Leben
Das erste Mal

Urlaub in Vilnius: Was ich bei einem Besuch im Sterne-Restaurant lernte

Gang drei von sieben ist angerichtet.
Gang drei von sieben ist angerichtet.Bild: watson / privat
Das erste Mal

Sieben Gänge und ein paar neue Erkenntnisse: Was ich im Gourmet-Restaurant gelernt habe

Unsere Autorin setzt zum ersten Mal einen Fuß in ein Restaurant, das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet ist. Und freut sich danach auf einen Döner.
24.07.2025, 07:2824.07.2025, 07:28
Mehr «Leben»

Ich liebe Nudeln mit Pesto. Ich könnte dieses einfache, schnelle und günstige Gericht mehrmals die Woche essen. Manchmal kommt noch Gemüse dazu, das gerade so im Kühlschrank herumliegt, manchmal wird aber einfach nur eine gute Portion Käse darüber gerieben. Das hat vor allem zeitliche Gründe – ist aber auch einer gewissen Kreativitätsarmut meinerseits geschuldet, wenn es um Kochen und ausgefallene Rezepte geht.

Ich bekomme teilweise schon eine mittelschwere Krise, wenn sich Besuch ankündigt und ich diesen aus gesellschaftlichen Anstandsgründen eigentlich bekochen sollte. Wenn ich nur wüsste, was. Und wie viel. Und was mag die Person überhaupt? Kündigt sich eine ganze Gesellschaft mit mehreren Leuten an, ist das Chaos in meinem Kopf perfekt.

Ich habe deswegen ziemlich großen Respekt davor, wenn Leute ihre Gäste kulinarisch entspannt versorgen können, ohne vorher ein paar Mal in eine braune Papiertüte atmen zu müssen. Noch größeren Respekt habe ich, wenn sie das nicht nur hin und wieder privat, sondern Vollzeit im Beruf tun (und ja, vielleicht hat auch "The Bear" etwas mit diesem Respekt zu tun).

An (gutes) Essen gibt es immerhin meist ziemlich hohe Erwartungen und dann gehen die Geschmäcker ja auch noch auseinander. Was dem einen zu salzig ist, ist für die andere genau richtig. Während einer sein Essen gerne in Soße ertränkt, mag die andere gar keine Soßen.

Allein schon aufgrund dieser allgemein ambivalenten Beziehung zu Essen würde ich mich nie trauen, in der Küche eines Restaurants zu arbeiten. Aber zum Glück bin ich nicht der Messbecher, ähm Maßstab, der gastronomischen Abgebrühtheit und es gibt Menschen, die vorm Flambieren, Sautieren und Garnieren feiner Gerichte nicht zurückschrecken.

Gaspar's: Kulinarische Fusion von Indien und Portugal

Wie viel Hirnschmalz – im übertragenen Sinn – tatsächlich in ein ausgeklügeltes Menü fließt, erlebe ich selbst zum ersten Mal im Gaspar's, einem indisch-portugiesischen Restaurant in Vilnius, der Hauptstadt Litauens.

Wie man auf die Idee kommt, die indische und portugiesische Küche zu kombinieren, fragst du dich? Um diese Frage zu klären, schauen wir uns einmal die Lebensgeschichte von Gaspar an, dem Gründer des Restaurants.

Geboren und aufgewachsen in Goa, Indien, kennt Gaspar die lokale Küche dort in- und auswendig. Seine Großeltern stammen jedoch aus Portugal und sind die Inspiration für seine außergewöhnlichen Kreationen. Als er nach Vilnius zieht, möchte er die beiden Länder, die ihm so wichtig sind, in seinem eigenen Restaurant gemeinsam in kulinarischer Form auf den Teller bringen.

Sieben Gänge Gaumenschmaus

Der Laden ist klein, es gibt nur wenige Tische und dadurch ist klar: Wer hier sitzt und speist, bekommt viel Aufmerksamkeit der Kellner:innen.

Bevor der erste Gang serviert wird, müssen wir jedoch noch einmal zurück zu mittelschweren Krisen in Küchen kommen: Leider habe ich genau so eine für Küchenchef Gaspar zu verantworten. Denn sein Menü beinhaltet eigentlich immer auch Fisch und Fleisch und ich bin – jetzt bitte nicht mit den Augen rollen – Vegetarierin.

Gaspar hat sich also relativ kurzerhand für mich ein paar Veggie-Optionen aus der Küchenschürze geschüttelt und die sind wirklich alle (stellt euch hier ein Kussgeräusch vor) Chefskiss.

Fangen wir also endlich an: Als ersten Gang gab es für mich Pani Puri mit grünen Erbsen und Fingerlimette, Vadda mit Kokosnuss-Chutney und Spargel. Wer schon mal in Indien war, weiß, dass es Pani Puri und auch Vaddas an vielen Streetfood-Ständen zu kaufen gibt.

Ersteres ist ein frittiertes Weizenteigbällchen, traditionell gefüllt mit Kartoffeln, Zwiebeln, Kichererbsen, Kräutern und einer Tamarind-Minze-Soße. Zweiteres besteht aus Kartoffeln und verschiedenen Gewürzen. Beides wird von Gaspar durch das frische Gemüse spannend neu gedacht.

Links Pani Puri, rechts Vadda
Links Pani Puri, rechts VaddaBild: watson / privat

Ich habe nicht gewusst, wie unterschiedlich Mais schmecken kann

Der zweite Gang besteht aus einem gegrillten Kohlrabi, serviert auf Mais-Porridge, übergossen mit Maissauce, garniert mit Mais-Crumble. Das Maisdreierlei wäre mir selbst so wohl nie eingefallen, hat aber perfekt zusammengepasst und verschiedene Konsistenzen auf den Teller gebracht.

Kohlrabi mit Mais, Mais und Mais.
Kohlrabi mit Mais, Mais und Mais.Bild: watson / privat

Als Nächstes gibt es für mich eine langsam gegrillte Paprika, goanischen roten Reis, serviert auf Tamarindengel und garniert mit Austernblättern. Diese bringen für mich den Seafood-Geschmack ins Gericht, denn für die Non-Veggies gibt es davon diesen Abend jede Menge.

Dreierlei Rottöne, die auch geschmacklich gut zusammenpassen.
Dreierlei Rottöne, die auch geschmacklich gut zusammenpassen. Bild: watson / privat

Die Gläser der Gäste bleiben nie leer

Während wir einen Gang nach dem anderen verköstigen, bleibt der Kellner stets in der Nähe, all unsere Gläser wachsam im Auge. Ich bin mir aufgrund der Menge des Alkohols, der an diesem Abend verzehrt wurde, nicht ganz sicher, aber ich glaube: Niemand der sieben Personen, die an diesem Abend mit mir am Tisch sitzen, hat auch nur ansatzweise die Chance, ein Glas einmal leerzutrinken.

Die Küchentüren fliegen auf und herausgetragen wird der nächste Gang: Dosa mit Balchao-Masala, gesalzene grüne Erdbeere, dazu gibt es fluffiges Naan serviert mit brauner Butter und einem Curryblatt.

Die grünen Erdbeeren werden absichtlich unreif geerntet.
Die grünen Erdbeeren werden absichtlich unreif geerntet.Bild: watson / privat

Das nächste Gericht hat eine familiäre Komponente: Es gibt mit Morcheln gefüllte Zucchiniblüten auf dem Curry von Gaspars Mama und eine Soße aus gelbem Wein.

Die grüne Currysoße ist ein Familienrezept von Gaspar.
Die grüne Currysoße ist ein Familienrezept von Gaspar.Bild: watson / privat

Inzwischen habe ich den Überblick verloren. Wie viele Gänge kommen noch? Eigentlich bin ich schon satt, aber wir sind immer noch nicht beim Dessert angekommen – das zwar ein einzelner Gang ist, aber aus drei Teilen bestehen wird, wie man mir zuflüstert, als ich meinen runden Bauch stöhnend halte.

Das nächste Gericht, erklärt mir Gaspar, isst er selbst mindestens dreimal die Woche und ist eines seiner liebsten Go-To-Gerichte: Goanisches Bohnencurry, dazu gibt es lokales und saisonales Gemüse. Dass er mir eines seiner Lieblingsgerichte serviert und es mit Blüten garniert, weil ich Veggie-Extrawünsche habe, ist wohl mein Highlight des Tages.

Unter diesem Blütenmeer versteckt sich ein leckerer Gang.
Unter diesem Blütenmeer versteckt sich ein leckerer Gang.Bild: watson / privat

Dann sind wir beim Dessert angekommen: Es gibt Erdbeeren vom Bauernhof, Safrancreme, Erdbeer- und Himbeersorbet, Butterkeks und Erdbeer-Krokant, serviert auf Kardamom-Milchschaum. Unglaublich süß, unglaublich fruchtig.

Ein Nachtisch mit Erdbeeren in allerlei Variation.
Ein Nachtisch mit Erdbeeren in allerlei Variation.Bild: watson / privat

Zum Abschluss gibt es noch einen Keks mit einem aufgemalten Smiley. Genauso sehe ich gerade wohl auch aus: Rund und glücklich grinsend.

Was die Gourmet-Küche mit Döner zu tun hat

Bei all den verschiedenen und fein aufeinander abgestimmten Geschmäckern, der liebevollen Anrichtung, dem passenden Wein und dem exzellenten Service beschleicht mich ein Gedanke: Wie soll ich denn nach so einer Erfahrung wieder in ein normales Restaurant gehen? Geschweige denn, einen Döner bei der Bude meines Vertrauens bestellen?

Aber es stellt sich heraus: Kaum bin ich zurück auf Berliner Boden, grummelt mein Magen hörbar und ich kann es kaum erwarten, mir auf dem Heimweg einen Seitan-Döner und einen Ayran mitzunehmen. Zu Hause wird dieser gebührend verköstigt. Der Rotkohl ist schön knackig, die Seitanscheiben gut gewürzt, der Salat frisch, die Menge der Soße genau richtig. Nach dem Döner bin ich zwar nicht so beeindruckt wie nach dem Essen im Gaspar's – aber mindestens genauso zufrieden.

Ich würde sagen, ich hab' mein kulinarisches Motto gefunden: Wer den Döner nicht ehrt, ist die Gourmet-Küche nicht wert.

Transparenzhinweis: Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Pressereise nach Vilnius, die von Go Vilnius finanziert wurde. Die redaktionelle Unabhängigkeit bleibt hiervon unberührt. Es gab keine inhaltlichen Vorgaben oder Absprachen.

Matcha-Hype: Trendgetränk plötzlich schwer zu bekommen
Gerade in westlichen Großstädten ist Matcha Latte zu einem echten Hype geworden. Doch während Hipster genüsslich ihren Trend-Tee schlürfen, bringt dieser im Anbaugebiet so einige Probleme mit sich.
Manchmal ist es schwer zu sagen, wo ein Hype angefangen hat. Ein bisschen verhält es sich hier wie mit der Henne und dem Ei.
Zur Story