Dass Ozean-Riesen mit Marine-Diesel-Betrieb der Umwelt schaden, ist bekannt. Jetzt sollen neue LNG*-Schiffe Kreuzfahrten weniger umweltschädlich machen. Aber kannst du als Urlauber jetzt wirklich guten Gewissens an Bord gehen, wenn dir Klimaschutz wichtig ist?
Wie passen Urlaubsreisen und Klimaschutz zusammen? Seit Fridays for Future rückt diese Frage ins Bewusstsein vieler Menschen. Fliegen steht besonders unter Verdacht. Denn das Flugzeug gilt als besonders klimaschädlich.
Doch wie sieht es eigentlich mit der Kreuzfahrt aus? Die Reiseform wird von den einen geliebt und von den anderen als Umweltsünde geschmäht. Eine erste Antwort vorweg: Es kommt darauf an.
* Flüssig-Erdgas wird mit LNG abgekürzt. LNG steht für englisch "liquefied natural gas".
Die Reedereien werben gerade stark mit ihren neuen LNG-Schiffen. Der Antrieb mit Flüssiggas sei weniger umweltschädlich, Emissionen würden reduziert.
"AIDA Cruises" hat mit der "Aida Nova" im Jahr 2018 das erste LNG-Kreuzfahrtschiff in den Dienst gestellt, zuletzt lief die "Costa Smeralda" vom Stapel. Weitere LNG-Schiffe sind in Planung.
Also Kreuzfahrt ohne schlechtes Gewissen? Keineswegs. Der Ausstoß von Feinstaub und Schwefeloxiden wird bei LNG zwar nahezu vollständig vermieden und auch die Stickoxidemissionen sind geringer. Das hilft der Luft in den Häfen und der Gesundheit der Passagiere an Bord.
Aber: "Bei der Klimaverträglichkeit geht es im Wesentlichen um CO2, ganz unabhängig vom eingesetzten Treibstoff", erklärt Dietrich Brockhagen von Atmosfair – einer Organisation, die Kompensation für den Schaden durch den CO2-Ausstoß einer Reise anbietet.
Der Haken: Die CO2-Emissionen eines LNG-Kreuzfahrtschiffs sind lediglich ein wenig reduziert. "AIDA Cruises" spricht von minus 20 Prozent im Vergleich zu einem Marinediesel-Schiff. "TUI Cruises" geht von 10 Prozent weniger Emissionen aus, wenn man die gesamte Lieferkette von der Produktion bis zur Nutzung berücksichtigt.
"Fossiles LNG hat beim Klimaschutz keinen großen Vorteil", räumt die Nachhaltigkeits-Managerin von "TUI Cruises", Lucienne Damm, ein.
Wer heute reist, ist fast immer für einen gewissen CO2-Ausstoß verantwortlich. Das hängt vor allem vom Verkehrsmittel ab. Das ausgestoßene CO2 lässt sich aber zumindest kompensieren. Das heißt, man zahlt im Gegenzug einen freiwilligen Ausgleich. Mit dem Geld werden Maßnahmen für den Klimaschutz finanziert. Dafür muss man aber wissen, wie hoch der persönliche CO2-Ausstoß überhaupt ist. Dafür gibt es Rechner im Internet, etwa von "Atmosfair" und "Myclimate".
Bei Kreuzfahrten ist die Berechnung des individuellen CO2-Fußabdrucks aber gar nicht so einfach – und Atmosfair bietet seinen Rechner hierzu nicht mehr an, weil die Organisation der Branche vorwirft, nicht schnell genug auf CO2-freie Kraftstoffe umzurüsten. Der Anbieter Myclimate leistet weiterhin Kompensation für Kreuzfahrten.
Und so funktioniert es: Als Nutzer machst du Angaben zu Kabinentyp und -belegung, Größe des Kreuzfahrtschiffs und Dauer deiner Reise. Der Rechner spuckt dann die CO2-Menge für dich als Urlauber aus.
Beispiel: Auf einer siebentägigen Kreuzfahrt auf einem Schiff mit 2000 bis 3000 Passagieren zu zweit in einer Standardkabine bist du als einzelner Gast für 1,5 Tonnen CO2 verantwortlich. Kostenpunkt: 33 Euro.
Fasst das Schiff nur 500 bis 1000 Gäste, sind es laut Rechner schon 2,4 Tonnen. Kompensation: 53 Euro. Und reist du dann noch in einer Suite, steigt dein Wert auf 3 Tonnen – macht 66 Euro. Je kleiner das Schiff und je größer die Kabine, desto größer ist dein Anteil als einzelner Passagier am gesamten CO2-Ausstoß.
Zum Vergleich: Mit einem Flug von Frankfurt/Main nach Gran Canaria und zurück in der Economy-Klasse stößt du laut Myclimate 1,1 Tonnen CO2 aus.
Der große Haken ist: Der Emissionsrechner für Kreuzfahrten berücksichtigt allein die Seereise. Fliegst du als Urlauber zum Hafen, kommen diese Emissionen noch oben drauf. Beim Flug Frankfurt-Barbados hin und zurück sind das laut Myclimate zusätzlich 2,4 Tonnen CO2.
Vergleicht man die Kreuzfahrt mit einem Badeurlaub auf Mallorca, kommt aber eine weitere Schwierigkeit hinzu: "Eine Kreuzfahrt stellt nicht nur eine Transportart dar wie ein Flugzeug", sagt Thomas Tibroni, Geschäftsführer von "Meravando".
Sein Portal übernimmt die CO2-Kompensation für die Urlauber und zahlt dies aus den Provisionen, die das Unternehmen für die Buchungen von den Reedereien bekommt.
"Bei einer Kreuzfahrt ist das Schiff auch schwimmendes Hotel mit Gastronomie", sagt Tibroni. Beim Landurlaub müsse man neben der Anreise etwa per Flugzeug noch das Hotel, die Aktivitäten vor Ort und zum Beispiel den Mietwagen mit einbeziehen.
Sein Fazit: "Da werden Äpfel mit Birnen verglichen."
"Meravando" arbeitet mit "Myclimate" zusammen. Tibroni räumt aber ein, dass der Rechner noch nicht ausgefeilt ist. Wichtige Faktoren – etwa das Alter des jeweiligen Schiffes – werden nicht berücksichtigt.
Aber wer will, kann die CO2-Emissionen seiner Kreuzfahrt also durchaus auf Basis eines halbwegs brauchbaren Mengenwerts kompensieren. Nur: Kaum ein Urlauber macht das.
"MSC Cruises" kündigte im November 2019 an, alle CO2-Emissionen ihrer Kreuzfahrtschiffe eigenhändig zu kompensieren. Doch zu Details und Partnern wollte sich die Reederei auf Anfrage nicht äußern.
Solange die Kreuzfahrt nicht klimaneutral ist, sehen Klimaschützer in der Kompensation ohnehin nur eine Notlösung. Doch wie realistisch ist es, dass Urlauber bald auf "sauberen" Schiffen unterwegs sind?
Das wäre erst dann möglich, wenn die Schiffe nicht fossiles, sondern nachhaltig hergestelltes Erdgas tanken würden. Doch wann das so weit sein wird, ist derzeit noch nicht absehbar.
(lj/dpa)