Anne Frank wurde als Kind jüdischer Eltern geboren und versteckte sich mit ihnen von 1942 bis 1944 ein einem Amsterdamer Hinterhaus vor den Nationalsozialisten. Ihr Tagebuch, das sie in dem Versteck schrieb, gehört zu den am meisten gelesenen Werken der Weltliteratur. Mit 15 Jahren starb sie 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen.
Schulen sind nach Anne Frank benannt. Genauso wie Straßen, Bildungsstätten und Kitas. Das Erinnern an sie wird aufrecht gehalten. Auch für künftige Generationen. Eine Kita in Sachsen-Anhalten will da nicht mehr mitmachen und den Namen der Kita ändern. Das sorgt für Aufsehen und heftige Kritik.
Auch der Bürgermeister der Stadt Tangerhütte hat reagiert. Nun will der Stadtrat die Umbenennung der Kita offenbar ablehnen.
Am Mittwoch werde sich der Stadtrat "einstimmig gegen das Ansinnen einer Umbenennung der Kita positionieren", sagt der Stadtratsvorsitzende Werner Jacob (CDU) am Montag der "Welt". Alle Fraktionsvorsitzenden unterstützen demnach ein entsprechendes Positionspapier der CDU. Darin fordern die Stadtratsfraktionen den Bürgermeister auf, "dieser Umbenennung eine klare Absage zu erteilen".
In der gemeinsamen Stellungnahme, die der "Welt" vorlag, heißt es, die Angaben der Kitaleitung, der Name Anne Frank sei ungeeignet und Kindern schwer vermittelbar, zeuge "eher von einer Geschichtsvergessenheit der Verantwortlichen" und politischer Naivität. Diese Geschichtsvergessenheit sei ein "Nährboden für Verschwörungstheorien und Demokratiefeindlichkeit bis hin zum Antisemitismus".
Bürgermeister Andreas Brohm (parteilos) stellt am Montag klar, dass noch nichts entschieden sei. Die Diskussionen liefen noch, "ohne dass aktuell eine Entscheidung darüber anstünde", erklärt Brohm schriftlich.
Hintergrund der geplanten Umbenennung sei ein Erneuerungsprozess hin zur offenen Arbeit, den die Kita in den zurückliegenden 14 Monaten durchlaufen habe, sagt er. Und weiter:
Gegenüber der "Taz" sagt Brohm, dass wenn Eltern und Mitarbeiter:innen einen Namen wollten, der dieses Konzept besser abbilde, habe dies "gegenüber der weltpolitischen Lage mehr Gewicht". Es sei ein "Abwägungsprozess". Brohm findet, die "Demokratie muss aushalten, dass man Dinge einfach ausdiskutiert." Er wolle in dieser Diskussion "nicht der Moralapostel" sein.
Die schon länger gehegten Pläne für die Namensänderung der Kita sei der gemeinsame Wunsch von Eltern und Erzieher:innen, berichtet zunächst die "Magdeburger Volksstimme". Stattdessen solle ein neuer Name her: "Weltentdecker". Der Kinderrat der Einrichtung habe einen kindgerechteren Namen gewählt, wird die Kita-Leiterin Linda Schichor zitiert.
Die Begründung: Gerade für kleinere Kinder sei die Geschichte von Anne Frank schwer fassbar und auch Eltern mit Migrationshintergrund würden mit dem Namen oft nichts anfangen können. "Wir wollten etwas ohne politische Hintergründe", sagt Schichor.
Die Pläne haben auch vor dem Hintergrund des Gaza-Krieges für Kritik gesorgt – zum Beispiel aus der Opposition im Landtag. Die Linken-Politikerin Henriette Quade etwa sagt gegenüber der "taz": "Die Kita umbenennen zu wollen, halte ich angesichts des allgegenwärtigen Antisemitismus für ein falsches Signal."
Auch der FDP-Politiker Yanki Pürsün findet deutliche Worte zu den Plänen der Einrichtung. Auf X (ehemals Twitter) schreibt Pürsün: "Das Mädchen aus Frankfurt hat Schlimmes erlebt und in ihrem Tagebuch festgehalten. Ihre Geschichte muss präsent sein, auch über die Benennung von Einrichtungen."
Der Landesverband jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalts ist irritiert von den Plänen zur Umbenennung der Kita. Verbandschef Max Privorozki sagt der "Taz" unter anderem, dass die Namensänderung gerade jetzt einen unguten Beigeschmack erzeuge und womöglich im unpassenden Moment komme.
Auch der Geschäftsführende Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, kritisiert die geplante Umbenennung. In einem offenen Brief richtet er sich an die Tangerhütter:
(Mit Material von dpa und AFP)