Die Deutsche Fußball-Liga (DFL) steht doppelt unter Zeitdruck. Die Profiklubs der 1. und 2. Bundesliga sind zum einen dringend auf Geisterspiele angewiesen, damit das gesamte Geld aus dem aktuellen TV-Vertrag fließt und Pleiten verhindert werden können.
Zum anderen ist die Liga sehr daran interessiert, dass die TV-Unternehmen nicht in noch größere wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten – schließlich sollen sie im Wettbieten um den neuen Medien-Vertrag für die Übertragungsrechte an den kommenden Bundesliga-Saisons wieder Milliarden Euro ausgeben.
Eigentlich wollte DFL-Boss Christian Seifert zwischen dem 27. April und 8. Mai mit einem kleinen Kreis von Spezialisten an einem geheimen Ort in Frankfurt am Main die Offerten der Unternehmen sichten, die Mitte März die Zulassung für die Auktion erhalten hatten.
"Sehr viele Bewerber haben signalisiert, dass sie gerne an dem Prozess festhalten möchten", hatte Seifert gesagt. Und musste kurz danach das wichtigste Projekt der DFL wegen der Corona-Krise doch noch verschieben; zunächst auf einen noch nicht näher benannten Termin im Juni.
Dabei steckt die Liga in einer Zwickmühle. Einerseits benötigt sie schnell ein Ergebnis im Milliarden-Poker für die Spielzeiten 2021/22 bis 2024/25, damit die Klubs Planungssicherheit erhalten. Andererseits benötigen die Medienunternehmen mehr Zeit, um die Folgen der Krise seriös abzuschätzen und sich von den finanziellen Auswirkungen zu erholen.
Vor allem Pay-TV-Sender Sky und Streamingdienst DAZN, die beim Wettbieten um die vier teuren Live-Pakete den Großteil des Geldes bringen sollen, ächzen unter den Folgen der Monate ohne Live-Sport. Beiden Unternehmen fehlt die wichtigste Ware.
Wie groß die gegenseitige Abhängigkeit und wie unverzichtbar vor allem Sky derzeit ist, zeigte sich beim Aufatmen der Liga, als in der vergangenen Woche fast alle Medienpartner Vorauszahlungen für den derzeit noch gültigen Vertrag zusagten – und als ein "besonderer Dank" von Seifert an Sky ging. Also an den größten Zahlmeister der Liga mit durchschnittlich 876 Millionen Euro pro Jahr.
Ob Sky durch die Vorauszahlung Vorteile beim Poker um den neuen Vertrag hat? "Auch die kommende Medien-Ausschreibung der DFL findet in Abstimmung und unter Aufsicht des Bundeskartellamtes statt", sagte ein DFL-Sprecher der Deutschen Presse-Agentur. "Das Verfahren ist transparent und diskriminierungsfrei. Individuelle Vor- oder Nebenabsprachen mit einzelnen Bietern sind dabei nicht zugelassen."
Grundsätzlich erhält bei der Auktion das meistbietende Unternehmen den Zuschlag. Nur in einem speziellen Fall dürfte sich Sky einen kleinen Vorteil erhoffen. Die vom Kartellamt abgesegneten Auktionsregeln sehen vor, dass die Liga nur dann frei entscheiden darf, wenn der Unterschied zwischen dem höchsten und dem zweithöchsten Gebot 20 Prozent oder weniger beträgt.
Offizielle Zahlen gibt es nicht, aber es ist kein Geheimnis: Sky und DAZN kostet die Krise viel Geld. Viele Kunden haben bereits ihre Abonnements gekündigt, weil es keinen Live-Sport zu sehen gibt. Die Unsicherheit ist groß. Besonders Streaminganbieter DAZN drohen aufgrund der Möglichkeit, zum Monatsende kündigen zu können, enorme kurzfristige Einnahme-Ausfälle.
Auch die klassischen TV-Sender leiden unter den eingebrochenen Werbeeinnahmen. Ob die Pay-TV- und Streaming-Anbieter nun milliardenschwere Verträge über Übertragungsrechte mit der Liga abschließen können und wollen, ist unsicher.
Profitieren könnte ein Bewerber, der von der Krise gerade sogar profitiert. Amazon gilt seit langem als Interessent für Bundesliga-Rechtepakete mit Livespielen und verzeichnet aktuell einen starken Anstieg der Bestellungen aufgrund der Ausbreitung des Virus. Der größte Online-Händler der Welt kündigte im März an, in den USA 100.000 zusätzliche Voll- und Teilzeitkräfte für Lager und Auslieferung anzuheuern, um die gestiegene Nachfrage bewältigen zu können. Die Umsatzzahlen des Internet-Riesen steigen. Und auch der Aktienkurs stieg zuletzt auf ein Rekordhoch. Das Unternehmen hatte sich zuletzt schon TV-Rechte an der Champions League und der Premier League gesichert.
(as/mit Material von dpa)