Inzwischen haben auch die Oberen des DFB begriffen, dass sie eine Imagekampagne brauchen, die den DFB und seine Nationalmannschaft davor bewahrt, als unkritischer Mitspieler des Fifa-Sportswashing-Programms bei der Fußball-WM in Katar zu wirken.
Man hat deshalb medienwirksame Weiterbildungsangebote für die Nationalspieler und deren Betreuer organisiert. Bereits zum zweiten Mal. Zuletzt Anfang dieser Woche in den Räumen des Ausrüsters in Herzogenaurach. Die Nationalspieler hörten eine Stunde lang ausgewählten Experten zu, die ihre Einschätzungen zur Menschenrechtslage in Katar präsentierten. Gefragt oder diskutiert wurde im Kreise der Fußballer während dieser Veranstaltung nicht. Dafür wurde dieses Event professionell inszeniert.
Die Botschaft für die Öffentlichkeit lautet: Schaut her, wir informieren uns!
Für mich wirkt so etwas skurril. Weshalb wird ein Weiterbildungsangebot derart öffentlich in Szene gesetzt? Weshalb fragen und diskutieren die, um die es geht (Nationalspieler), bei dieser Gelegenheit nicht mit? Weshalb wird immer noch so getan als könne man die Menschenrechtslage in Qatar akzeptieren? Wer glaubt nach den Erfahrungen der WM 2018 in Russland tatsächlich immer noch daran, dass der Fußball auch nur ansatzweise politische oder humane Reformen in den Ausrichterländern anstoßen kann? Genügt es zu wissen, dass in Katar nicht alle Menschen die gleichen Rechte bekommen? Ist es okay, dort trotzdem Fußball zu spielen? Auch wenn man weiß, dass man genau dadurch zentraler Baustein im Mosaik des Fifa-Katar-Sportwashing Programms wird?
Die Popularität des Fußballs ist bestens geeignet, um sich mit seiner Hilfe eine "weiße Weste" zu waschen. Neben China und Russland sind es vor allem Staaten aus der Golfregion, die sogenanntes Sportswashing betreiben.
Die Ausrichtung internationaler Großveranstaltungen bietet nicht nur Medienpräsenz, sondern vor allem die Gelegenheit, das Image des jeweiligen Staats aufzupolieren. Am Beispiel der Olympischen Winterspiele in Sotschi (2014) und der Fußball-WM in Russland (2018) können wir erkennen, wie gewaltig diese Imageverbesserung ausfallen kann. Vor allem dann, wenn Sportler, Funktionäre, Sponsoren und Politiker brav mitspielen und so tun, als sei im betreffenden Land alles okay und normal.
Nach Russland ist nun Qatar an der Reihe. Sonnt sich im Schatten einer Fußball-WM und sammelt Punkte für sein Image. Damit will man weltweit politischen und wirtschaftlichen Einfluss gewinnen und nach dem Vorbild Russlands sollen die dunklen Flecken auf der Ebene der Menschenrechte mindestens übermalt, vielleicht sogar gewaschen werden.
Die 6000 toten Bauarbeiter auf den WM-Baustellen und der Umgang mit deren Hinterbliebenen aus den armen Gastarbeiterländern führen uns die schreckliche Geringschätzung gegenüber bestimmten Menschen vor Augen.
Ja, es geht in Qatar um unseren Umgang mit Menschenrechten. Und ja: Wir wissen, dass in diesem Land Frauen nicht die gleichen Rechte wie Männer haben, dass es deshalb auch keine Strukturen im Mädchen- und Frauenfußball gibt. Außerdem wissen wir, dass Homosexualität dort schlicht verboten ist und internationale Journalisten berichten regelmäßig über Gängelungen und Kontrollen, die zeigen, dass neben der Pressefreiheit auch die Freiheit Andersdenkender untergraben wird.
Vor diesem Hintergrund trifft auch die WM Teilnahme der Deutschen Nationalmannschaft auf Kritik und Ablehnung. Die WM wirkt auf uns so wie sie geplant ist: als Baustein einer Imagekampagne. Damit hilft letztlich jeder, der da mitspielt dabei, Katar als normalen Staat erscheinen zu lassen. Ganz so wie Thomas Müller es nach dem ersten Bildungsseminar der Nationalmannschaft in Sachen Menschenrechte auf den Punkt gebracht hat:
Solche DFB-Seminare stehen mindestens im Verdacht als indirekte Verlängerung der Fifa-Katar-Sportswashing-Kampagne zu wirken. Wenn wir solche Veranstaltungen tatsächlich als ernst gemeintes Bildungsangebot verstehen wollen, dann müssen wir nochmal ganz von vorn beginnen!