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Eintracht Frankfurt: Darum ist das Europa-League-Finale für Fans so emotional

Seville Atmosphere - Eintracht Frankfurt v Rangers - UEFA Europa League Final Eintracht Frankfurt fans have their photo taken with the UEFA Europa League trophy at the Plaza de Espana in Seville ahead ...
Frankfuter Fans posieren mit dem Europa-League-Pokal in der Innenstadt von Sevilla. Bild: www.imago-images.de / imago images
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"Erleben es vielleicht nie wieder": Warum das Europa-League-Finale für Frankfurt Fans so emotional ist

18.05.2022, 12:5518.05.2022, 13:17
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Gut zwei Wochen lang konnte sich René Kurfürst noch ablenken. Doch spätestens seit Montagabend, als die ersten Freunde in Sevilla ankamen und ihm von der Stimmung erzählten, geht nichts mehr. Die Aufregung vor dem Europa-League-Finale am Mittwochabend ist einfach zu groß. Eintracht Frankfurt gegen die Glasgow Rangers: schöner wird's nicht. Aber nervenzehrender halt auch nicht.

"Es ist schon anstrengend", sagt Kurfürst, der seit zwölf Jahren mit dem "Eintracht-Podcast" den bekanntesten Podcast zum Verein aus der Mainmetropole veröffentlicht.

Er selbst konnte nicht zum Endspiel nach Spanien reisen. Und das macht es noch schwerer. "Wenn ich vor Ort wäre, könnte ich mich gut mit den Leuten ablenken, aber so ist es schwer, die Spannung auszuhalten", erzählt er im Gespräch mit watson.

Und vor Ort in Sevilla werden mehr als 50.000 Eintracht-Fans erwartet. Tickets für das Spiel im Estadio Ramón Sánchez Pizjuán haben lediglich 10.000 Anhänger bekommen. "Es ist außergewöhnlich, mit welchem Enthusiasmus und mit welcher Begeisterung sie Stimmung verbreiten", sagt auch Frankfurts Trainer Oliver Glasner.

Und das hat für René Kurfürst einen ganz besonderen Grund.

Eintracht Frankfurt lebt die Europa League

Schon als die Eintracht 2019 erst im Halbfinale der Europa League am späteren Sieger Chelsea im Elfmeterschießen scheiterte, sorgten die Eintracht Fans für eine unglaubliche Stimmung bei Heim- und Auswärtsspielen. Seit diesem Zeitpunkt hat man das Gefühl, die Eintracht sei der einzige Klub, der sich in Deutschland vollkommen mit dem Wettbewerb identifiziert.

Und nachdem 2019 bereits zehntausende Frankfurt-Anhänger bei den Spielen in Mailand gegen Inter und in London gegen Chelsea waren, wurde es in dieser Spielzeit noch einmal ein Stück größer. Spätestens seit 30.000 Eintracht-Fans beim Spiel in Barcelona das Stadion zu einem Heimspiel machten, kennt jeder in Europa Eintracht Frankfurt.

"Das, was wir dann international sowohl auf dem Platz als auch neben dem Platz abreißen, ist sensationell", fasst Podcaster Kurfürst die Europa-League-Saison zusammen.

Entwicklung von Eintracht Frankfurt geht seit sechs Jahren stetig nach oben

Seit dem Klassenerhalt in der Relegation 2016 nimmt die Entwicklung des Vereins in der Mainmetropole einen steilen Verlauf. Beginnend mit dem verlorenen Pokalfinale 2017, dem DFB-Pokalsieg 2018 und dem Europa-League-Halbfinale 2019 erlebt Frankfurt die aktuell wohl erfolgreichste Phase der Vereinsgeschichte.

Den nationalen Titel holten die Hessen 2018, jetzt soll der erste internationale Erfolg seit 42 Jahren folgen.

"Ich will aus diesem Pokal saufen."
Eintracht Frankfurts Präsident Peter Fischer vor dem Europa-League-Finale

Jahrelang war das ganz anders. Unter Ex-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen war Eintracht Frankfurt der Inbegriff von solidem Mittelmaß in der Fußball-Bundesliga.

"Wir kommen aus einer Zeit, in der es im Verein wenig Ambitionen gab, auch mal ins Risiko zu gehen, um oben mitzuspielen", blickt Kurfürst auf die Zeit unter Bruchhagen von 2003 bis 2016 zurück. Das ist nun ganz anders.

Und jeder Eintracht-Fans will mit dabei sein. "Wir wissen nicht, wann wir das noch mal erleben und daher nimmst du das mit jeder Faser deines Körpers mit", sagt Kurfürst.

Fans des Fußball-Bundesligisten Eintracht Frankfurt in ihren weißen T-Shirts warten am Morgen auf dem Frankfurter Flughafen am Abflugschalter. Zum Finale der Europa League gegen die Glasgow Rangers in ...
50.000 Frankfurt-Fans werden in Sevilla erwartet. Bild: dpa / Frank Rumpenhorst

In der Bundesliga hingegen landet Frankfurt in dieser Saison nur auf Platz elf. "Auch wenn wir den nächsten Entwicklungsschritt gemacht haben, ist Eintracht Frankfurt kein Verein, der jedes Jahr um die ersten sechs Plätze mitspielt", versucht René Kurfürst den Hype zu erklären.

Nur beim Europa-League-Sieg spielt der Verein auch nächstes Jahr international – dann sogar in der Champions League.

Präsident Peter Fischer macht bei einem Empfang des Vereins am Dienstagabend klar: "Ich will aus diesem Pokal saufen" und fügte hinzu: "Ein Europapokal-Sieg ist tausendmal besser als Sex. Weil diese Pokale gibt es verdammt, verdammt selten."

"Magische Atmosphäre" dank Frankfurt- und Rangers-Fans

Diesen Wunsch hat René auch, doch er würde auch den Glasgow Rangers den Erfolg gönnen. "In so einer Situation kannst du auch ein guter Verlierer sein, weil du siehst, was für eine Historie dahintersteht." Rund 100.000 schottische Fans werden in Sevilla erwartet und hoffen, mit den Rangers den ersten internationalen Titel seit über 50 Jahren zu feiern.

"Die Stimmung wirst du anfassen, schmecken und natürlich hören können"
Eintrach Frankfurt Experte René Kurfürst

Und auch dank der fanatischen Fans der Schotten erwartet Kurfürst "eine magische Atmosphäre" im Stadion. "Die Stimmung wirst du anfassen, schmecken und natürlich hören können", beschreibt er.

"Wir wissen, dass unser größter Trumpf hinter uns stehen wird", heißt es im Brief: "Wir spüren Eure Energie! Und wir holen uns das, was wir alle gemeinsam verdient haben", schrieben die Eintracht-Spieler in einem offenen Brief an ihre Fans.

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Wie die Stimmung am Ende bei den Eintracht-Fans auch bei einer eventuellen Niederlage ist, hänge laut Kurfürst auch vom Spielverlauf auf.

"Natürlich ist man kurz niedergeschlagen, aber insgesamt ist es ein großer Erfolg, auf den man stolz sein kann. Wir haben gezeigt, wie man als eine komplette Einheit aus Verein, Mannschaft und Fans durch Europa marschieren kann, um etwas Gutes zu erleben."

Sollte die Eintracht den Pokal am Ende wirklich holen, wird es für Kurfürst zwei Typen von Fans geben. "Die einen, die einfach durchfeiern werden und die anderen, die einfach kaputt sind." Und bei einem Titelgewinn und der automatischen Qualifikation zur Champions League kann sich René Kurfürst auch eine kleine Kampfansage nicht nehmen lassen.

"Da können sich einige Teams warm anziehen, denn da werden wieder 10.000 oder 20.000 Frankfurter vor Ort sein. Das hört nicht einfach auf."

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