: Viel Natur, viel Kulinarik

Zurück zum litauischen Wald: In dieses Stück Natur nimmt mich Asta mit. Sie hat eine ganze Reihe Food-Journalist:innen im Schlepptau. Ihr gehört die Bäckerei Desertų klubas in Vilnius, für die sie regelmäßig Zutaten sammeln geht.

Sie kennt diesen Wald wie ihre Westentasche, steuert mit sicherem Schritt um Büsche herum und Hänge hinauf, nennt eine moosbewachsene Lichtung ihr Wohnzimmer im Wald. Sie weiß genau, wo Pilze wachsen und Sträucher noch Beeren tragen.

Auf dem Weg durch den Wald erzählt Asta von ihrer Kindheit. Davon, dass sie schon mit ihrer Oma und ihrer Mutter Pilze sammeln ging. Und von dem Eifer, der Litauer:innen packt, wenn es darum geht, ihre Körbe zu füllen. Den litauischen Nationalsport nennt sie Pilzesammeln.

Wobei das nur halb im Spaß gemeint ist – denn Pilze sind den Litauer:innen wirklich wichtig. Sie sind nicht nur ein bedeutendes Exportgut (wer in Deutschland Pfifferlinge kauft, kauft meist aus Litauen), sondern auch viel in der litauischen Küche vertreten.

Das längste Wort und ein kleines Kraut

Von Asta lernen wir dann außerdem noch das längste litauische Wort, das ebenfalls mit Essen zu tun hat: nebeprisikiškiakopūsteliaujantiesiems. Das soll übersetzt so etwas wie "für diejenigen, die nicht mehr genug Hasenkraut sammeln gehen" heißen.

Passend dazu finden wir im Wald eine essbare Sauerkleeart, die übersetzt Hasenkraut oder auch Hasenkohl genannt wird. Die sind überraschend lecker und ich mümmele für den Rest des Waldbesuches alle paar Schritte an einem.

Hasenkraut, der perfekte Wald-Snack.
Hasenkraut, der perfekte Wald-Snack.Bild: watson / privat

Irgendwann sind unsere Körbe aber randvoll mit Pfifferlingen und Heidelbeeren, die Arme bis auf den letzten Millimeter zerstochen und die Bäuche gefüllt mit Hasenkraut und wilden Erdbeeren. Es ist Zeit, die Ausbeute zu Leckereien zu verarbeiten.

Unter Astas Anweisungen werden die Pfifferlinge geputzt und geschnitten, in Butter angebraten und in einen Quarkteig gefüllt und frittiert. Tschebureki nennt man das, traditionell werden diese mit Fleisch gefüllt. Aus den Heidelbeeren wird eine Art süße Quiche gemacht.

From Forest to Table: Diese Heidelbeeren wurden direkt von uns verarbeitet.
From Forest to Table: Diese Heidelbeeren wurden direkt von uns verarbeitet.Bild: watson / privat

Asta erzählt, dass es für sie normal ist, natürliche und selbst gesammelte Zutaten in ihren Backwaren zu verwenden. Sie beobachte jedoch bei jüngeren Generationen einen Verlust von Verständnis für die Herstellung von Lebensmitteln und weniger Verbundenheit zu Natur. Jüngere Leute wüssten inzwischen oft nicht mehr, welche Pilze und Beeren essbar seien, was sich daraus alles machen lässt und wie die Verarbeitungsprozesse aussehen.

Vom Acker auf den Teller: Sterneküche mit eigener Herstellung

Ähnliches erzählt mir einen Tag später auch Niels. Er ist Gründer von "Farmers Circle", einer nachhaltigen und biologischen Farm außerhalb von Vilnius. Auf der Farm hat er ein Sternerestaurant, im Zentrum der litauischen Hauptstadt nochmal zwei und eine Weinbar.

Niels wirkt wie ein in die Jahre gekommener Rock-Musiker. Ein rotes Bandana hält seine langen Haare nur so halb im Zaum, auf seinem Shirt prangt die Rolling-Stone-Zunge, sein Gesicht ist sonnengegerbt. Er spricht bedacht. Hört man ihm dabei zu, wie er über seinen Hof und sein Lebenswerk erzählt, überkommt einen eine gewisse Ruhe. Er weiß, was er tut, das merkt man ihm an.

Niels klärt über Themen wie nachhaltige Landwirtschaft auf, bietet Kurse für Schulklassen auf der Farm an und ist auf Social Media präsent. Auch er merkt demnach, dass Menschen oft keine Ahnung davon haben, wie Lebensmittel überhaupt hergestellt werden oder was der Unterschied zwischen nachhaltiger und biologischer Produktion und konventioneller Landwirtschaft ist.

Andere Landwirte kommen ebenfalls zu Niels, um mehr über nachhaltigere Methoden zu lernen.

In den Restaurants von Niels werden fast nur Zutaten verwendet, die auf der Farm produziert werden. Sogar das Wasser in den Restaurants stammt aus dem eigenen Brunnen. Niels ist Däne und einer der ersten, der diese nachhaltige Landwirtschaft in Litauen umsetzt.

Das Konzept hat er von seinem Vater: Der habe schon immer biologisch und nachhaltig gewirtschaftet, auch, als es dazu noch keine festgelegten Bestimmungen gab. Ihm war einfach schon immer wichtig, mit so wenigen Chemikalien wie möglich auszukommen, die Natur so gut wie möglich zu schonen, Tiere so gut wie möglich zu behandeln.

Für einen Besuch auf seiner Farm fehlt mir persönlich nur eins – Pferde. Aber Niels kann mich besänftigen – er und seine Tochter planen bereits, hier bald Reitunterricht anzubieten.

Als ich am Abend in Niels Sternerestaurant "14 Horses" in der Altstadt von Vilnius sitze und ein fabelhaftes Gänge-Menü serviert bekomme, bin ich vom gesamten Konzept beeindruckt. Vom nachhaltigen Anbau der Lebensmittel über das Konzipieren der Rezepte, die Verarbeitung und Zubereitung im Restaurant bis hin zum Service wird hier auf jedes Detail wert gelegt.

Kaum bin ich einen Tag später wieder zurück in Berlin, scrolle ich mich durch Wolt und Lieferandoo. Das Angebot erschlägt mich und bei all dem Fast Food vermisse ich direkt die frischen Tschebureki von Asta und das reichhaltige Essen von Niels' Farm.

Vielleicht ist es doch an der Zeit mal wieder selbst zu kochen, denke ich und öffne die Kühlschranktür.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise nach Vilnius, die von Go Vilnius finanziert wurde. Die redaktionelle Unabhängigkeit bleibt hiervon unberührt. Es gab keine inhaltlichen Vorgaben oder Absprachen.

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