Bei der deutschen Nationalmannschaft bricht dieser Tage eine neue Ära an. Julian Nagelsmann hat das Amt des Bundestrainers von Hansi Flick übernommen. Auf der USA-Reise leitet der 36-Jährige nun seine ersten Trainingseinheiten beim DFB-Team.
Der Übungsleiter hat dabei allerhand Baustellen. Er muss die deutsche Defensive in den Griff bekommen, gleichzeitig muss das Aufbauspiel ebenso wie die Effektivität vor dem gegnerischen Tor verbessert werden. Viel Zeit hat Nagelsmann dafür nicht, denn in knapp acht Monaten beginnt die Heim-EM.
In Foxborough, wo die Nationalmannschaft derzeit auf dem Trainingsgelände vom NFL-Team New England Patriots arbeitet, zeichnen sich schon die ersten Veränderungen ab. So berichtet der "Kicker", dass Joshua Kimmich während der Einheit am Dienstag nicht mehr als Rechtsverteidiger agiert hat.
Auf der beim Bayern-Profi eher weniger beliebten Position hatte ihn Hansi Flick in dessen letztem Länderspiel gegen Japan noch aufgeboten. Nagelsmann hingegen habe den 28-Jährigen nun zurück ins zentrale Mittelfeld beordert. Dort habe Kimmich wechselnde Partner an seiner Seite gehabt.
Hinten rechts in der Viererkette soll der Coach indes Niklas Süle und Malick Thiaw getestet haben. Beide sind gelernte Innenverteidiger. Ein Fachmann für die Position des Rechtsverteidigers ist nicht mit in die USA gereist. Benjamin Henrichs gilt hier als heißester Kandidat, der Profi von RB Leipzig fiel aber zuletzt mit einer Muskelverletzung aus.
Beständig war unterdessen die Formation während der Spielformen. So ordnete der neue Bundestrainer seine Profis durchgehend in einem 4-2-2-2-System an. Das wiederum passt zu einer Beobachtung, die sich schon zur Nominierung verzeichnen ließ.
Mit Niclas Füllkrug und Kevin Behrens berief Nagelsmann zwei klassische Neuner ins Team. Beide zeichnen sich durch Wucht, Kopfballstärke und ihre energische Arbeit gegen den Ball aus. Zudem wissen sie auch ihre Mitspieler in Szene zu setzen. All jene Fähigkeiten betonte der Trainer, als er die erstmalige Berufung des Union-Mittelstürmers begründete.
"Wir wollten noch einen Stürmer haben, der kopfballstark ist. Damit wir auf verschiedene Situationen reagieren können. Wenn der Gegner tief verteidigt, wir noch ein Tor brauchen und viele Flanken schlagen. Dann haben wir mit ihm einen zusätzlichen Spieler", erklärte der Übungsleiter.
Vorbei sind also die Zeiten der "Falschen Neun". In den kommenden Monaten wird die Nationalmannschaft mit mindestens einem klaren Zielspieler im Sturmzentrum agieren. Dazu passt auch, dass bei der Verkündung des Kaders wieder eine Trennung von Mittelfeld und Angriff stattgefunden hat. In den vergangenen Jahren wurden beide Bereiche beim DFB-Team stets zusammengefasst.
Bei der ersten Einheit in den USA ist einem Bericht der "Sport Bild" zufolge zudem das hohe Tempo auffällig gewesen. Demnach wolle Nagelsmann keinen biederen, langsamen Ballbesitzfußball. Stattdessen soll es mit schnellen und scharfen Pässen immer wieder nach vorne gehen.
"Es ging um Grundprinzipien", befand Jonas Hofmann nach der ersten Einheit in den Staaten und meinte damit unter anderem die Passgeschwindigkeit und -präzision.
Trotz der klaren Veränderungen wirft Nagelsmann aber nicht alles über den Haufen. So bleibt İlkay Gündoğan Kapitän der deutschen Nationalmannschaft. Das wiederum darf auch als Zeichen in Richtung Manuel Neuer verstanden werden. Der langjährige DFB-Kapitän wartet nach seinem Skiunfall im vergangenen Jahr noch immer aufs Comeback. Womöglich ist es nach der Länderspielpause so weit, zuletzt ist er immerhin ins Training des FC Bayern zurückgekehrt.
Ob der Schlussmann auch in die Nationalmannschaft zurückkehrt, bleibt abzuwarten. In Anbetracht der Leistungen von Marc-André ter Stegen besteht rein sportlich kein Bedarf. Zudem ist Nagelsmann laut "Sport Bild" darum bemüht, ob der geringen Vorbereitungszeit auf die Heim-EM schnell eine Achse zu bilden.
Zu dieser dürften neben Kimmich, Gündoğan und Füllkrug auch zwei Innenverteidiger und ein Torhüter zählen. Ter Stegen hat hier allein wegen seines Leistungsstands und der aktuellen USA-Reise die Nase klar vorne. Anders als bei Thomas Müller und Mats Hummels erscheint es zudem schwer vorstellbar, dass sich Neuer mit einem Bankplatz zufriedengeben würde.