Es gibt tatsächlich ein paar Dinge, die ich ganz gut kann. Kopfstand, zum Beispiel. Oder ein echt okayes Curry kochen.
Innere Ruhe gehört definitiv nicht zu den Charaktereigenschaften, die bei mir besonders ausgeprägt sind.
Wo andere entspannen, werde ich eher unruhig. Einfach mal auf der Couch liegen, macht mich geradezu nervös, weil mir sofort einfällt, was noch zu tun wäre. Es muss dabei mindestens ein Film laufen. Oft checke ich aber auch dann parallel noch Mails oder Instagram.
Statt im Moment bin ich mit den Gedanken bei einer längst vergangenen Unterhaltung, die wirklich keinerlei Relevanz mehr hat. Oder bei dem, was noch ansteht. Die innere To-do-Liste ist eigentlich nie ganz abgehakt. Und wäre sie das, würde mich wohl direkt die Frage umtreiben: Und jetzt?!
Echte Entspannung stellt sich so nicht ein. Mein Freund findet das nachvollziehbarerweise oft ziemlich unerträglich. Wenn ich am Samstagmorgen über Wäsche, Wocheneinkauf und Wohnungsputz reden will, hat er sich das Wochenende natürlich anders vorgestellt. Und hin und wieder denke ich: Er hat recht.
Der Moment, in dem ich glaubte, ein Meditationskurs könnte eine gute Idee sein, war so ein Moment.
Die Anmeldung in meinem Fitnessstudio war schnell gemacht. Doch schon als ich da war, ärgerte ich mich maßlos über diese Aktion:
Ich war aufgeregt.
Ich war unsicher.
Ich hatte so viele Fragen: Was genau würde in diesen 30 Minuten passieren? Würde ich wirklich entspannen können? Oder war es nicht doch Zeitverschwendung, hierher gekommen zu sein? Ich hatte sowas noch nie vorher gemacht. Immerhin lief keine Klangschalenmusik, stellte ich fest, als ich im Schneidersitz auf meiner Matte Platz nahm.
Die meisten der zehn Kursteilnehmer:innen waren einfach dageblieben nach dem Yoga-Kurs, der davor im Plan stand. Ob sie eingeschlafen waren nach der Schlussentspannung? Das Durchschnittsalter war jünger als erwartet. Die meisten waren zwar um die 50, aber drei, vier junge Frauen, die nicht älter wirkten als Mitte 20, waren auch dabei. Den Mega-Trend um Achtsamkeit – es gab ihn also doch.
Man findet tausende Videos auf Youtube, die Titel tragen wie:
"Meditation zum Entschleunigen und Entspannen."
"Finde innere Ruhe und Gelassenheit."
Oder einfach: "Loslassen!"
Doch – vielleicht ist es der Entspannungs-Imperativ oder dass ich wirklich nicht verstehe, was an Geschwindigkeit eigentlich verkehrt sein soll: Tatsächlich lösen diese Video-Titel bei mir eher Unwohlsein aus.
In der Kursbeschreibung für die Meditation stand: "Gönnen Sie sich eine Pause vom stressigen Alltag und genießen Sie. Das ist Ihre Zeit." Kein Stück besser als die Titel der Youtube-Clips, fand ich. Doch ich versuchte, nicht daran zu denken. Ich würde mich jetzt darauf einlassen, ermutigte ich mich selbst. Und mal im Ernst: Was soll bei einer Meditation schon schiefgehen? Entweder, es würde sich tatsächlich etwas Wellness bei mir einstellen – oder eben nicht.
"Meditieren hebt unsere Stimmung, verbessert unseren Umgang mit Gefühlen, verstärkt unsere positiven Persönlichkeitseigenschaften, erhöht unsere Konzentrationsfähigkeit und macht unser Denken klarer", schreibt die wissenschaftliche Zeitschrift "Forschung und Lehre" über Meditation. Das klingt erst mal gut. Und es scheint was dran zu sein:
15 Prozent der Deutschen meditieren mehrmals in der Woche, 19 Prozent immerhin mehrmals im Monat. Das besagt eine Untersuchung aus dem Jahr 2023.
Dazu kommt: Ich glaube wirklich, dass man nicht über Dinge urteilen sollte, wenn man sie nicht zumindest einmal ausprobiert hat. Beim Karneval war es so bei mir. Ich habe das mitgemacht, vor ein paar Jahren, am 11. 11. in Köln, mit Mettbrötchen und Rotkäppchen-Sekt, um danach wahrheitsgemäß sagen zu können: Karneval finde ich kacke.
Ich erinnerte mich gerade noch an die dicken Zwiebelringe auf der Brötchenhälfte, als es losging. "Schließt die Augen", sagte der Meditations-Lehrer. Das rohe Hack vor meinem inneren Auge verschwand allerdings nicht.
"Atmet ein", sagte er weiter.
"Atmet aus."
Und dann: "Denkt an nichts." Das hätte er nicht tun dürfen. Das weiß doch jeder, dass man diesen Satz nicht sagt! Denn ab diesem Moment dachte ich an: alles. An tausend Dinge gleichzeitig. Mit dem Nichts war es fürs Erste gelaufen.
Waren die Autos draußen immer so laut zu hören?
Warum atmete mein Nachbar auf der Matte nebenan so intensiv?
Warum die Frau links neben mir nicht? Lebte sie noch?
Ich dachte daran, dass ich später die Spülmaschine ausräumen müsste. An die Nachricht, die ich noch schreiben sollte.
Ich dachte an rosa Elefanten – und die Frage, warum man laut Redewendung ausgerechnet an sie nicht denken durfte. (Warum hieß es nicht grüne Elefanten?)
Drei oder vier Mal fragte ich mich auch, wie spät es wohl war. Doch irgendwann waren die 30 Minuten tatsächlich vorbei.
Wir atmeten noch mal tief ein, langsam aus. Öffneten die Augen – und das war’s.
Der Karnevalseffekt ("finde ich kacke") stellt sich zu meiner Überraschung so deutlich nicht ein. Entspannter war ich zwar nicht. Doch ganz so schlimm, wie ich es mir ausgemalt hatte, war es auch nicht.
"Es ist eine Übungssache", sagte der Lehrer. Aber man muss auch nicht alles können, dachte ich und verließ als eine der ersten den Raum.