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E-Scooter: Ein Verbot der Elektro-Roller ist auch in Deutschland sinnvoll

Ein vertrauter Anblick: E-Scooter, die überall in der Stadt im Weg herumliegen.
Ein vertrauter Anblick: E-Scooter, die überall in der Stadt im Weg herumliegen. Bild: iStockphoto / Magdalena Wygralak
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E-Scooter-Verbot: Wir sind noch nicht bereit für moderne Mobilität

17.04.2023, 11:03
Mehr «Nachhaltigkeit»

Vielleicht waren die vielen herumfliegenden E-Scooter dann doch zu unromantisch für Paris. Obwohl die Stadt der Liebe den Rollern als eine der ersten europäischen Metropolen eine Chance gab, haben die Pariser:innen den Gefährten nun ihre Gunst entzogen und abgestimmt: Weg mit den Elektrorollern! Zwar stimmte nur ein Zehntel der Wahlberechtigten überhaupt ab, doch das Volk hat gesprochen: Eine Mehrheit von 90 Prozent ist für ein Verbot. Bis zum 1. September müssen die E-Scooter, auf Französisch "Trottinettes" genannt, von den Gehsteigen verschwunden sein. Frankreich ist damit das erste EU-Land, das in seiner Hauptstadt den Verleih von Elektrorollern verbietet.

Auch die deutsche Politik diskutiert ein Verbot von E-Scootern, denn sie sind vielen Menschen ein Dorn im Auge. Ursprünglich als nachhaltige und bequeme Fortbewegungsmethode in der Stadt gedacht, sieht die Realität vielerorts anders aus: Verwaiste, kaputte, umgeworfene Elektroroller stehen und liegen überall auf den Gehwegen der ohnehin überfüllten Städte, was den Kampf um Platz nur noch verschärft.

Viele E-Scooter haben keine lange Lebensdauer.
Viele E-Scooter haben keine lange Lebensdauer. Bild: iStockphoto / Magdalena Wygralak

Ein weiterer Kritikpunkt: Die Roller verbrauchen eine Unmenge an Ressourcen und sind, obwohl mit Strom angetrieben, keineswegs nachhaltig. Das Bundesumweltamt ist sich sicher: E-Scooter seien "zurzeit kein Gewinn für die Umwelt". Zwar hätten sie Potenzial – doch nur, wenn sie den Autoverkehr ersetzen würden und nicht, wie aktuell, den Fahrrad- und Personenverkehr behindern. Zudem bemängelt das Umweltamt die geringe Lebensdauer der Leihroller und deren Akkus.

Lautlose Raser auf dem Bürgersteig

Auch die Verkehrssicherheit ist ein Problem: Von (betrunkenen) Jugendlichen werden die Elektroroller zum Spaß genutzt – gern auch mal zu zweit, zu dritt oder zu viert balancieren sie auf dem schmalen Tritt. Angesichts dieser Akrobatik würden wohl selbst Mopedfahrer:innen in Vietnam vor Neid erblassen, die – wir alle kennen diese Bilder – gelegentlich ihren ganzen Hausstand samt Familie auf einem Sitz transportieren.

Dass E-Scooter für Jugendliche so interessant sind, ist kein Wunder: Schließlich erfordern sie keinen Führerschein oder Helm, sie fahren automatisch ganz ohne eigene Anstrengung und das auch noch mit ordentlich Tempo. So wirken E-Scooter eher wie ein Spielzeug, statt wie ein ernstzunehmendes Fortbewegungsmittel auf der Straße – wo sie übrigens ebenfalls ein Problem darstellen.

E-Scooter sind schnell, aber nicht sehr sicher.
E-Scooter sind schnell, aber nicht sehr sicher.Bild: iStockphoto / Magdalena Wygralak

Schnell, leise und schmal sind Elektroroller nicht nur für Fußgänger:innen eine unberechenbare Gefahr auf dem Gehweg, auch im Straßenverkehr werden sie von Auto- und Radfahrer:innen leicht übersehen.

In Paris gab es laut Polizeiberichten im vergangenen Jahr über 400 Unfälle mit E-Rollern, Elektro-Einrädern oder Hoverboards. Dies war auch der eigentliche und ganz praktische Grund der Abstimmung für das E-Scooter-Verbot, nicht etwa der Schutz der romantischen Optik der Hauptstadt. Paris mit seinen schmalen Straßen und vielen Autos ist ohnehin ein Verkehrsnadelöhr. Gut vorstellbar, dass die Elektroroller diese Situation noch verschärft haben.

Auch in Berlin stieg die Anzähle der Unfälle mit E-Scootern an: Die Polizei meldete 2022 fast 41 Prozent mehr Verkehrsunfälle mit Elektrorollern als noch im Jahr davor, insgesamt waren es 1144.

Berlin: Kontrollen statt Komplettverbot

Doch hat das Verbot der Leihroller nun eine Signalwirkung für Deutschland? Eher nicht. Berlins möglicher nächster Regierender Bürgermeister Kai Wegner sieht für Berlin ein E-Scooter-Verbot nicht als Lösung für die vielerorts chaotischen Verhältnisse an. In einem Interview mit "Welt-TV" sagte er: "Was die Berliner zu Recht ärgert: Wenn die Scooter in irgendwelchen Grünanlagen liegen, im Hafen oder in der Spree." Oder schlimmer noch, auf geparkten Autos, deren Dellen man dann meist auf eigene Kosten reparieren muss.

Stattdessen will der Chef der Berliner CDU auf verbindliche Absprachen mit den Betreibern von E-Scooter-Verleihen und mehr Kontrollen setzen. Wegner fordert, die Verleiher stärker in die Pflicht zu nehmen und feste Abstellstationen zu etablieren. "Erst dann geht die Uhr aus, wo man bezahlt für einen solchen E-Scooter." Die Nutzer:innen sollen also so lange zahlen, bis sie den Scooter auf einem markierten Bereich abgestellt haben.

Wahrscheinlich aus Angst davor, hierzulande ebenfalls verboten zu werden, haben die Verleiher von E-Scootern jedoch Besserung gelobt. Zumindest behauptet das Wegner: "Ich habe mit den Betreibern gesprochen, die sind bereit dazu, einen solchen Weg zu gehen." Na dann. Fraglich ist, ob sich die Nutzer:innen an ein solches Verbot halten werden.

Geschäftsmodell mit Ausbeutung

Ausgespart wird bei der Debatte, wie sich das Geschäft mit dem Verleih der Tretroller überhaupt rechnen kann. Viele Anbieter gingen in der Vergangenheit schon bankrott. Offenbar ist der Gewinn durch den Verleih der Roller auf Kosten der Angestellten im Außendienst gemacht: Die sogenannten Juicer, arbeiten oft unter schlechten Arbeitsbedingungen. Die Juicer müssen nachts leere Tretroller einsammeln, um diese wieder aufzuladen. Der Verdienst ist miserabel, die Angestellten müssen einen Großteil der Kosten, die beim Sammeln der Roller entstehen, selbst tragen.

Die Elektroroller muten eher wie Spielzeug an.
Die Elektroroller muten eher wie Spielzeug an.Bild: iStockphoto / ViewFramer

Laut Berichten der Tageszeitung "taz" aus dem Jahr 2019 bezahlt einer der größten Verleiher, Lime, vier Euro pro "Roller-Ladung". Davon bezahlen die Beschäftigten die Kosten für die Stromladung, Benzin für den Transport und anfallende Internetgebühren aus eigener Tasche. Auch müssen die Juicer eigene Fahrzeuge und Handys für ihre Arbeit verwenden. Weiter berichtet die "taz", dass Lime mit Lohneinbußen als Strafe auf zu späte Bereitstellung reagiere.

Mehr Regeln und bessere Infrastruktur

Mitten im Geschehen: Viele E-Scooter fahren auf Bürgersteigen.
Mitten im Geschehen: Viele E-Scooter fahren auf Bürgersteigen.Bild: iStockphoto / ViewFramer

Was bräuchte es also, damit die E-Scooter ein echter Gewinn für die Menschen, den Verkehr und die Umwelt wären, statt Fußgänger:innen zu gefährden und die Innenstädte zu verstopfen?

Es bräuchte zuerst einmal mündige Fahrer:innen, die weder rasen noch betrunken auf den E-Scootern fahren. Dafür wären gesetzliche Regelungen, wie eine Altersbeschränkung ab 18 Jahren oder ein Scooter-Führerschein, durchaus sinnvoll. Auch die Pflicht, einen Helm zu tragen. All das braucht man auf dem Fahrrad auch nicht? Die fahren aber auch nicht ganz von selbst – und ohne jede Anstrengung zwischen 9 und 25 km/h. Das verleitet geradezu zu Risikofreudigkeit und Leichtsinn. Schnelle Reaktionen oder Bremsungen sind mit dem E-Scooter ebenfalls kaum möglich. Wer das nicht glaubt, kann es ja selbst ausprobieren.

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Nachhaltig wären die E-Scooter, wenn sie mit Ökostrom fahren und den Autoverkehr ersetzen würden, statt Menschen zu transportieren, die zu faul zum Laufen oder Radfahren sind. Denn dafür werden sie überwiegend genutzt. Das Problem ist: Um E-Scooter für längere Strecken zu nutzen, bräuchte man fahrradfreundliche Städte, in denen die E-Scooter auch vorhandene Fahrradstreifen benutzen könnten – übrigens der einzige Ort im Verkehr, wo sie hingehören. Die es aber vielerorts nicht gibt, in einem Land, in dem die CSU jahrzehntelang den Verkehrssektor geleitet hat. Daher bleibt die Verkehrswende, mit oder ohne E-Scooter, leider noch eine Utopie.

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