Verlässlich liefert die Jahreshauptversammlung des FC Bayern Eskalationen in verschiedenen Abstufungen. Als "schlimmste Veranstaltung, die ich je beim FC Bayern erlebt habe" bezeichnete Uli Hoeneß die Zusammenkunft aus dem Jahr 2021. Etliche Mitglieder buhten und brüllten, sangen "Wir sind die Fans, die ihr nicht wollt". Auslöser war die umstrittene Zusammenarbeit mit Katar.
Michael Ott, das durch den "Katar-Antrag" legendär gewordene Bayern-Mitglied, trat auch in diesem Jahr wieder vor das Mikrofon. Der arabische Wüstenstaat war kein Thema mehr, im Sommer war die Kooperation mit Qatar Airways beendet worden. Grund für Kritik gab es dennoch. Diesmal ging es um Ruanda, für das der FC Bayern seitdem wirbt. Auch dort ist die Menschenrechtslage problematisch.
"Ruanda ist kein Land, für das man eine Heile-Welt-Tourismus-Kampagne fahren kann", sagte Ott am Rednerpult. "Jeder, der dachte, nach Ende des Katar-Sponsorings hätte bei der Vereinsführung ein Umdenken eingesetzt, wurde eines Besseren belehrt." Es gehe weiterhin nur ums Geld, Menschenrechte seien egal, kritisierte Ott: "Wir verhalten uns moralisch genauso verwerflich in den vergangenen Jahren. Das ist beschämend."
Daraufhin richtete sich Michael Ott direkt an Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß, der seinen Auftritt bereits im vergangenen Jahr als "peinlich" bezeichnet hatte. "Das ist der Fußballklub Bayern München und nicht die Generalversammlung von Amnesty International", sagte Hoeneß damals, nachdem Ott abermals die Kooperation mit Katar kritisiert hatte.
"Herr Hoeneß", sagte Ott diesmal, darauf rekurrierend, "wenn Sie möchten, dass in Zukunft auf der JHV nicht mehr über Menschenrechte diskutiert wird, schlage ich vor, dass Sie im Aufsichtsrat der AG dafür sorgen, dass keine Deals mehr mit solchen Schurkenstaaten abgeschlossen werden." Dann könne man auch wieder über Fußball reden.
Partei für Hoeneß ergriff Bayern-CEO Jan-Christian Dreesen, der entgegnete, die Zusammenarbeit mit Ruanda habe "nicht ansatzweise etwas mit der Partnerschaft mit Qatar Airways zu tun". Seit dem Genozid sei Ruanda ein stabileres Land, zudem habe man die Kooperation auf zwei Beine gestellt: "auf die Unterstützung der Entwicklung von Kinder- und Jugendfußball. Und das zweite Bein ist ein Sponsorship."
Insgesamt verlief die Jahreshauptversammlung aber im Vergleich zu vorherigen Ausgaben deutlich harmonischer. Bemerkenswert war, wer beim FC Bayern am euphorischsten von den Mitgliedern gehuldigt wurde: Den lautesten und längsten Applaus erntete ausgerechnet Sven Ulreich in Abwesenheit. Nicht etwa Harry Kane oder Jamal Musiala.
Als Jan-Christian Dreesen über das Comeback von Manuel Neuer sprach, lobte er dessen Ersatzmann Ulreich in den höchsten Tönen. Eine Reaktion, die auch vom Publikum gespiegelt wurde.
Nachdem sich Manuel Neuer im Dezember letzten Jahres verletzt hatte, wurde zuerst Yann Sommer aus Gladbach verpflichtet, wobei sich Ulreich ohne Allüren hintan reihte. Im Sommer verließ Sommer den Verein und Ulreich ersetzte ihn in der Folge eindrucksvoll. Als Neuer vor zwei Wochen aus seiner Verletzung zurückkehrte, gab sich Ulreich wieder mit dem zweiten Platz zufrieden – erneut geräuschlos.
Nun möchte der FC Bayern gern den Vertrag mit dem 35-Jährigen verlängern, der im Sommer nächsten Jahres ausläuft. "Ich hoffe, dass er das gehört hat", sagte Dreesen schmunzelnd über den tosenden Applaus. "Vielleicht fällt ihm die Unterschrift unter seinen neuen Vertrag leichter."