Nachhaltigkeit
Analyse

Vegane Ernährung: Wenn wir weiter so viel Fleisch essen, kollabiert das System

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Der hohe Fleischkonsum sorgt dafür, dass unser Ernährungssystem bei unverändertem Verhalten schon bald zusammenbricht. Bild: iStockphoto / jacoblund
Analyse

Vegane Ernährung: Wenn wir weiter so viel Fleisch essen, kollabiert das System

19.10.2022, 11:38
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Billigfleisch hat seinen Preis. Und der geht zulasten der Tiere, der Umwelt – und des Klimas. Dafür, dass wir für wenig Geld Hack, Hühnchen und Salami kaufen, leiden Tiere unter der Massentierhaltung, die fatalen Folgen für Umwelt und Klima mal ganz außen vor.

Denn die Viehzucht und Produktion tierischer Produkte sind weltweit für 18 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Dazu kommt, dass die Biodiversität aufgrund der Tierhaltung und den damit zusammenhängenden Abholzungen von Wäldern und Trockenlegungen von Mooren immer weiter abnimmt.

Mit verheerenden Folgen.

Kollaps des Ernährungssystems lässt sich noch verhindern

Dieses System könnte schon bald in sich zusammenbrechen.

"Das System wird lange vor 2050 entweder zusammenbrechen oder einen radikalen Wandel durchlaufen müssen."
PwC-Studie

"Der Kipppunkt ist erreicht", schreibt die Unternehmensberatung PwC in ihrer Studie mit dem Titel "The Coming Sustainable Food Revolution" (Die kommende nachhaltige Ernährungsrevolution). Um die aktuellen Ernährungsmuster aufrechtzuerhalten, brauche es 2050 drei Planeten. "Das System wird also lange vor 2050 entweder zusammenbrechen oder einen radikalen Wandel durchlaufen müssen."

In dem Bericht benennen die Autor:innen klar die Schwächen und Probleme der aktuellen Ernährungsweise – und zeigen Auswege, wie sich der von ihnen prognostizierte Kollaps noch verhindern lässt.

Aktuell werde für die weltweite Produktion unserer Nahrung die Hälfte aller bewohnbaren Flächen benötigt. Zudem gehen 70 Prozent des Frischwassers für die Produktion von Lebensmitteln drauf. Damit ist unsere Ernährung für 26 Prozent der verursachten Treibhausgase verantwortlich.

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Tierische Produkte sind für einen Großteil der in der Landwirtschaft verursachten Treibhausgase verantwortlich.Bild: imago images

Fleischkonsum: das größte Problem unserer Ernährung

Das größte Problem dabei: unser (zu hoher) Fleischkonsum. Seit 1961 hat sich unser Fleischkonsum fast verdoppelt. Allein die Deutschen essen jährlich bis zu 60 Kilogramm Fleisch – zu viel, wie die Verfasser:innen der Studie befinden. Denn die Fleischproduktion verbrauche etwa 80 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche, trage jedoch nur elf Prozent der Kalorien bei.

NEW YORK, NY - AUGUST 8: In this photo illustration, the new Impossible Whopper sits on a table at a Burger King restaurant on August 8, 2019 in the Brooklyn borough of New York City. On Thursday, Bur ...
Gerichte mit Fleisch, wie bei Burger King, sind oft günstig und schnell verfügbar.Bild: Getty Images North America / Drew Angerer

"Das ist eine sehr große Ineffizienz, man sollte stattdessen versuchen, verstärkt Lebensmittel für den direkten menschlichen Konsum zu produzieren", sagt Lukas Fesenfeld, Politökonom an der ETH Zürich und der Universität Bern, im Gespräch mit watson.

Dass unser Ernährungssystem aufgrund des zu hohen Fleischkonsums kurz vor dem Kollaps steht, ist Fesenfeld zufolge "wissenschaftlich unbestritten". Er ergänzt:

"Wassernutzung, Treibhausgasemissionen, die Abholzung von Wäldern, Biodiversitätsverlust, Pandemien – ich kann diverse Faktoren nennen, an denen man jetzt schon sieht, dass das System bald kollabieren wird. Vielleicht haben wir schon einige Kipppunkte in unseren Ökosystemen überschritten, die dann wieder neue Kipppunkte im Klimasystem anstoßen."

Dementsprechend wichtig sei es, unsere aktuellen Ernährungsmuster umzustellen. Dafür bedarf es tiefgreifende Veränderungen, wie Franziska Funke von der TU Berlin watson erklärt – "sowohl im Hinblick darauf, wie Landflächen bewirtet und Lebensmittel produziert werden, als auch im Hinblick auf unsere Ernährungsgewohnheiten".

Fleisch müsste viel teurer sein

Dass Fleisch zu billig ist und ein Vielfaches mehr kosten müsste, um die Umwelt- und Klimaschäden aufzufangen, hat Funke mit Linus Mattauch vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung sowie Kolleg:innen der Universität Oxford Anfang des Jahres in einer Modellrechnung ermittelt.

Je nach Produktionskette ergibt sich ihren Berechnungen zufolge für beispielsweise Rindfleisch in Ländern mit hohem Einkommen eine Preissteigerung von 35 bis 56 Prozent. Der Verlust der biologischen Artenvielfalt und die negativen Folgen des Fleischkonsums auf unsere Gesundheit sind aber auch in diesem Preis noch nicht inkludiert.

Ernährung und Produktion: Was sich ändern muss

In der Landwirtschaft müsste an mehreren Stellschrauben gedreht werden: Es bräuchte klimafreundlichere Futtermittel, ein besseres Management Treibhausgas-speichernder Böden sowie die Wiedervernässung von Mooren, wo sich heute Flächen zur landwirtschaftlichen Nutzung befinden.

ILLUSTRATION - Tellerlinsen (obere Reihe, l-r), Erbsen, Kidneybohnen, Weiße Bohnen (untere Reihe, l-r), Kichererbsen und Rote Linsen stehen auf einem Tisch.
Hülsenfrüchte wie Kichererbsen und Linsen, aber auch Bohnen sind klimafreundliche Eiweißlieferanten.Bild: dpa / Silas Stein

"Zum anderen müssen sich Ernährungsgewohnheiten verändern, sodass mehr umweltschonende Lebensmittel wie Gemüse und Hülsenfrüchte konsumiert werden, und weniger ressourcenintensive Lebensmittel wie Fleisch und Milchprodukte", betont Franziska Funke. Sie ergänzt:

"Als Ökonomen glauben wir, dass dafür ein klares Preissignal auf Umwelt- und klimaschädliche Lebensmittel notwendig ist. Die aktuellen Preise für Fleisch und Milchprodukte spiegeln die Umweltschäden der Viehzucht nicht annähernd wider. Gleichzeitig sollten umweltschonendere Lebensmittel aus nachhaltigen Anbaumethoden preislich und geschmacklich attraktiver werden."

Pariser Klimaziele ohne Umstellung der Ernährung nicht zu erreichen

Was auf unserem Teller landet, hat also direkte Auswirkungen auf Umwelt und Klima. In einer Studie aus dem Jahr 2020 kamen Forschende gar zu dem Schluss, dass wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens ohne eine Umstellung unserer Ernährung kaum erreichen könnten.

Sommertag im Siegerland. Kuehe Kühe auf einer Weide bei Burbach-Lippe. Sommer im Siegerland am 09.07.2022 in Burbach/Deutschland. *** summer day in the Siegerland cows cows on a pasture near Burbach L ...
Wiederkäuer wie Kühe setzen große Mengen des klimaschädlichen Gases Methan frei. Bild: imago images

"Das liegt zum einen daran, dass Rinder und andere Wiederkäuer bei der Verdauung Methan freisetzen – ein sehr potentes klimaschädliches Gas", wie Funke erklärt. Zum anderen sei die Viehzucht sehr flächenintensiv. Sie ergänzt:

"Wenn für den Futtermittelanbau und für die Weideflächen Wälder gerodet und Ökosysteme verändert werden, können diese Flächen weniger CO2-Emissionen speichern – und das schadet dem Klima. "

Die Abholzung von Wäldern und der Anbau von Futtermitteln in Monokulturen trägt zum Verlust der Artenvielfalt bei. "Das wiederum führt auch dazu, dass alle möglichen Krankheiten sich weiter ausbreiten können, dass Menschen stärker in Kontakt treten mit Wildtieren", betont Politökonom Lukas Fesenfeld. "Das kann auch die Verbreitung von Pandemien erhöhen."

Kommt jetzt veganes Essen in Kantinen und eine Fleischsteuer?

"Grundsätzlich hat die vegane Ernährung im Durchschnitt und Vergleich zu anderen Ernährungsmustern schon den besten Umwelt-Fußabdruck", sagt Fesenfeld. Komplett pflanzlich müsse man sich dennoch nicht ernähren.

Für die Umwelt, aber auch die eigene Gesundheit, sei dem Politökonomen zufolge schon viel gewonnen, wenn sich alle nach der sogenannten Planetary Health Diet ernähren würden. Das würde bedeuten: weniger Fleisch, tierische Produkte und Zucker, mehr Gemüse, Obst und Hülsenfrüchte – und das möglichst saisonal und regional.

Tatsächlich sei die Akzeptanz für eine Ernährungsumstellung sehr viel höher, als man annehme, sagt Fesenfeld. Um den Prozess hin zu einer pflanzenbasierten Ernährungsweise einzuleiten, müssten vegane Alternativen in Kantinen, Fußballstadien, unter Influencer:innen – und überall dort, wo sie sichtbar wären – gestärkt werden. Eine erhöhte Sichtbarkeit sowie eine Fleischsteuer mit gleichzeitiger Vergünstigung pflanzlicher Produkte könne Fesenfeld zufolge zur Bildung neuer gesellschaftlicher Normen beitragen.

Mehr Fleischersatz, weniger Lebensmittelverschwendung

Dies bewertet auch die PwC-Studie positiv. Es liege nun besonders am Einzelhandel, auf den Trend mit den Fleischersatzprodukten aufzuspringen und zur treibenden Kraft zu werden. Denn Supermärkte spielen eine nicht unwesentliche Rolle bei der Kaufentscheidung ihrer Kund:innen.

Einen weiteren wichtigen Hebel sehen die Autor:innen des Berichts in der Vermeidung von Verlusten in der Lieferkette. Laut der Uno landet jährlich ein Drittel der Lebensmittel im Müll – mehr als 1,3 Milliarden Tonnen.

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