Der professionelle Fußball hat ein Problem mit der Haltung. Das große Geld stellt die ideellen Werte des Sports ins Abseits. Sie werden nur noch in Feiertagsreden beschworen und sind im Schatten des Geldes tatsächlich nichts mehr wert.
Aus diesem Grund macht sich der Fußball zur Marionette seiner Geldgeber und tritt all das, was Fans an der Basis erwarten, mit Füßen. Auch die Idee, dass der internationale Fußball mit seiner gigantischen Strahlkraft für die Wahrung der Menschenrechte einstehen muss.
Diesen Anspruch lassen sich die Funktionäre einfach abkaufen. Der mächtige Fifa-Rat ließ in seiner Abstimmung zu Wochenbeginn keine Zweifel aufkommen und entschied einstimmig: Die Klub-WM 2023 findet in Saudi-Arabien statt. Auch die Vertreter der Uefa hoben brav ihre Hand. Und bislang hat keiner der scheinheiligen "One-Love Verbände" (einschließlich des DFB) ein kritisches Wort zu dieser Fifa Entscheidung gefunden.
Das große Geld entscheidet, wo die Highlights des Fußballs stattfinden und wir können getrost davon ausgehen, dass auch der Fahrplan um die Bewerbung zur Austragung der Fifa WM 2030 eingehalten werden wird. Es wird kein Weg an Saudi-Arabien vorbeiführen. Die Würfel sind längst gefallen.
Nirgends funktioniert Sportswashing besser als im internationalen Fußball. Lionel Messi ist Tourismusbotschafter für Saudi-Arabien. Cristiano Ronaldo wechselt als ehemaliger Weltfußballer bereitwillig in die Drittklassigkeit der saudischen Provinzliga, die Fifa lässt die saudische Tourismus-Behörde (Visit Saudi) als Hauptsponsor für die Frauen WM in Neuseeland und Australien zu und im Dezember diesen Jahres werden acht internationale Fußballklubs den Klub-WM-Titel in Saudi-Arabien ausspielen.
Im Grunde ist es unfassbar, dass die Fifa-Bosse und nationalen Spitzenverbände nach den Debatten um die WM in Katar, den wirksamen Boykottbewegungen und Imageschäden für den Fußball und dessen Sponsoren mit diesen Entscheidungen so einfach durchkommen.
Zur Rhetorik solcher Geschäfte gehören auch die Stimmen internationaler Menschenrechtsorganisationen. Sie sind quasi im gleichen Wortlaut, wie wir es im Zusammenhang mit deren Katar-Kritik vom vergangenen Jahr bereits kannten.
Wenzel Michalski von Human Rights Watch sagt zur aktuellen Fifa Abstimmung: "Die Fifa verstößt somit gegen ihre eigene Menschenrechts-Policy. Sie ist das Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben ist." Stephen Cockburn von Amnesty International kritisiert, dass die Fifa "wieder einmal die grausame Menschenrechtsbilanz des Golfstaats ignoriert" und sich deshalb mitschuldig macht an dem "eklatantem Sportswashing".
Ich gehe davon aus, dass sich in den kommenden Tagen, Monaten und Jahren auch vereinzelt wieder Sportverbände, Sportlerinnen und Sportler und vor allem Fans zu Wort melden und die Frage zur Relevanz von Menschenrechten in den Raum stellen. Gleichzeitig werden Politiker, Wirtschaftsbosse und andere Berater erklären, dass Ausgrenzung und Boykott nichts bringen und uns Märchen von fußballbedingter Annäherung und Verbesserung erzählen.
Alles wird nochmal genauso ablaufen wie bei der Debatte um die Katar-WM. Wer bringt angesichts dieser peinlichen rhetorischen Ehrenrunden noch den Schwung und die Begeisterung auf, diesem Fußball noch etwas abzugewinnen? Mir fällt es ausgesprochen schwer.