Sport
Digital

Jana Möglich über Diversität im eSports: "Der Einstieg kann viel kaputt machen"

Jana Möglich setzt sich vielseitig für mehr weibliche und non-binäre Menschen im eSports ein.
Jana Möglich setzt sich vielseitig für mehr weibliche und non-binäre Menschen im eSports ein. bild: SEBASTIAN HAAS
Digital

Jana Möglich über mangelnde Diversität im eSports: "Der Einstieg kann viel kaputt machen"

04.10.2022, 07:4304.10.2022, 13:46
Mehr «Sport»

Warum gibt es so wenige Frauen und non-binäre Spieler:innen im eSports und wie kann man das ändern? Diese Fragen treiben Jana Möglich seit Jahren um. Als Mitglied im Equal eSports Council macht sie sich für die Förderung junger weiblicher und non-binärer eSports-Talente stark. Mit watson hat Jana über die Hürden gesprochen, die mehr Diversität im eSports im Weg stehen, erzählt aber auch von Entwicklungen in der Branche, die ihr Hoffnungen machen.

Nur wenige Menschen kennen den eSports und seine vielen Facetten so gut wie Jana Möglich. Sie ist in der Szene als Autorin, Moderatorin, Referentin, Promoterin, Schiedsrichterin und Beraterin aktiv und war von 2007 bis 2017 selbst zehn Jahre lang als E-Sportlerin unterwegs. "Im eSports habe ich ein zweites Zuhause gefunden", sagt Jana heute.

Als Jugendliche waren Onlinespiele für sie der Weg, um trotz vieler Umzüge und einem Leben auf dem Land Kontakt zu Gleichgesinnten zu halten. Vor allem in Egoshootern wie "Rainbow Six" oder "Call of Duty" war Jana gut. So gut, dass bald die ersten Teamanfragen kamen.

Als junges Mädchen verstörende Angebote erhalten

Als eine von wenigen Frauen wurde ihr im Spiel schnell viel Aufmerksamkeit zuteil – positive wie negative. "Der Online-Raum zieht durch seine Anonymität toxisches Verhalten an wie ein Magnet", sagt Jana. "Gegenüber Frauen oder Mädchen äußert sich das oft in sexistischen Sprüchen und Beleidigungen." Partnerschaftsanfragen oder andere amouröse Angebote seien für sie als junges Mädchen besonders verstörend gewesen, berichtet Jana.

"Man bekommt immer das Gefühl vermittelt, dass man nicht gut genug ist, weil man eine Frau ist."

Zwar würden alle Anfänger:innen zu Beginn viel einstecken müssen – neben herben Niederlagen auch viele fiese Sprüche – bei Frauen gingen diese Anfeindungen aber immer aufs Geschlecht, erklärt Jana. Sprüche wie "Du bist 'ne Frau, du hast hier nichts verloren" hätten sie zu Beginn unglaublich verunsichert.

"Man bekommt immer das Gefühl vermittelt, dass man nicht gut genug ist, weil man eine Frau ist." Ein solcher Einstieg ins Online-Gaming könne viel kaputt machen und viel weibliches Potenzial herausfiltern, sagt sie aus eigener Erfahrung.

Diesen Zustand wollte Jana nicht länger hinnehmen. 2013 gründete sie für die Electronic Sports League eine Frauenliga, die sie selbst zwei Jahre lang managte. "Wir haben einen geschützten Raum geboten, in dem sich alle ohne Nebengeräusche aufs Spielen konzentrieren konnten", sagt Jana. Weil auch der persönliche Kontakt nicht zu kurz kommen sollte, initiierte sie zudem alljährliche Frauentreffen auf der Spielemesse Gamescom.

Zu einer Zeit, in der es noch wenig niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeiten für Gamerinnen gab, schufen Jana und ihre Mitstreiter:innen diese also selbst. Inzwischen sieht das zum Glück aber anders aus, erzählt sie.

Laut Jana Möglich wird der Amateurbereich immer diverser, bei den eSports-Profis gibt es aber große Defizite.
Laut Jana Möglich wird der Amateurbereich immer diverser, bei den eSports-Profis gibt es aber große Defizite.bild: jana möglich

Die Zahl an regionalen Vereinsgründungen sei in den vergangenen Jahren "total explodiert", sagt Jana. Zudem werde eSports an immer mehr Hochschulen als Sportprogramm angeboten. "Das ist schonmal ein ganz anderer Einstieg, als wenn man nur online zockt und irgendjemand einen ständig zurück in die Küche schicken will", sagt Jana.

Im semiprofessionellen Bereich, wo die Spieler:innen ihre ersten Aufwandsentschädigungen und teilweise erste Preisgelder erhalten, habe sich in den vergangenen Jahren also durchaus ein Wandel hin zu mehr Diversität vollzogen, berichtet sie.

Im Profibereich sieht das jedoch anders aus. "Es ist immer von fünf Prozent Frauen die Rede, aber ehrlich gesagt, gibt es so gut wie keine", sagt Jana. Überhaupt sehe man auf den eSports-Bühnen fast nur weiße Gamer.

220911 Emil Larssen Larsson of Rogue during the League of Legends European Championships summer finals between G2 and Rogue on September 11, 2022 in Malm�. Photo: Petter Arvidson / BILDBYRAN / kod PA  ...
Auf den großen eSports-Bühnen sieht man fast ausschließlich weiße Männer.Bild: IMAGO/Bildbyran

Vermarktung und Außenwirkung als Baustellen

Wer Jana nach den Gründen dafür fragt, erhält eine Fülle von Antworten. Zum einen sei da die Vermarktung von eSports-Events, die sehr auf eine männliche Zielgruppe ausgerichtet sei. Der Stil der Berichterstattung sowie von vielen Trailern und Aftermovies spreche weibliche und non-binäre Personen häufig weniger an.

Dadurch, dass fast nur Männer auf der Bühne und in den Führungspositionen seien, wirke der Sport außerdem sehr elitär. Wer kein Mann ist oder sich nicht als solcher identifiziert, dem fehlen schlicht die Vorbilder, sagt Jana.

Viele Manager würden es zudem als Herausforderung ansehen, in den Profiteams Frauen zu engagieren. In den Teamhäusern müssen dann zum Beispiel Sanitäranlagen für beide Geschlechter geschaffen werden. "Es gibt auch Interviews mit Teammanagern, die behaupten, sie würden keine Frauen aufnehmen, weil sich dann unter den Teammitgliedern womöglich amouröse Gefühle entwickeln und Clinch entstehen könnte – was man nicht alles für Ausreden hört."

Förderprogramm soll weibliche und non-binäre Personen unterstützen

Auch um all diesen Vorwänden etwas entgegenzusetzen, ist Jana seit September 2021 Mitglied im Council der Equal eSports Initiative. Dieses Förderprogramm der Telekom, der eSports player foundation und SK Gaming soll Frauen die Möglichkeit geben, ohne Diskriminierung und Ausgrenzung in der Gamingbranche Fuß zu fassen. Das equal eSports Council berät die Verantwortlichen der Initiative, um deren Maßnahmen effektiver zu gestalten.

Jana Möglich im Quickfire Questions-Format der Telekom. Video: YouTube/Deutsche Telekom

Durch die Förderung weiblicher und non-binärer Spieler:innen sollen Vorbilder geschaffen und so Diversität im eSports sichtbarer gemacht werden, erklärt Jana. Das langfristige Ziel: "Eine Kultur, in der sich alle wohlfühlen und in der keine Exklusivitätsfaktoren als Hürden wirken."

Durch ein Mentoringsystem sollen aufstrebende Talente angeleitet werden, ihren Weg im eSports zu finden. Nicht nur Spieler:innen, auch andere Berufe in der Gamingbranche werden in diesem Rahmen gefördert. Wer zum Beispiel Moderator:in werden will, erhält also Unterstützung von einer erfahrenen Moderator:in. "Die Spieler:innenebene reicht nicht, wenn wir im eSports diverser werden wollen", sagt Jana.

Frauen-Netzwerke als Hilfsmittel für mehr Diversität

Im Interview betont sie, wie wichtig es sei, sich nicht nur auf die Probleme zu fokussieren. Stattdessen will sie mehr an Lösungen arbeiten. Es stimmt sie positiv, dass die Equal eSports Initiative schon handfeste Erfolge vorweisen kann. Innerhalb kurzer Zeit haben sich die Bewerbungen für das Förderprogramm verdreifacht, sagt Jana, auch die Skilllevel der Bewerber:innen werden zunehmend höher.

Für Veranstalter und Unternehmen, von denen sie immer wieder höre, es sei so schwer, Frauen als Referentinnen oder Fachkräfte zu finden, hat sie folgenden Tipp parat: "Wer diverser werden will, kann Frauen-Netzwerke direkt ansprechen". Von denen gebe es inzwischen nämlich zahlreiche. Anykey.org, Women in Games und Women in eSports seien nur einige davon.

FC Bayern und BVB: Fans könnten bald ein weiteres Streaming-Abo benötigen

Es mutet wie eine längst vergessene Zeit an, als Fans des FC Bayern oder des BVB lediglich ein Abonnement bei Pay-TV-Sender Sky benötigten, um alle Spiele ihres Lieblingsvereins schauen zu können.

Zur Story