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Dramatische Lage für Oligarchen-Klub FC Chelsea

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Der deutsche Trainer Thomas Tuchel (l.) gemeinsam mit Kapitän Cesar Azpilicueta (Mitte) und Thiago SilvaBild: www.imago-images.de / imago images
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"Einziger Strohhalm ist die Übernahme": So dramatisch schätzt Wirtschaftsexperte die Lage des FC Chelsea ein

18.03.2022, 14:0118.03.2022, 14:32
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Über die Situation um Besitzer Roman Abramowitsch wollte Thomas Tuchel nach dem Einzug ins Champions-League-Viertelfinale gegen den OSC Lille nicht reden. Dass der deutsche Trainer am liebsten überhaupt nicht über die möglichen Verstrickungen des russischen Oligarchen mit Wladimir Putin reden will, machte er schon vor Wochen deutlich.

"Die Mentalität im Klub lautet: Der Fußball steht an erster Stelle. Man muss alle drei Tage bereit sein, zu gewinnen. Das ist Chelsea", sagte der deutsche Trainer des amtierenden Champions-League-Siegers am Mittwochabend.

Fraglich ist jedoch, wie lange Chelsea in dieser Konstellation noch bereit ist, gewinnen zu können und Tuchel bei diesem Klub noch Trainer ist. Abramowitsch gilt als Vertrauter von Russlands Präsident Wladimir Putin und wurde vor einer Woche mit harten Sanktionen belegt, die den Klub aktuell enorm einschränken.

"Der einzige Strohhalm ist eine Übernahme. Die Anteile von Abramowitsch müssen verkauft werden. Sonst können auslaufende Verträge nicht verlängert werden und sportlich würde der Klub auseinanderfallen", sagt Henning Zülch im Gespräch mit watson. Er leitet den Lehrstuhl für Rechnungswesen, Wirtschaftsprüfung und Controlling an der HHL Leipzig Graduate School of Management.

Wirtschaftsexperte Henning Zülch.
Wirtschaftsexperte Henning Zülch. Bild: HHL Leipzig Graduate School of Management / Michael Bader

Chelseas Sponsoren springen ab

Doch auch Tuchel ist sich bewusst, dass er die beschworene Mentalität nicht ewig aufrechterhalten kann, das machte er am Mittwochabend auch deutlich. Denn es geht nicht nur um die Arbeitsverträge von Spielern und Trainern, sondern auch der Vereinsmitarbeiter.

Die britische Regierung hatte das Vermögen von Abramowitsch eingefroren. Deshalb darf der Klub nur noch durch eine Sondererlaubnis die Gehälter zahlen und an Wettbewerben und Spielen teilnehmen.

"Die große Frage wird sein, wie man künftig mit Investoren dieses Kalibers umgeht und wie man diese kontrolliert."
Wirtschaftsexperte Henning Zülch zu den Auswirkungen der Abramowitsch-Sanktionen auf die Premier League

Tickets verkaufen dürfen sie hingegen nicht, der Fanshop ist geschlossen, das Budget für Auswärtsreisen ist streng limitiert. Am Freitag stellte noch der Mobilfunkanbieter und Trikotsponsor "Three" die Zusammenarbeit ein. Auch Autohersteller Hyundai hat sein Sponsoring vorläufig ausgesetzt.

"Die Auflösung der Sponsorenverträge ist von den Partnern konsequent. Für die Unternehmen hätte es einen negativen Image-Effekt, wenn sie nicht gekündigt hätten. Sie wären ihrer gesellschaftlichen Verantwortung nicht gerecht geworden, was im Umkehrschluss Kunden abgeschreckt hätte", sagt Wirtschaftsexperte Zülch.

Spieler können nicht einfach kündigen

Doch nicht nur wirtschaftlich, auch sportlich steht Chelseas Zukunft auf wackeligen Beinen. Der Klub darf keine neuen Spieler verpflichten oder die auslaufenden Verträge von Spielern verlängern. Dazu zählen DFB-Star Antonio Rüdiger und Kapitän Cesar Azpilicueta, der am Mittwochabend den 2:1-Siegtreffer gegen Lille erzielte.

Lille v Chelsea - UEFA Champions League - Round of Sixteen - Second Leg - Stade Pierre-Mauroy Cesar Azpilicueta celebrates scoring his goal during the Champions League match against Lille. Use subject ...
Cesar Azpilicueta spielt seit 2012 beim FC Chelsea.Bild: www.imago-images.de / imago images

Laut englischen Medienberichten sollen einige Spieler bereits nach Bekanntwerden der Sanktionen ihre Anwälte kontaktiert haben. Einen vorzeitigen Abgang von Superstars wie Romelu Lukaku, Jorginho oder den deutschen Nationalspielern Timo Werner oder Kai Havertz kann es so schnell nicht geben. "So lange die Profis beim FC Chelsea ihr Gehalt bekommen und nicht von Wettbewerben ausgeschlossen werden, sehe ich keinen Grund, warum sie ein Sonderrecht hätten zu kündigen", sagt Sportrechtler Paul Lambertz im Gespräch mit watson.

Sportrechtler Dr. Paul Lambertz
Sportrechtler Paul Lambertz.Bild: Jessica Sturmberg / Jessica Sturmberg

Problematisch wäre es erst, wenn Chelsea über einen längeren Zeitraum kein Geld zahlen könnte. Dann könnten die Spieler aus ihrem Vertrag aussteigen und sich ablösefrei einem neuen Klub anschließen.

Freitag ist der entscheidende Tag für Chelsea

Aktuell gibt es jedoch immer wieder Gespräche zwischen den Chelsea-Verantwortlichen und der britischen Regierung, um einen zeitnahen Verkauf auf den Weg zu bringen. Einzige Vorgabe: Abramowitsch darf an dem Geschäft nicht verdienen. Der Russe hatte vergangene Woche bereits angedeutet, dass er dem Verein die Schulden in Höhe von 1,5 Milliarden Euro erlassen würde.

"Aber wenn sie wieder nach ganz oben wollen, müssen sie das gewisse Extra-Geld haben."
Wirtschaftsexperte Henning Zülch zu Chelseas Zukunfsaussichten

An Interessenten mangelt es dem Klub nicht. Noch bis Freitag kann ein Angebot für den Verein abgegeben werden. Unter anderem unterstützt Sebastian Coe, Chef des Leichtathletik-Weltverbandes, den britischen Geschäftsmann Martin Broughton. Zudem bekundete die Ricketts-Familie, Eigentümer des Baseball-Teams Chicago Cubs, ihr Interesse. Und auch ein Konsortium aus Saudi-Arabien ist wohl am Kauf interessiert.

"Auch wenn der saudi-arabische Investor oder ein anderer in der Diskussion stehende Investor kommen sollte, werden die Spieler darüber nachdenken, ob sie ihre Karriere bei Chelsea fortsetzen wollen, weil es eine unsichere Situation ist und bleibt."

Grundsätzliche Diskussion über Investoren im Fußball

In seinen 18 Jahren beim englischen Traditionsclub hat Abramowitsch 3,2 Milliarden Euro in den Klub investiert. Nicht nur für neue Spieler, sondern beispielsweise auch in den Ausbau des Trainingszentrums. "In- und Output stehen aber in keinem Verhältnis, auch wenn man 21 Titel gewonnen hat", bewertet Henning Zülch. Und so befeuert die aktuelle Situation aber auch wieder eine Diskussion über Investoren im Fußball.

Dabei macht Zülch deutlich, dass Erfolg im Fußball ohne Investoren nicht mehr möglich sei. "Die heute benötigten Summen, um international konkurrenzfähig zu sein, können nie aus dem gewöhnlichen Geschäftsfeld eines Fußballklubs generiert werden."

Doch laut dem 48-Jährigen brauche es viel mehr "strategische Investoren". Klub und Investor müssten eine Strategie entwickeln, damit das Geschäftsmodell überlebensfähig sei. "Sie müssen auf einer langfristigen Basis die Optimierung des Geschäftsmodells in den Vordergrund stellen."

In Deutschland wird der Einstieg von Investoren durch die sogenannte "50+1-Regel" reglementiert. Sie legt fest, dass die Mehrheit der Stimmanteile an einem Profi-Klub immer beim Verein liegen müssen, um den Einfluss von Investoren zu deckeln.

Chelsea bleibt nur mit "Extra-Geld" ein europäischer Top-Klub

Doch egal, wer nun letztendlich neuer Besitzer des Klubs wird, sie "werden nicht in der Versenkung verschwinden", ist Zülch sicher. Je nachdem, ob und wie sie die Lizenzvorgaben der Premier-League erfüllen können, droht womöglich ein Punktabzug noch in dieser oder der kommenden Saison.

"Aber wenn sie wieder nach ganz oben wollen, müssen sie das gewisse Extra-Geld haben. Denn die Premier League ist ein hochkompetitiver Wettbewerb und dort schießt Geld nun einmal Tore."

Für Liga und Klub ist es aber auch die Frage, wie man künftig mit solchen Situationen umgeht. Denn auch Investoren aus Saudi-Arabien (Newcastle United) oder Katar (Manchester City) stehen aufgrund der Menschenrechtssituation in deren Ländern heftig in der Kritik. Gut möglich, dass es auch für sie in Zukunft irgendwann Sanktionen geben könnte, die das Fortbestehen des Fußball-Klubs gefährden könnten.

"Die große Frage wird sein, wie man künftig mit Investoren dieses Kalibers umgeht und wie man diese kontrolliert", sagt Henning Zülch.

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