
Das erste LNG-Kreuzfahrtschiff des Marktführers "AIDA Cruises": Die "AIDA Nova" vor der potugiesischen Insel Madeira im Hafen von Funchal.Bild: iStock Editorial
Urlaub & Freizeit
01.02.2020, 17:0317.08.2020, 17:00
Dass Ozean-Riesen mit Marine-Diesel-Betrieb der Umwelt schaden, ist bekannt. Jetzt sollen neue LNG*-Schiffe Kreuzfahrten weniger umweltschädlich machen. Aber kannst du als Urlauber jetzt wirklich guten Gewissens an Bord gehen, wenn
dir Klimaschutz wichtig ist?
Wie passen Urlaubsreisen und Klimaschutz
zusammen? Seit Fridays for Future rückt diese Frage ins Bewusstsein
vieler Menschen. Fliegen steht besonders unter Verdacht. Denn das
Flugzeug gilt als besonders klimaschädlich.
Doch wie sieht es
eigentlich mit der Kreuzfahrt aus? Die Reiseform wird von den einen geliebt und von den anderen als Umweltsünde geschmäht. Eine erste Antwort vorweg: Es kommt darauf an.
* Flüssig-Erdgas wird mit LNG abgekürzt. LNG steht für englisch "liquefied natural gas".
Reedereien setzen auf Flüssiggas-Schiffe
Die Reedereien werben gerade stark mit ihren neuen LNG-Schiffen. Der
Antrieb mit Flüssiggas sei weniger umweltschädlich, Emissionen würden reduziert.
"AIDA Cruises" hat mit der "Aida Nova" im Jahr 2018 das
erste LNG-Kreuzfahrtschiff in den Dienst gestellt, zuletzt lief die
"Costa Smeralda" vom Stapel. Weitere LNG-Schiffe sind in Planung.
Also Kreuzfahrt ohne schlechtes Gewissen? Keineswegs. Der Ausstoß von
Feinstaub und Schwefeloxiden wird bei LNG zwar nahezu vollständig
vermieden und auch die Stickoxidemissionen sind geringer. Das hilft der
Luft in den Häfen und der Gesundheit der Passagiere an Bord.
Aber: "Bei der Klimaverträglichkeit geht es im Wesentlichen um CO2,
ganz unabhängig vom eingesetzten Treibstoff", erklärt Dietrich
Brockhagen von Atmosfair – einer Organisation, die Kompensation für
den Schaden durch den CO2-Ausstoß einer Reise anbietet.

Dr. Dietrich Brockhagen (l.) bei der Eröffnung eines atmosfair-Terminals am Flughafen Stuttgart.Bild: imago images / Sportfoto Rudel
Der Haken: Die CO2-Emissionen eines LNG-Kreuzfahrtschiffs sind
lediglich ein wenig reduziert. "AIDA Cruises" spricht von minus 20
Prozent im Vergleich zu einem Marinediesel-Schiff. "TUI Cruises" geht
von 10 Prozent weniger Emissionen aus, wenn man die gesamte
Lieferkette von der Produktion bis zur Nutzung berücksichtigt.

Bild: imago images / Richard Wareham
"Fossiles LNG hat beim Klimaschutz keinen großen Vorteil", räumt die
Nachhaltigkeits-Managerin von "TUI Cruises", Lucienne Damm, ein.
"Es ist bezogen auf den CO2-Ausstoß lediglich eine Brückentechnologie."
Lucienne Damm von TUI
CO2-Kompensation für Kreuzfahrten
Wer heute reist, ist fast immer für einen gewissen CO2-Ausstoß
verantwortlich. Das hängt vor allem vom Verkehrsmittel ab. Das
ausgestoßene CO2 lässt sich aber zumindest kompensieren. Das heißt,
man zahlt im Gegenzug einen freiwilligen Ausgleich. Mit dem Geld
werden Maßnahmen für den Klimaschutz finanziert. Dafür muss man aber
wissen, wie hoch der persönliche CO2-Ausstoß überhaupt ist. Dafür
gibt es Rechner im Internet, etwa von "Atmosfair" und "Myclimate".
Bei Kreuzfahrten ist die Berechnung des individuellen CO2-Fußabdrucks
aber gar nicht so einfach – und Atmosfair bietet seinen Rechner
hierzu nicht mehr an, weil die Organisation der Branche vorwirft,
nicht schnell genug auf CO2-freie Kraftstoffe umzurüsten. Der
Anbieter Myclimate leistet weiterhin Kompensation für Kreuzfahrten.
53 Euro für 2,4 Tonnen CO2
Und so funktioniert es: Als Nutzer machst du Angaben zu Kabinentyp und
-belegung, Größe des Kreuzfahrtschiffs und Dauer deiner Reise. Der
Rechner spuckt dann die CO2-Menge für dich als Urlauber aus.
Beispiel: Auf
einer siebentägigen Kreuzfahrt auf einem Schiff mit 2000 bis 3000
Passagieren zu zweit in einer Standardkabine bist du als einzelner Gast
für 1,5 Tonnen CO2 verantwortlich. Kostenpunkt: 33 Euro.
Fasst das Schiff nur 500 bis 1000 Gäste, sind es laut Rechner schon
2,4 Tonnen. Kompensation: 53 Euro. Und reist du dann noch in einer
Suite, steigt dein Wert auf 3 Tonnen – macht 66 Euro. Je kleiner das
Schiff und je größer die Kabine, desto größer ist dein Anteil als einzelner Passagier am gesamten CO2-Ausstoß.
Zum Vergleich: Mit
einem Flug von Frankfurt/Main nach Gran Canaria und zurück in der
Economy-Klasse stößt du laut Myclimate 1,1 Tonnen CO2 aus.

Flughafen FrankfurtBild: Getty Images
Der große Haken ist: Der Emissionsrechner für Kreuzfahrten
berücksichtigt allein die Seereise. Fliegst du als Urlauber zum Hafen,
kommen diese Emissionen noch oben drauf. Beim Flug Frankfurt-Barbados
hin und zurück sind das laut Myclimate zusätzlich 2,4 Tonnen CO2.
Vergleiche sind schwierig
Vergleicht man die Kreuzfahrt mit einem Badeurlaub auf Mallorca,
kommt aber eine weitere Schwierigkeit hinzu: "Eine Kreuzfahrt stellt
nicht nur eine Transportart dar wie ein Flugzeug", sagt Thomas
Tibroni, Geschäftsführer von "Meravando".
Sein Portal übernimmt die
CO2-Kompensation für die Urlauber und zahlt dies aus den Provisionen,
die das Unternehmen für die Buchungen von den Reedereien bekommt.
"Bei einer Kreuzfahrt ist das Schiff auch schwimmendes Hotel mit
Gastronomie", sagt Tibroni. Beim Landurlaub müsse man neben der
Anreise etwa per Flugzeug noch das Hotel, die Aktivitäten vor Ort und
zum Beispiel den Mietwagen mit einbeziehen.
Sein Fazit: "Da werden
Äpfel mit Birnen verglichen."
"Wenn ich mit dem Flugzeug zum Schiff fliege, ist die Umweltbilanz schlechter als ein normaler Badeurlaub mit Fluganreise."
Thomas Tibroni
"Meravando" arbeitet mit "Myclimate" zusammen. Tibroni räumt aber ein,
dass der Rechner noch nicht ausgefeilt ist. Wichtige Faktoren – etwa
das Alter des jeweiligen Schiffes – werden nicht berücksichtigt.
Kaum einer zahlt fürs Klima drauf
Aber wer will, kann die CO2-Emissionen seiner Kreuzfahrt also
durchaus auf Basis eines halbwegs brauchbaren Mengenwerts
kompensieren. Nur: Kaum ein Urlauber macht das.
"MSC Cruises" kündigte im November 2019 an, alle CO2-Emissionen ihrer
Kreuzfahrtschiffe eigenhändig zu kompensieren. Doch zu Details und
Partnern wollte sich die Reederei auf Anfrage nicht äußern.

Die "MSC Grandiosa" ist das größte Kreuzfahrtschiff der Schweizer Reederei "MSC Cruises".Bild: imago images / Pro Shots
Kompensation als Notlösung
Solange die Kreuzfahrt nicht klimaneutral ist, sehen Klimaschützer in
der Kompensation ohnehin nur eine Notlösung. Doch wie realistisch ist
es, dass Urlauber bald auf "sauberen" Schiffen unterwegs sind?
Das wäre erst dann möglich, wenn die Schiffe nicht fossiles, sondern
nachhaltig hergestelltes Erdgas tanken würden. Doch wann das so weit
sein wird, ist derzeit noch nicht absehbar.
(lj/dpa)