Der Kaffee ist alle? Auf zu Tchibo. Ein Leben ohne Salatschleuder macht plötzlich keinen Sinn mehr? Auf zu Tchibo. Keine Ahnung, was du zu Weihnachten verschenken sollst? Auf zu Tchibo. Die Filialen gibt es inzwischen in praktisch jeder größeren Innenstadt, 500 sind es in ganz Deutschland. Und neben dem offensichtlichen Kaffee könnte man mit den Produkten, die dort verkauft werden, eine ganze Wohnung einrichten.
Vom Sofa über das Windlicht bis hin zu den Wollhandschuhen ist dort alles zu finden. Qualitativ hochwertig soll es sein und dabei trotzdem für jeden erschwinglich – ein Image, das Tchibo pflegt. Ob das auch zutrifft, hat sich "ZDFzeit" genauer angeschaut, und das Unternehmen in den Kategorien Qualität, Preise, Fairness und Umwelt überprüft. Die Dokumentation wird am Dienstagabend ausgestrahlt und ist schon jetzt in der Mediathek zu finden.
Als eine der zehn größten Kaffeeröstereien der Welt wird dabei natürlich der Kaffee von Tchibo unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Im Geschmackstest kann der Cappuccino nicht mit dem anderer Marken mithalten, beim günstigeren Filterkaffee dagegen schneidet der Tchibo-Kaffee "Beste Bohne" besser ab als die Konkurrenz. Tatsächlich gehört die "Beste Bohne" zu den beliebtesten Kaffeesorten Deutschlands, bezogen wird sie noch immer hauptsächlich aus Brasilien. Mit seinen Direktimporten aus dem Kaffeegürtel sicherte sich Tchibo-Gründer Max Herz übrigens schon im Nachkriegsdeutschland die Poleposition – und machte Kaffee zum Genussprodukt für jedermann.
Das bedeutet allerdings nicht, dass der Tchibo-Kaffee auch in den Anbauländern für Wohlstand sorgt. Nur ein Viertel des Kaffees von Tchibo trägt der ZDF-Doku zufolge ein Fairtrade-Siegel, die beliebten – und besonders günstigen – Filterkaffees sind nicht zertifiziert. "Das Unternehmen Tchibo räumt selbst in seinem Nachhaltigkeitsbericht ein, dass man an einigen Stellen auf dem Weg ist, aber dass man von existenzsichernden Löhnen noch weit entfernt ist", sagt Friedel Hütz-Adams von Südwind e.V. in der Dokumentation. "Wenn ich mir einen Tchibo-Kaffee hole, weiß ich, dass ich ein Unternehmen vor mir habe, das sich bemüht. Aber Bemühen alleine reicht noch nicht."
Kaffee ist aber längst nicht mehr der einzige Verkaufsschlager von Tchibo. Alles fing damit an, dass die Bohnen aus Südamerika in Frotteehandtücher oder Geschirrtücher eingenäht wurden, die der Kunde als sogenannte Zugabe erhielt. Das kam offenbar an: Mittlerweile machen Küchenartikel, Kleidung und Badeutensilien die Hälfte des Geschäfts aus. 3000 bis 4000 Artikel werden jedes Jahr neu entwickelt, vom Fenstersauger bis zum Tischgrill. Dass diese oft mit dem TCM-Siegel ("Tchibo Certified Merchandise") versehen sind, ist allerdings kein Garant für hohe Qualität. "Ein guter Marketingtrick", urteilt die Verbraucherzentrale Berlin, schließlich hat Tchibo das Siegel und dessen Kriterien selbst entwickelt. Auch wenn für Messer, Fenstersauger und Co im ZDF-Test schwankende Qualität attestiert wird – im Ökotest und bei Stiftung Warentest werden die Produkte oft für gut befunden.
Gut sind auch die Bemühungen um umweltfreundliche Produktion: Regenjacken und Outdoor-Kleidung etwa werden bei Tchibo mit Bienenwachs versiegelt anstatt mit umweltschädlichem PFC, im Praxistest schneiden sie trotzdem nicht schlechter ab als die der Konkurrenz. Im Labortest werden in Textilien von Tchibo allerdings geringe Mengen von Chemikalien gefunden, trotz der Teilnahme an der Detox-Initiative von Greenpeace.
Bleibt die Frage: Wie fair werden diejenigen, die die Textilien zusammennähen, entlohnt? Eine Textilexpertin reist nach Bangladesch – und erfährt, dass sich seit dem Tchibo-Skandal 2005, als dem Unternehmen vorgeworfen wurde, Arbeits- und Menschenrechte zu verletzten, noch nicht allzu viel verbessert hat. Von schwangeren Näherinnen die gefeuert wurden, ist in den Fabriken, die für Tchibo produzieren, die Rede. Von 100 Euro Monatsgehalt, die bei 54 Wochenstunden gezahlt werden, und die nicht zum Überleben reichen.
"Ich erwarte, dass Tchibo sicherstellt, dass sich die Arbeitsbedingungen bei den Produzenten verbessern. Man kann immer damit drohen, dass man Aufträge abzieht, wenn die Arbeitsbedingungen vor Ort sich nicht verändern", sagt Gisela Burckhardt von Femnet e.V. gegenüber "ZDFzeit". Noch gebe es in Bangladesch keine fairen Arbeitsbedingungen.
Tchibo argumentiert, dass man nicht mehr wettbewerbsfähig sei, wenn man höhere Löhne zahlen würde. Immerhin unterstützt das Unternehmen das geplante Lieferkettengesetz der Bundesregierung – das im besten Fall flächendeckend höhere Löhne zur Folge hätte. Und sind wir mal ehrlich: Der Frottee-Pyjama wäre nochmal ein bisschen kuscheliger, wenn wir uns sicher sein könnten, dass er fair produziert wurde.
(ftk)