Erling Haaland? Wechselt für 60 Millionen Euro in die Premier League zu Manchester City. Robert Lewandowski? Will seinen bis 2023 gültigen Vertrag beim FC Bayern nicht verlängern und am liebsten im Sommer zum FC Barcelona wechseln.
"Ich sehe das als eine beträchtliche Schwächung der Reputation und der Attraktivität der Bundesliga", sagt Markenexperte Christopher Spall im Gespräch mit watson.
Die Bundesliga verliert mit den Top-Stürmern ihre letzten beiden Persönlichkeiten mit internationaler Strahlkraft. Zwar wird den Bayern Interesse an Liverpools Sadio Mané nachgesagt, aber dass im Sommer zahlreiche Top-Stars nach Deutschland wechseln, ist mehr als unwahrscheinlich.
"Das Gefährliche an der Situation ist, dass die klammen Kassen der Vereine auf den Abgang der größten Stars treffen", erklärt Spall weiter. Und durch die 50+1-Regel wird es in Deutschland auch keine ausländischen Investoren geben, die für das nötige Geld sorgen. Und so steht die Bundesliga vor der Frage, was für eine Liga sie sein möchte.
Donata Hopfen, Chefin der Deutschen Fußball-Liga (DFL), sagte jüngst bei der "Sports-Innovation 2022" in Düsseldorf, dass die Bundesliga die "digitalste Liga der Welt" werden soll.
Die Zuschauer sollen durch noch mehr Kameraeinstellungen einen ganz neuen Zugang und neue Blickwinkel auf das Spiel bekommen. Zudem teste die DFL gerade wohl die Option, mit einer Mini-Drohe Interviews mit Spielern während des Spiels durchzuführen – zum Beispiel vor einem Elfmeter.
Da die Datenmenge rund um das Spiel zunehmend größer wird, soll die Personalisierung der Übertragung auch immer weiter voranschreiten. "Irgendwann wird jeder Fan seine eigene, speziell auf ihn zugeschnittene Übertragung sehen", sagt die 46-Jährige.
Komplett digital will sie die Liga aber auch nicht machen. "Wer mit Bier und Bratwurst einfach 90 Minuten Fußball genießen möchte, der soll das auch künftig genauso machen können!"
Doch alle multimedialen Inhalte bringen nichts, wenn die entsprechenden Spieler fehlen, die die Marke Bundesliga international bekannt machen.
"Zwei entscheidende Gründe, sich die Bundesliga aus dem Ausland anzuschauen, brechen nun erstmal weg", sagt der Markenxperte. Hinzu kommt, dass die Liga nicht vor Top-Stars strotzt. "Und ich glaube, das wird man auch in den internationalen Einschaltquoten und in den internationalen Fernsehgeldern im nächsten Schritt zu spüren bekommen."
Gerade in Zeiten, in denen sich Jugendliche mehr mit einzelnen Spielern identifizieren als mit einem ganzen Verein, stehen der FC Bayern und der BVB vor einem Problem. Eine viel größere Lücke ergibt es zudem in der internationalen Identifikation auf dem amerikanischen und asiatischen Markt. "Dort werden die Klubs erheblich geschwächt."
Und das hat auch Auswirkungen auf die ganze Liga. Denn alle anderen Teams profitieren von der Strahlkraft der Münchner und Dortmunder, die vor allem für die Einnahmen durch internationale Fernsehgelder verantwortlich sind.
Doch mit dem Abgang der beiden letzten Superstars der Bundesliga könnte die Bundesliga wieder mit einem ganz anderen Vorteil punkten: Spannung im Kampf um die Meisterschaft.
Denn die Bundesliga erfüllt mit ihrer Vereinsstrukturen und den modernen, häufig ausverkauften Stadien, eigentlich alle Voraussetzungen, um auch ohne absoluten Top-Star für Zuschauer attraktiv zu sein. "Aber was es braucht, ist ein spannender Wettkampf und keine Dauer-Dominanz des FC Bayern", sagt Markenexperte Spall.
Mit einem spannenden Wettbewerb könnte es zudem gelingen, wieder für mehr Identifikation bei Menschen zu sorgen, die sich in Zeiten der Corona-Pandemie vom Fußball abgewendet haben.
Und sogar der FC Bayern könnte von einem Konkurrenzkampf in der Bundesliga profitieren. Denn die Erfolge der Münchner in den vergangenen Jahren mit auch zwei Champions-League-Siegen waren nur durch Borussia Dortmunds Meisterschaft und Pokalsieg 2012 möglich.
"Vielleicht braucht es für den FC Bayern nochmal so ein Erwachen wie 2012, damit er 2023 erneut seine Philosophie überdenkt. Nur dann kann er an der europäischen Spitze wieder wirklich wettbewerbsfähig sein", sagt Spall.
Doch Spall nimmt für einen besseren Konkurrenzkampf in der Liga nicht nur den BVB, sondern auch Teams wie Leverkusen, Wolfsburg, Gladbach und Leipzig in die Pflicht.
Dazu braucht es jedoch auch eine klare Vereinsphilosophie, die auf allen Ebenen über einen längeren Zeitraum verkörpert und vorgelebt wird.
"Das bedeutet auch, dass die Klubs länger an ihren Trainern festhalten müssen und bei der Auswahl schauen, ob er sich wirklich mit der Philosophie des Vereins identifiziert."