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Rasante Änderung: Der Millionen-Umbruch beim FC Bayern ist nur der Anfang

Der FC Bayern verhandelt offenbar mit Julian NAGELSMANN Trainer L um die Nachfolge von Hans Dieter Flick Hansi ,Trainer Bayern Muenchen, Archivfoto Hans Dieter Flick Hansi ,Trainer Bayern Muenchen mit ...
Der eine geht, der andere kommt – und das für viel Geld: Julian Nagelsmann (links) ersetzt Hansi Flick beim FC Bayern. Bild: www.imago-images.de / Frank Hoermann/SVEN SIMON
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Nagelsmann, Rose, Hütter: Der Millionen-Umbruch beim FC Bayern ist nur der Anfang

09.05.2021, 10:02
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Im Fußball gibt es einen einfachen Mechanismus: Spielt die Mannschaft schlecht, muss der Trainer gehen. Doch statt entlassen zu werden, kündigten in den vergangenen Wochen immer mehr Coaches an, ihre Klubs zum Saisonende zu verlassen. Und das, obwohl es mehr als gut läuft. Mindestens fünf der Top-6-Mannschaften der Bundesliga werden in der kommenden Saison einen neuen Trainer haben.

Ablösesummen für Spieler in dreistelliger Millionenhöhe sind schon lange keine Seltenheit. Doch seit einigen Wochen nehmen auch die Ablösesummen für Trainer innerhalb der Bundesliga nicht für möglich gehaltene Dimensionen an. Das verdeutlicht nicht zuletzt der Wechsel von Julian Nagelsmann, der für 25 Millionen Euro zum FC Bayern geht.

Eine Entwicklung, die für viele auf den ersten Blick bedenklich wirkt. Aus Sicht der Trainer ist sie aber vollkommen legitim.

Im Februar wurde bekannt, dass Trainer Marco Rose im Sommer dank einer Ausstiegsklausel für fünf Millionen Euro von Borussia Mönchengladbach zu Borussia Dortmund wechselt. Damit war er, gemeinsam mit Julian Nagelsmann und Peter Bosz, der teuerste Trainertransfer der Bundesliga.

Zumindest galt das bis Anfang April. Dann erklärte Frankfurts Coach Adi Hütter, dass er Roses Nachfolger in Gladbach wird. Auch er hatte eine Ausstiegsklausel in Höhe von 7,5 Millionen Euro im Vertrag. Doch auch Hütter war nur für wenige Wochen der teuerste Trainer der Bundesliga. Immerhin: Weltweit liegt er noch auf Platz fünf.

"Im besten Fall macht der Trainer jeden Spieler des Kaders besser. Insofern ist es eine kluge unternehmerische Entscheidung, viel Geld in diese Personalie zu investieren."
Ex-Bundesliga-Manager Andreas Rettig

Nach lediglich zwei Verhandlungstagen verkündete nämlich der FC Bayern am vergangenen Dienstag, dass Julian Nagelsmann im Sommer neuer Trainer beim Rekordmeister wird. Für die Weltrekordsumme von 25 Millionen Euro kommt der 33-Jährige von Ligakonkurrent RB Leipzig. Eine Ablösesumme, die dafür sorgt, dass er zu den teuersten 25 Transfers der Bundesliga gehört. Der Grund für die hohe Summe: Nagelsmann hatte keine Ausstiegsklausel.

25.04.2021, Sachsen, Leipzig: Fu
Julian Nagelsmann (r.) ist der teuerste Trainer der Fußballgeschichte. Sein Stuttgarter Kollege Pellegrino Matarazzo könnte dank einer Ausstiegsklausel im Sommer ebenfalls den Verein wechseln. Bild: dpa / Jan Woitas

Innerhalb von zwei Monaten überboten sich die Bundesligisten mit zuvor unmöglich gehaltenen Ablösesummer für Trainer. "Dass für Schlüsselpositionen viel Geld in die Hand genommen wird, ist nicht überraschend. Im besten Fall macht der Trainer jeden Spieler des Kaders besser. Insofern ist es eine kluge unternehmerische Entscheidung, viel Geld in diese Personalie zu investieren", sagte Andreas Rettig, der bis 2019 Geschäftsleiter beim Zweitligisten FC St. Pauli war, dazu in einem ZDF-Interview.

Hamburg, 16. September 2019 - Fußball, 2. Bundesliga 2019/20, FC St. Pauli - Hamburger SV: Andreas Rettig (FC St. Pauli, Geschäftsführer) +++ Hinweis: Gemäß den Vorgaben der DFL Deutsche Fußball Liga  ...
Andreas Rettig war von 2013 bis 2015 Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga (DFL).Bild: xim.gs / Philipp Szyza / xim.gs / Philipp Szyza

Ausstiegsklauseln für Spieler sind
vollkommen normal

Bei Spielern ist es vollkommen normal, dass sie den Verein wechseln, wenn sie das Gefühl haben, in ihrem aktuellen Klub nicht mehr viel erreichen zu können. Dann machen Berater interessierte Vereine auf eine Ausstiegsklausel im Vertrag aufmerksam, der abgebende Verein bekommt immerhin etwas Geld und vermeidet es, einen unzufriedenen Spieler im Kader zu haben.

Mittlerweile gibt es diese Entwicklung auch bei Trainern. Sie kommen damit in gewisser Weise dem Mechanismus zuvor, entlassen zu werden, wenn es nicht mehr läuft. Schon Trainer-Legende Ottmar Hitzfeld sagte vor vielen Jahren: "Ich habe nur Argumente, wenn ich gewinne, sonst bin ich als Trainer ein armes Schwein."

Daher sind besonders die Abgänge von Hütter und Rose allzu verständlich. Mit Gladbach spielte Rose im vergangenen Jahr eine der erfolgreichsten Saisons der jüngeren Vereinsgeschichte und führte die Borussia in die Champions League. In dieser Spielzeit schwächelte die Mannschaft zwischendurch, schaffte es aber trotz Hammergruppe mit Real Madrid, Inter Mailand und Shaktar Donezk sogar ins Achtelfinale der Champions League und kann es diese Saison noch in die Europa League schaffen. Rose gilt mittlerweile als einer der besten Trainer Deutschlands.

"Wir wollten mit ihm einen langfristigen Vertrag schließen und haben Ausstiegsszenarien abgelehnt."
RB Leipzig Geschäftsführer Oliver Mintzlaff erklärt die hohe Ablösesummer für Julian Nagelsmann

Ähnliches gilt für Hütter: Mit der Eintracht spielt er die erfolgreichste Saison der Vereinsgeschichte, es winkt sogar die Teilnahme an der Champions League in der kommenden Saison. Wie viel besser soll es im kommenden Jahr also noch werden? Zumal Sportvorstand Fredi Bobic zu Hertha BSC wechselt und Sportdirektor Bruno Hübner in Rente geht. Hütter ging bisher immer, als es am schönsten war. 2018 führte er in der Schweiz die Young Boys Bern zum ersten Meistertitel seit 32 Jahren und wechselte anschließend nach Frankfurt.

Eintracht-Trainer Adi Hütter DFL regulations prohibit any use of photographs as image sequences and/or quasi-video.
Adi Hütter wechselt für 7,5 Millionen Euro von Frankfurt nach Gladbach. Bild: Heiko Rhode / Heiko Rhode

Beide, Rose und Hütter, sind in der bisher erfolgreichsten Phase ihrer Karriere, in der sie zwischen zahlreichen Angeboten auswählen können. Daher ist es nur legitim, dass sie selbst bestimmen wollen, wann sie gehen.

RB Leipzig lehnte Ausstiegsklausel für Nagelsmann ab

RB Leipzig hingegen wollte Julian Nagelsmann bei seiner Verpflichtung keine Ausstiegsklausel einräumen. "Wir wollten mit ihm einen langfristigen Vertrag schließen und haben Ausstiegsszenarien abgelehnt", erklärte RB-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff auf einer Pressekonferenz zu Nagelsmanns Abschied.

Doch bereits damals habe Nagelsmann den Wunsch geäußert, eines Tages die Freigabe für einen Wechsel nach München zu erhalten. "Wir sind nicht da, um Träume zu erfüllen, aber wir alle sind keine Maschinen, sondern Menschen. Und wie viel Sinn ergibt es dann noch, diesen Traum nicht zu erfüllen?", fragte Mintzlaff auf der Pressekonferenz. Hätten sie Nagelsmann nicht gehen lassen, wären die Leipziger womöglich mit einem verstimmten Trainer in die neue Saison gekommen. Bei Spielern lässt sich diese Unzufriedenheit noch einigermaßen kaschieren, schließlich gibt es mindestens 20 Akteure im Kader, die den Spieler ersetzen können. Beim Trainer sieht das anders aus.

"Wir haben rational abgewogen und gemeinsam Dinge festgelegt, die erfüllt werden müssen", erklärte er weiter. So eben auch, dass der FC Bayern die Rekordablösesumme von 25 Millionen Euro bezahlt.

Stuttgarts Sportdirektor Mislintat befürwortet Ausstiegsklauseln für Trainer

Dass Rose und Hütter Ausstiegsklauseln in ihren Verträgen hatten, sieht Andreas Rettig als eher problematisch an. Laut dem 58-Jährigen schwäche eine Ausstiegsklausel sogar die Position des Trainers. "Jemandem, der mit Ausstiegsklausel auf dieser Schlüsselposition signalisiert, dass er bei nächster Gelegenheit weg möchte, räumt der Verein natürlich von Anfang an weniger Mitspracherecht bei der Kadergestaltung ein", erzählt Rettig gegenüber dem ZDF aus seinen Erfahrungen als Manager beim SC Freiburg und dem FC Augsburg .

20.03.2021, Nordrhein-Westfalen, Gelsenkirchen: Fu�ball: Bundesliga, FC Schalke 04 - Borussia M�nchengladbach, 26. Spieltag in der Veltins Arena. M�nchengladbachs Trainer Marco Rose gestikuliert am Sp ...
Marco Rose übernimmt im Sommer Borussia Dortmund.Bild: dpa / Guido Kirchner

Das sieht Sven Mislintat, Sportdirektor beim VfB Stuttgart, unterdessen ganz anders. "In den meisten Trainerverträgen gibt es Abfindungsregelungen für den Fall des Misserfolgs. Daher finde ich es legitim, wenn ein Trainer nach einer Ausstiegsklausel für den Fall der erfolgreichen Zusammenarbeit fragt", sagt er in einem Interview mit der "Stuttgarter Zeitung" und den "Stuttgarter Nachrichten".

Das erzählt der 48-Jährige, obwohl er weiß, dass auch sein Coach Pellegrino Matarazzo eine Ausstiegsklausel zwischen zwei und 4,5 Millionen Euro in seinem Vertrag stehen hat. Und ein begehrter Coach in der Bundesliga ist.

"Der Trainer ist der wichtigste Mann."
Matthias Sammer verdeutlichte bereits 2010 die Bedeutung eines guten Trainers

Auch Oliver Glasner, der aktuell auf dem besten Weg ist, den VfL Wolfsburg in den Champions League zu führen, besitzt eine solche Klausel. Das Verhältnis zwischen Trainer und Sportchef Schmadtke ist seit Monaten stark unterkühlt. Laut "Bild" kann ein Klub noch bis zum 15. Mai den Trainer für fünf Millionen Euro aus seinem Vertrag herauskaufen. Fragen zu seiner Zukunft beantwortet der Salzburger Glasner kryptisch. Er soll Top-Kandidat bei Eintracht Frankfurt sein. Der Verein hätte durch den Hütter-Abgang genug Geld für die Ablöse.

Probleme mit dem eigenen Sportvorstand kennt Bayern-Coach Hansi Flick unterdessen zu gut. Doch statt einer Ausstiegsklausel bat er die Bosse seines Klubs um eine Vertragsauflösung. Vor dem Spiel gegen die Münchner verriet Wolfsburg-Coach Glasner bereits, dass er über Flicks Zukunft Bescheid wisse – und der Bayern-Coach über die des Wolfsburger Trainers.

Und so wird sich das Trainerkarussell in den kommenden Wochen in der Bundesliga weiter drehen und einige Ausstiegsklauseln aufdecken, die vorher noch unbekannt waren.

Ablösesummen für Trainer werden in Zukunft normal werden

Auch in Zukunft werden die Ablösesumme für Trainer wohl eher nicht sinken. Mittlerweile haben auch die Klubs mitbekommen, wie wichtig ein guter Coach für den ganzen Verein ist. Macht er die Spieler besser, kann der Klub Erfolge feiern und die Spieler anschließend für viel Geld verkaufen. Der Trainer holt seine im Vergleich zum Spielertransfer geringe Ablösesumme so wieder rein.

So erklärt auch Ex-St.-Pauli-Manager Andreas Rettig, dass der Trainer einen "direkten Einfluss auf den höchsten Kostenblock des Vereins hat: den Spielerkader. Hier wird Geld verbrannt oder verdient." Und schon Matthias Sammer meinte 2008 in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung": "Der Trainer ist der wichtigste Mann."

Fußballfans kippen BKA-Gesetz – und verdienen eine bessere Behandlung
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