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Ein bisschen Welt retten geht nicht: Greta Thunberg wird volljährig

This image released by Hulu shows activist Greta Thunberg in a scene from the documentary "I Am Greta." The film premieres Friday on Hulu. (Hulu via AP)
So fing es an: Greta Thunberg allein vor dem schwedischen ParlamentBild: ap / Courtesy of Hulu
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Ein bisschen Welt retten geht nicht: Klimaaktivistin Greta Thunberg wird volljährig

03.01.2021, 11:3203.01.2021, 18:25
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Wieder und wieder hat Greta Thunberg darauf hingewiesen, dass es nicht die Verantwortung von Kindern sein könne, die Erde vor der drohenden Klimakatastrophe zu retten. "Ich bin zu jung für das hier. Wir Kinder sollten das nicht tun müssen", erklärte die junge Schwedin schon Anfang 2019 auf Facebook, als sich Online-Hass und Verschwörungstheorien gegen sie erstmals zuspitzten. Oder kurze Zeit später im britischen Unterhaus: "Ich weiß, dass viele von Ihnen uns nicht zuhören wollen – Sie sagen, wir seien bloß Kinder. Aber wir wiederholen nur die Botschaft der vereinten Klimawissenschaft", sagte sie da. "Wir Kinder tun dies, um die Erwachsenen aufzuwecken."

Ein Kind ist Thunberg nun nicht mehr: An diesem Sonntag wird die weltberühmte Klimaaktivistin 18 Jahre alt. Das ist auch in Schweden mit der Volljährigkeit verbunden, und einer Reihe von Rechten: Alleine Auto fahren zum Beispiel, heiraten – und wählen, was für Thunberg wohl besonders wichtig sein wird. "Jede Wahl ist eine Klimawahl", sagte die Schwedin schon öfters. Jetzt kann sie selbst ihre Stimme abgeben, unter anderem bei der nächsten schwedischen Parlamentswahl im Spätsommer 2022.

Am Kampf gegen die Klimakrise, an dessen Spitze sie sich im wahrsten Sinne des Wortes im Sommer 2018 gesetzt hat, ändert sich für Thunberg mit der Volljährigkeit nichts. Sie drängt weiter darauf, dass die Klima- und Umweltkrise wie eine wirkliche Krise behandelt wird – und zwar sofort. "Das Wichtigste ist, zu verstehen, dass wir die Emissionen hier und jetzt verringern müssen, nicht 2025, 2030 oder wann auch immer. Der Ausstoß, den wir jetzt verursachen, bestimmt unsere Zukunft", sagte sie zuletzt der schwedischen Tageszeitung "Svenska Dagbladet".

Das Thema Klimawandel begleitet die am 3. Januar 2003 geborene Stockholmerin schon lange. Erstmals hatte sie mit acht Jahren von Umweltzerstörung und Erderwärmung gehört. Daraus entstanden Sorgen, die in der Kindheit in einer Depression mündeten. Im Sommer 2018 kaufte sie sich schließlich mit ihrem Vater ein Stück Holz, auf das sie mit großen schwarzen Buchstaben "Skolstrejk för klimatet" (Schulstreik fürs Klima) schrieb.

"Noone is too small to make a difference"

Damit hockte sich das damals 15-jährige Mädchen zu Beginn des neuen Schuljahres vor den Reichstag in Stockholm, um die schwedische Politik zum stärkeren Klimaschutz und Befolgen der Klimaziele von Paris aufzurufen. Als Zeichen der Dringlichkeit ihres Anliegens schwänzte Thunberg dafür die Schule – zunächst täglich, dann ausschließlich freitags. Ihre Aktion verbreitete sich über die sozialen Netzwerke rasant. Die Klimabewegung Fridays for Future entstand, und aus Thunbergs stillem Solo-Protest entwickelten sich innerhalb von Monaten internationale Großproteste, bei denen Millionen Menschen in aller Welt nach Thunbergs Vorbild für mehr Klimaschutz auf die Straße gingen.

Und das nicht einmal 1,60 Meter große Mädchen bewies: "Noone is too small to make a difference": Niemand ist zu klein, um etwas zu bewirken. Niemand hat seitdem so öffentlichkeitswirksam auf Klima- und Umweltprobleme hingewiesen wie die Teenagerin aus Stockholm. Und niemand ist dabei zu einem solch großen Vorbild für Millionen von vor allem jungen Menschen weltweit geworden – und gleichzeitig im Internet mit so viel Hass und Beleidigungen überschüttet worden.

I AM GRETA, Greta Thunberg speaking at the United Nations Climate Change Conference, Katowice, Poland, December 12, 2018, 2020. © Hulu / Courtesy Everett Collection
Weit gekommen: Greta Thunberg spricht bei der UN-Klimakonferenz 2018 in Katowice in Polen.Bild: Everett Collection / ©Hulu/Courtesy Everett Collection

Diese Erfahrungen haben auch Thunberg geprägt. Ihre Privatsphäre schützt sie mittlerweile stark. Interviews sind seltener geworden. Wenn sie doch eines gibt, dann mahnt sie, das Augenmerk auf Klimafragen zu legen statt auf ihre Person: steigende Temperaturen, heftigere Naturkatastrophen, Meeresspiegelanstieg. Ihre Bekanntheit nutzt sie nun stärker, um auf den Kampf anderer Klimaschützer aufmerksam zu machen, Vanessa Nakate aus Uganda zum Beispiel oder Mitstreitende auf den Philippinen oder in Südamerika.

Ein bisschen Welt retten geht nicht

Thunberg ist zurückhaltend, hat eine leise Stimme und einen unterschwelligen Humor, etwa wenn sie über US-Präsident Donald Trump spricht. Sie hat Asperger, eine Form von Autismus, die sie selbst für sich als Vorteil bezeichnet. Vieles ist für sie einfach entweder schwarz oder weiß, einen Mittelweg gibt es oft nicht für sie, sagt sie. Auf die drohende Klimakatastrophe bezogen heißt das: Ein bisschen Weltretten geht eben nicht. "Es gibt keine Grauzonen, wenn es ums Überleben geht." Und so warf sich Thunberg über Jahre mit voller Kraft in den Klimakampf.

2019 erlebten die von ihr inspirierten Klimaproteste ihren Höhepunkt, 2020 wurde dem durch Corona vorübergehend Grenzen gesetzt. Thunberg kämpfte weiter. Traf im Sommer Angela Merkel, um gemeinsam mit engen Mitstreiterinnen wie Luisa Neubauer aus Deutschland sowie Anuna de Wever und Adélaïde Charlier aus Belgien mit der Kanzlerin über die EU-Klimapolitik zu sprechen. Thunberg reiste dafür extra nach Berlin – unmittelbar vor ihrem Start auf dem Gymnasium daheim in Stockholm nach einem Jahr Schulpause, in der sie für ihren Klimakampf bis in die USA gesegelt war.

Bis heute konnte und kann Thunberg nicht alle mit ihrer Botschaft abholen. Ihr veganer Lebensstil, der Verzicht auf neue Kleidung und Flugreisen: Das ist manchen zu radikal. Aber selbst wenn man nicht mit allem übereinstimme, was Thunberg sage oder tue, so müsse man ihren Mut und ihre Entschlossenheit bewundern, sagte Abba-Star und Landsmann Björn Ulvaeus einmal über sie. Thunberg sei "wie eine trotzige und zutiefst nachdenkliche Pippi Langstrumpf", sagte er. "Ich glaube, Astrid Lindgren hätte Greta gemocht."

(ftk/dpa)

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