Giannis Antetokounmpo kam von ganz unten und ist jetzt der Boss der NBA. Bild: Tom Pennington/Getty Images
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Sie nennen ihn "The Alphabet" – kein Wunder, bei dem Namen: Giannis Antetokounmpo. Sie nennen ihn "The Greek Freak" – kein Wunder, bei Double- und Triple-Doubles wie am Fließband. Und bald könnten sie ihn "MVP" nennen. Denn dank Giannis sind die Milwaukee Bucks zum besten Team der NBA geworden. Der Meistertitel wäre die frühe Krönung einer unglaublichen Lebensgeschichte.
17. März, Fiserv Forum: Gerade haben die Milwaukee Bucks ihre Heimpartie gegen die Philadelphia 76ers knapp mit 130:125 verloren – doch keiner sprach über die Niederlage, sondern nur über ihn: Giannis Antetokounmpo hatte mit 52 Punkten seinen persönlichen Karriererekord aufgestellt und die Beobachter fragten sich erneut: Was wäre dieses Team ohne seinen "Greek Freak"? Und vor allem: Wer, wenn nicht er sollte diese Saison zum MVP gewählt werden?
Denn Giannis ist ein MVP im Sinne der Bezeichnung: der most valuable player, der wertvollste Spieler seiner Mannschaft, dem aktuell besten Team der Liga, den Milwaukee Bucks. Er ist es nicht nur aufgrund seiner großartigen Statistiken oder der spektakulären Dunks, sondern weil er seine Mitspieler, wie etwa Khris Middleton, besser, viel besser, zu All Stars macht. Dass er bei der diesjährigen, von den Fans durchgeführten All-Star-Wahl die meisten Stimmen aller Spieler bekam, asphaltiert weiter seinen Weg zum MVP-Ruhm.
"The Greek Freak" beim All-Star Game im Februar.Bild: imago sportfotodienst
Dabei ist Giannis nicht nur ein spektakulärer Offense-Spieler, der Double-Doubles und Triple-Doubles wie am Fließband produziert, sondern auch einer der besten Defense-Player der NBA: Im Eins-gegen-Eins lässt der Grieche nur 40 Prozent aller Field Goals zu – eine Statistik, in der ihn nur Boston Celtics‘ Jayson Tatum schlägt, um gerade einmal 0,2 Prozent.
Vom Armenviertel auf den Basketball-Platz
Dass er die NBA dermaßen dominieren und zu einem weltweiten Star aufsteigen würde, den selbst Lakers-Legende Kobe Bryant als den kommenden MVP sieht, war nicht abzusehen. Giannis besuchte kein US-College, er machte nicht als EuroLeague-MVP auf sich aufmerksam, wie etwa Dirk Nowitzkis 20-jähriger slowenischer Teamkollege Luka Dončić. Giannis war einfach ein 19-jähriger Rookie aus der zweiten griechischen Liga, der nur Jahre zuvor im Müll nach Essen suchte, als ihn die Bucks an 15. Stelle pickten.
Giannis Antetokounmpo kam am 6. Dezember 1994 als drittes von fünf Kindern nigerianischer Einwanderer in Athen zur Welt. Seine Eltern hatten wenige Jahre zuvor die Heimat – und ihren ersten Sohn, Francis – hinter sich gelassen, um in Europa ein besseres Leben zu finden. Doch stattdessen landeten sie, ohne Perspektive, ohne Geld und ohne gültige Papiere, im Armenviertel Sepolia. Sie schlugen sich mit mies bezahlten Mini-Jobs und als Tagelöhner durch. Giannis – der, obwohl in Griechenland geboren, bis zu seinem 18. Geburtstag als Staatenloser registriert war – besserte die Familienkasse als fliegender Händler auf: Er verkaufte Touristen Hüte, Sonnenbrillen oder Taschen.
Auf dem Basketballplatz in Sepolia, wo Giannis die ersten Schritte machte, ist er jetzt schon eine Legende. Bild: imago stock&people
Mit 12 beginnt Giannis mit seinem älteren Bruder Thanasis, der mittlerweile Basketball-Profi beim griechischen Rekordmeister Panathinaikos Athen ist, auf einem Asphalt-Court in der Nachbarschaft Basketball zu spielen. Und er verliebt sich ins Game. Er läuft täglich fünf Kilometer in die Sporthalle eines örtlichen Jugendvereins, um mitzutrainieren. Das Talent des unterernährten, groß gewachsenen Jungen fällt den ersten Jugendtrainern auf, Scouts verlaufen sich eigentlich nicht hierher, in den Nordwesten Athens. Giannis sollte 16 werden, bis er Giorgios Panou bei einem Jugendturnier auffiel. Der Scout rief direkt seinen Geschäftspartner, den griechisch-amerikanischen Agenten Alex Saratsis an.
Durch den Basketball wird er griechischer Staatsbürger
Das Problem war: Saratsis, heute Giannis‘ Manager, wollte zunächst nichts von dem Rohdiamanten aus der Heimat wissen. Panou spricht Giannis dennoch an, verspricht ihm bereits die große, weite Basketballwelt, während er hinter dessen Rücken Saratsis bearbeitet, sich endlich in ein Flugzeug zu setzen und nach Athen zu fliegen. Der Rest der Geschichte ist das, was man gemeinhin pathetisch als die Erfüllung des American Dreams bezeichnet.
Dabei wehrte sich ausgerechnet Giannis zunächst gegen genau diesen: Der schüchterne Teenager wollte seine Familie nicht zurücklassen und musste von seinem Vater davon überzeugt werden, zum NBA-Draft nach New York zu fliegen. In den USA, in Milwaukee angekommen, ging seine Einsamkeit so weit, dass er mit der Rückkehr nach Griechenland drohte, sollten seine Eltern auch im entscheidenden dritten Anlauf kein Visum erteilt bekommen. Doch Familie Antetokounmpo erhielt die Erlaubnis zur Einreise und Giannis blieb – und spielte immer stärker auf.
Ende 2016 verlängerten die Bucks den Vertrag mit Antetokounmpo vorzeitig um vier weitere Jahre – was dem ehemaligen Sonnenbrillen-Verkäufer 100 Millionen Dollar einbrachte. Nicht nur finanziell half der Basketball: Bis 2013 war die Familie Antetokounmpo offiziell staatenlos, durch die Erfolge der Brüder im Basketball erhielten Giannis und sein älterer Bruder Thanasis die griechische Staatsangehörigkeit und spielen seither für die griechische Nationalmannschaft. Auch Kostas, der jüngere Bruder von Giannis, ist mittlerweile Basketball-Profi bei den Dallas Mavericks in der NBA und spielt für die griechische U20-Nationalmannschaft.
Giannis läuft international für Griechenland auf. Bild: imago sportfotodienst
Die Antetokounmpo-Brüder sind mittlerweile Vorbild für viele eingewanderte Jugendliche, die es in Griechenland noch immer schwer haben und häufig nicht als griechische Staatsbürger anerkannt werden. Der Werdegang der Brüder beschäftigte selbst die Polit-Elite im Land. Auf einen rassistischen Kommentar eines rechten Politikers in Griechenland sprang Ministerpräsident Alexis Tsipras in Bresche für die Familie und postete ein Foto von sich im Nationaltrikot.
Dazu schrieb er:
"Respekt und Stolz für Menschen, die hier geboren, großgeworden sind und Griechenland zu ihrer Heimat machen. Keine Toleranz für Rassismus und Hass."
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras über die Antetokounmpo-Brüder.
Auch die NBA-Stars huldigen Giannis
"Ich habe noch nie jemanden wie ihn gesehen. Er kann der beste Spieler der Geschichte werden. Darüber nachzudenken macht mir Angst, aber er ist derzeit mein Lieblingsspieler." Das sagte kürzlich niemand geringeres als Kevin Durant, MVP 2014, zweifacher NBA-Meister und zehnfacher All-Star, über Giannis Antetokounmpo. Und Durant sollte besorgt sein, denn sein Team, der Serienmeister Golden State Warriors, arbeitet im Hintergrund hartnäckig daran, ihn früher oder später durch den "Greek Freak" zu ersetzen.
Der denkt momentan jedoch nur an eins: Mit seinen Bucks den ersten NBA-Titel seit 1971 nach Wisconsin zu holen und das Versprechen an seinen Vater einzulösen: dass sein Trikot mit der Nummer 34 eines Tages neben der legendären 33 Kareem Abdul-Jabbars, dem größten Scorer der NBA-Geschichte, unter dem Hallendach in Milwaukee hängen wird. Er ist auf einem ziemlich guten Weg dorthin.
Für die ersten 39 Minuten gegen Union Berlin fanden die Verantwortlichen des VfB Stuttgart am Freitagabend noch deutliche Worte. Es sei "schwere Kost" gewesen und das Spiel "mutlos", sagte Trainer Sebastian Hoeneß.