Bundesliga
Das Sportliche rückt beim 1:0-Erfolg des 1. FC Union im ersten Bundesliga-Derby gegen Hertha BSC in den Hintergrund. Stattdessen dominieren unrühmliche Bilder.
Florian Lütticke und Jens Mende, dpa
Torwart Rafal Gikiewicz jagt Vermummte zurück auf die
Tribüne. Eine Leuchtrakete schlägt nur knapp neben der Spielerbank
ein. Sebastian Polter bejubelt den Siegtreffer kurz vor Ende – und
berichtet anschließend von "Angst" um die eigene Familie.
Viele
Szenen werden nach dem 1:0-Erfolg des 1. FC Union gegen Hertha BSC im
ersten Bundesligaderby in Erinnerung bleiben.
Torwart-Abwehr
Kurz nach Schlusspfiff klettern mehrere Fans aus dem
Union-Bereich mit Kapuzen und Sturmhauben vermummt über den Zaun und
wollen sich auf den Weg Richtung Gästeblock machen. Blitzschnell
reagieren mehrere Profis der Köpenicker, halten die eigenen Anhänger
auf und verhindern damit wahrscheinlich weitere Eskalationen.
Keeper
Gikiewicz packt sogar tatkräftig zu, schreit und weist den Vermummten
den Weg zurück auf die Tribüne. Mit Erfolg – die übrigen Fans feiern
den Polen mit "Gikiewicz"-Rufen. "Es ist unsere Pflicht, die eigenen
Fans auch vor Dummheiten zu beschützen", erklärte Siegtorschütze
Polter das Einschreiten.
Gikiewicz in Aktion.Bild: picture alliance/dpa
Pyro-Attacke
Schon während der ersten Halbzeit fliegen Leuchtraketen
aus dem Hertha-Block Richtung Haupttribüne und über das Stadiondach.
Nach der Pause wird in beiden Fan-Lagern Pyrotechnik gezündet – und
aus dem Gästebereich gibt es wieder Leuchtraketenschüsse. Eine
schlägt nur knapp neben der Union-Bank ein, der umsichtige
Schiedsrichter Deniz Aytekin unterbricht das Spiel für insgesamt fünf
Minuten und schickt die Mannschaften auch zeitweise in den
Kabinengang. Ein Abbruch droht.
Ein Feuerwerkskörper fliegt aufs Spielfeld. Bild: picturealliance/dpa/XinHua
"Man muss viele Faktoren abwägen. Die oberste Priorität war natürlich
die Sicherheit der Verantwortlichen, der Spieler, von uns allen",
erklärt der Referee anschließend. "Letztendlich haben wir dann auch
in Abstimmung mit der Polizei – da waren wir in sehr engem Kontakt – entschieden, das Spiel zu Ende zu bringen." Kurz vor Ende des Spiels
verbrennen Hertha-Anhänger auf dem Zaun zudem noch Fan-Utensilien, die
offensichtlich von Union stammen.
Insgesamt gibt es nach ersten Polizeiangaben zwei Leichtverletzte
durch das Abfeuern von Pyrotechnik, darunter ein Polizist. Es werden
Strafermittlungsverfahren eingeleitet. Beiden Clubs drohen
empfindliche Strafen durch den Deutschen Fußball-Bund.
Der Derby-Held
In keinem Saisonspiel reichte es für Union-Star Sebastian Polter bislang für
die Startelf. Und doch darf der Stürmer wie schon beim 1:2
beim FC Bayern vor einer Woche Verantwortung beim Elfmeter übernehmen – und wird in der 87. Minute zum umjubelten Helden. Hertha-Keeper
Rune Jarstein kann den Strafstoß des 28-Jährigen nicht entscheidend
ablenken. "Das Kompliment muss an die Mannschaft und den Verein
gehen", betont Polter. "Jetzt können unsere Fans mit strahlendem
Gesicht zu ihren Arbeitskollegen gehen und sagen: "Wir sind
Stadtderbysieger!"
Sebastian Polter.Bild: picture alliance / Xinhua News A
Erst nach Schlusspfiff habe er erfahren, dass eine Leuchtrakete
während der ersten Halbzeit einen Meter neben seinen beiden Kindern
und seiner Freundin auf der Haupttribüne eingeschlagen sei, berichtet
er. "Das ist schrecklich und nicht zumutbar", sagt Polter. "Wenn man
weiß, dass die eigenen Kinder getroffen werden könnten, wünscht man
das keinem – weder blau-weiß oder rot-weiß." Anschließend sei seine
Freundin mit den Kindern von der Tribüne gegangen und habe das Spiel
vor dem Fernseher verfolgt. "Es sind Idioten, die sowas irgendwo
hinzünden."
Hertha-Ärger
Ausgerechnet Dedryck Boyata als bestem Spieler aus
einem schwachen Hertha-Team unterläuft der entscheidende Fehler. Mit
einer wilden Grätsche bringt der Belgier den schießenden
Union-Routinier Christian Gentner zu Fall – nach Studium der
Videobilder bleibt Aytekin bei seiner Strafstoß-Entscheidung. "Für
mich ist das kein Elfmeter", schimpft Hertha-Geschäftsführer Michael
Preetz. "Die Situation ist abgeschlossen, er schießt kilometerweit
übers Tor."
Die Szene, die zum Strafstoß führte. bild: imago images / Jan Huebner
Ziel verfehlt
Die erste Saisonvorgabe hat Hertha nun bereits
verpasst. Zwei Derbysiege und "die Nummer eins in Berlin" hatte Herthas Cheftrainer Ante Covic bei Amtsantritt als Ziele ausgerufen. Die Frage, ob sein Team nicht
zu passiv aufgetreten sei, nervt ihn deshalb bei der offiziellen
Pressekonferenz im Stadion An der Alten Försterei sichtbar.
Ante CovicBild: picture alliance/dpa
"Die
Bundesliga besteht aus 34 Spieltagen, nicht nur aus einem", sagt er
schmallippig. "Ich will jetzt nicht böse klingen, aber kurz auf die
Tabelle schauen: Wir sind immer noch vor (Union)." Nach der zweiten
Liga-Niederlage in Serie ist dieser Vorsprung aber auf einen Zähler
geschrumpft.
Als hätte dieser ohnehin schon fesselnde Abend nicht bereits genug geboten, ging das Rückspiel zwischen Manchester City und Real Madrid im Viertelfinale der Champions League auch noch ins Elfmeterschießen. Der absolute Höhepunkt des Nervenkitzels.