Schon mit seiner Ankunft beim FC Bayern im März sah sich Thomas Tuchel einigen Vorurteilen konfrontiert. Da er sich bei seinen vorherigen Klubs in Dortmund, bei Paris Saint-Germain und dem FC Chelsea stets mit den Klubbossen verkrachte, ahnten Beobachter:innen mit Blick auf die damaligen Bayern-Bosse Oliver Kahn und Hasan Salihamidžić und Klub-Patron Uli Hoeneß im Hintergrund nichts Gutes.
Doch trotz vorzeitigem Aus im DFB-Pokal und der Champions League und einer Last-Minute-Meisterschaft krachte es nicht. Der Trainer nahm die internen Querelen zwischen den Bossen samt Entlassung von Kahn und Salihamidžić hin.
Doch in seiner nun ersten kompletten Saison als Coach der Münchner ist er gefordert. Im Interview mit dem Mitgliedermagazin "51" zeigt er sich dabei ungewohnt offen und übt Selbstkritik.
In dem Gespräch gibt Tuchel zu, dass er ein Perfektionist ist. "Ja, leider", kommentiert er. Eine Stärke und Schwäche zugleich, findet er. Doch aus seiner Haut komme er da nicht. Nicht immer hilfreich, wie er findet, denn andere aber auch ihn selbst könne das anstrengen.
"Ich bin immer auf der Suche nach dem perfekten Spiel – obwohl ich weiß, dass es das gar nicht gibt. Da bin ich Sisyphos, der immer wieder seinen Stein den Berg hochrollt", erklärt er. "Perfektionist und Fußballtrainer ist eine ziemlich katastrophale Kombination. Aber das muss man lernen, zu akzeptieren."
Das Vorurteil des nie zufriedenen Perfektionisten, der seine Spieler kontrolliert, haftete ihm schon seit seiner Zeit bei Borussia Dortmund an. "Ich glaube, bei mir wurde in Deutschland sehr früh eine Schublade aufgemacht, in der ich dann verschwunden bin – und niemand hat zwischendurch mal wieder reingeschaut." Seine Zeit in Frankreich und England hätte dazu geführt, dass auch er sich weiterentwickelt habe und man ihn dort anders sehe.
"Und vielleicht komme ich ja in Deutschland aus der Schublade auch eines Tages noch mal raus", hofft er.
Erfolge mit dem FC Bayern könnten dazu definitiv beitragen. Und Tuchel hat klare Vorstellungen, wo der Klub am Ende der Saison stehen wird. "Ich denke, kein Bayern-Trainer hat im Laufe der Geschichte eine andere Antwort gegeben als: ganz oben!", erklärt er. "Wir wollen Meister werden, endlich mal wieder zum Pokalfinale nach Berlin, und in der Champions League gehört der FC Bayern immer zu den Titelkandidaten."
Bis zu seinem Amtsantritt in München trainierte Tuchel den FC Chelsea. 2021 holte er sich mit ihnen den Champions-League-Sieg. Eine Erfahrung, die offenbar anders war, als erwartet. Er berichtet:
Es sei ein flüchtiger Moment, den man nicht lange festhalten könne. Trotzdem würde er sich den Titel gerne eine weiteres Mal holen, "unbedingt", sagt er.