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Das erste Mal

Battle Rap: Ein Blick hinter die Kulissen in Berlin Wedding

Wenn einer austeilt, muss der andere einstecken und abwarten.
Wenn einer austeilt, muss der andere einstecken und abwarten.Bild: DLTLLY / Smerrob
Das erste Mal

Zum ersten Mal bei einem Rap Battle: Wenn Erwachsene sich vor Publikum beleidigen

11.02.2025, 19:46
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Eine Sache vorweg: Ich bin beim Ausgehen Typ Techno. Ich kenne mich nicht aus in der Hip-Hop-Szene, sie ist für mich das, was das Internet einst für Angela Merkel war: Neuland. Als mich dann eine Freundin fragte, ob ich mit zu einem Battle Rap, veranstaltet von "Don't let the Label label you" – einem großen Player in der Szene wie ich später feststellte – mitkommen möchte, sagte ich verhalten zu.

Verhalten, weil ich nicht ganz unvoreingenommen gegenüber Hip-Hop und dem vielen Sexismus bin, der in der Szene dazugehört. Aber schlussendlich siegte die Neugier, man muss ja auch mal was ausprobieren.

Wer sich in puncto Battle Rap noch nicht so sicher ist, ist jetzt eingeladen zu einem schriftlichen Exkurs in die "Panke" in Berlin-Wedding, wo sich in einem alten Backsteinhaus mit niedriger Decke und viel Charme erwachsene Menschen zum Beat erniedrigen.

Akt Eins: Zwischen MCs, On Beat, A cappella und Rewind

Zu Beginn muss ich mir erstmal ein paar grundlegende Begriffe erklären lassen – sorry an alle, die sich schon auskennen und für die das Theoretische redundant ist, ich bin eben wirklich Laie – oder war es zumindest bis zu diesem Abend.

Also: Es gibt einen Unterschied zwischen On Beat und A cappella, ich bin an jenem Abend bei einer On Beat-Veranstaltung gelandet. Dabei suchen sich die Rapper, die gegeneinander antreten, jeweils einen Beat aus, ein dritter wird dann noch von den Veranstalter:innen gestellt. Insgesamt gibt es drei Runden, beide Rapper müssen auf alle drei Beats rappen, abwechselnd, eine Runde geht dabei etwa drei bis vier Minuten.

Bei A cappella wird ohne Beat, also ohne musikalische Begleitung gerappt, dafür gehen die Runden wohl deutlich länger als die besagten drei bis vier Minuten. Wenn sich jemand verhaspelt und von vorne anfangen muss, spricht man übrigens von einem Rewind.

Und ein weiterer wichtiger Begriff, der mir im Laufe des Abends erklärt wird: In der Szene heißen die Rapper "MC", das steht für Master of Ceremonies, der Begriff kommt aus dem Hip-Hop. Ich finde, es klingt als hätte man ein cooleres Wort für Dirigent gesucht.

Akt Zwei: Beleidigen lassen, lächeln, nicken, zurück beleidigen

Aber fast forward in die "Panke": Der Moderator brüllt ins Mikrofon "DILTILLY seid ihr ready?" Die Crowd ist ready, auf der Stage stehen die ersten beiden MCs, bereit, sich gegenseitig zu dissen.

Was mir als Erstes auffällt, ist, wie wichtig die Interaktion mit dem Publikum ist. Die Zuschauenden hängen förmlich an den Lippen der Rapper, wollen kein Wort missverstehen, keine Punchline verpassen. Es wird gelacht, wenn ein Witz unerwartet kommt und wehtut, mitgefiebert, wenn sich jemand verhaspelt und von vorne anfangen muss. Das Publikum ist der Resonanzraum für die MCs, ihr Spiegel, ob sie ihre Sache gut machen oder nicht.

Da saß die Punchline wohl.
Da saß die Punchline wohl.Bild: DLTLLY / Smerrob

Als Zweites muss ich auf die Geschlechterdiversität zu sprechen kommen. Denn die war an diesem Abend schlichtweg nicht vorhanden. Auf der Bühne standen ausschließlich Männer, fast nur weiße. Das Label ist zwar um mehr Diversität bemüht, wird mir erklärt. Aber es gibt einfach bisher nicht besonders viele Frauen oder non-binäre Menschen, die Rappen.

Das liegt zum einen vermutlich daran, dass wie in jedem männerdominierten Feld FLINTA*-Personen Zeit brauchen, um ihren Weg in die Szene zu finden. Zum anderen wird beim Battle Rap auch ganz klar eine bestimmte männliche Geschlechterrolle performt. Man muss krass, krasser am krassesten sein, die dicksten Eier haben, die besten Rhymes, die schlausten Zeilen, der Gegner hingegen ist der erbärmlichste Wurm, der untalentierteste Hund, eine unwürdige Nummer.

Beim Beobachten der Battles merke ich aber: Wer Wille und Talent hat, kann es auf diese Bühne schaffen. Hier kann auch jemand, der in einem Boxkampf wohl hoffnungslos unterlegen wäre, mit einem Sieg rausgehen – wenn er die besseren Sprüche dabeihatte, seine Runden inhaltlich besser aufgebaut hat als sein Gegner.

Akt Drei: Einen Battle-Rap-Profi löchern

Im Anschluss an das Battle durfte ich dann sogar noch mit einem der MCs, Morgana, darüber sprechen, wie sich das eigentlich so anfühlt auf der Bühne zu stehen, auf das Übelste beleidigt zu werden – und dabei höchstens mit dem Kopf schütteln zu dürfen oder die Augen zu rollen und eben warten zu müssen, bis man selbst wieder dran ist. Und das, während mehrere hundert Menschen im selben Raum sind, eine Kamera auf einen gerichtet ist und das dann auch noch im Internet landet.

Dazu muss Morgana kurz lachen und sagt: "Mich hat das nie wirklich torpediert. Das ist ja nicht unbedingt die tatsächliche Meinung eines Gegners über mich, sondern die Kunstform."

Das härteste für ihn, erzählt Morgana weiter, sei, wenn alte Informationen über ihn ausgegraben werden, wie beispielsweise die Schule, auf der er war. Das habe sich komisch angefühlt, sei aber auch irgendwie lustig gewesen.

Dann möchte ich von ihm wissen, wie er sich denn auf ein Battle vorbereitet. "Zunächst einmal alle Social-Media-Kanäle durchschauen", erklärt Morgana.

"Ich schaue, was für Tracks die Person so macht, was so neben der Musik auf den Kanälen passiert. Und meistens wird das Ganze auch nicht ganz so privat. Im Vorhinein gibt es immer einer 'Fixing Chat', bei dem Tabus abgesprochen werden. Aber eigentlich ist der Konsens: Alles, was im Internet gefunden werden kann, kann auch im Battle verwendet werden."

Abschließend möchte ich noch von Morgana wissen, wie eigentlich eine gute Punchline zustande kommt:

"Das ist sehr viel Intuition und Bauchgefühl, finde ich. Ein lustiger Spruch, Schlagfertigkeit – das kommt ja meist spontan, aus dem Off. Bei mir ist das oft der erste Gedanke, den ich habe. Wenn ich merke, das etwas ultralustig sein könnte, zeige ich das nochmal jemandem und hole Feedback dazu ein. Wenn die Person dann auch sagt 'ja Digger, ist überlustig', dann mache ich das."

Akt Vier: Ich hab Bock auf mehr

Meine verhaltene Einstellung ist einer Begeisterung für die Kunstform des Raps gewichen. Auch wenn ich gewisse Beleidigungen gegen Vater, Mutter, Freundin und auch in Bezug auf Behinderungen einfach nicht okay finde, hat sich mir in der Panke eine völlig neue Welt aufgetan.

Es ist ein Debattierclub, bei dem es unter die Gürtellinie gehen darf, eine Community, die sich sehr gut kennt, denn nur so kann man sich auch sehr gut dissen, ein Ort, an dem Sprache frei und kreativ verwendet wird.

Und auch, wenn sich auf der Bühne beleidigt wird und man einstecken muss: Im Anschluss gibt's Umarmungen, Lob für die Leistung des Gegners, es wird in Interviews mit den beiden Kontrahenten abgesprochen, ob so weit alles klar ging und sie zufrieden mit dem Match und ihrer Leistung waren. Eine Runde Aftercare, irgendwie.

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