Während das Team des VfB Stuttgart derzeit um den Einzug in die Champions League kämpft und die Fans mit einem erfrischenden und mutigen Fußball begeistert, wird auf der Ebene der Vereinsführung um Machterhalt gerungen. Im Aufsichtsrat der AG mit einem glasklaren Ergebnis: Der VfB-Präsident Claus Vogt wurde mit deutlicher Mehrheit (sieben Gegenstimmen, zwei Vogt Stimmen, eine Enthaltung) als Aufsichtsratsvorsitzender abgewählt.
Anstatt das Gremium und dessen Wahlergebnisse zu respektieren, sucht der in dieser Funktion geschasste Präsident eilig die Öffentlichkeit, um in einer Stellungnahme Stimmung gegen diejenigen zu machen, die ihm die Macht im Aufsichtsrat genommen hatten. Seine Argumentation baut auf dünnem Eis.
Es geht um den vermeintlichen Bruch eines Versprechens, das ehemalige VfB-Funktionäre den Mitgliedern des Klubs 2017 im Zuge der Ausgliederung der Profiabteilung in eine AG gegeben hatten. Der Vorsitz des Aufsichtsrates solle grundsätzlich von einem Vertreter des Stammvereins bzw. vom Präsidenten übernommen werden. Das ist knapp sieben Jahre her und es wurde in der Präsidentschaft Vogts versäumt aus diesem nebulösen Versprechen eine belastbare Norm, beispielsweise auf der Ebene der Satzungen des Stammvereins und der AG, zu machen.
Demokratie braucht Grundlagen und Regeln, um sich vor Willkür abzusichern. Das Versprechen von damals war wichtig. Es hat aber für die Ausrichtung des Vereins praktisch keinen Wert mehr, weil niemand in der Lage oder Willens war, hieraus eine verbindliche Norm zu machen.
Genau deshalb erleben wir gegenwärtig das übliche Machtspiel unter eitlen Funktionären: Schon vor der Abwahl Vogts war die Faktenlage allen Aufsichtsräten bekannt und die Akteure der Führungsriege hatten Gelegenheit, ihre Position zu finden und sich einer Fraktion zuzuordnen.
Aus dem Kreise der VfB-Bosse folgten weitere Stellungnahmen und Abgrenzungen, die in etwa das Gegenteil von dem markieren, was Trainer und Spieler des VfB seit Monaten leisten und demonstrieren: Einheit, Mut, Klarheit und Zukunftsvision. Der einzige Lichtblick auf dieser Ebene geht derzeit von der Geschäftsführung um Alexander Wehrle aus, die in ihrer Stellungnahme zur Gelassenheit aufrufen.
Vogt spielt die Rolle des sogenannten "Fan-Präsidenten". Ihm haftet das Image des Robin Hood der Stuttgarter Fanszenen an und genau damit konnte er sich in den zurückliegenden Jahren gegen die machthungrigen Männer durchsetzen. Personen, die vorwiegend aus Wirtschaftskreisen und anderen Männerbünden kamen und um die lukrativen und prestigeträchtigen Ämter beim VfB konkurriert hatten. Das war es dann aber auch, denn inzwischen spielt er seine Karten genauso wie es fast alle anderen VfB-Funktionäre vor ihm auch getan haben.
Claus Vogt kann auch im aktuellen Machtkampf sehr hoch pokern. Er weiß, dass er im Falle einer Mitgliederversammlung beim neuerlichen Kampf um das Präsidentenamt und den daran gebundenen Einfluss auf den Aufsichtsrat und andere Vereinsgremien jederzeit Mehrheiten an der Fan- und Mitgliederbasis als Stimmenlieferanten mobilisieren kann. So gesehen haben seine Gegenspieler schlechte Karten.
Vogts Rolle im aktuellen Machtkampf lässt sich jedoch nicht allein auf die romantisch verklärte Dimension des Fan-Präsidenten reduzieren.
Im Gegenteil: Er und seine braven Gefolgsleute haben mit ihren Ämtern auch Verantwortung für den VfB Stuttgart übernommen. Und für sie gilt das gleiche wie für alle anderen Funktionäre: Das Wohl des Vereins muss grundsätzlich über eigenen Interessen stehen. Genau an dieser Stelle bestehen Zweifel. Vogt wusste ebenso wie die anderen Aufsichtsräte bereits im vergangenen Sommer, dass der Einstieg von Porsche nur gelingen kann, wenn der Vorsitz des Aufsichtsrates vom Präsidentenamt entkoppelt würde.
Transparenz gegenüber den Mitgliedern hat er damals nicht hergestellt. Die erfolgte erst im Moment seiner Abwahl. Also erst dann, wenn er diese Mitglieder wieder für seine persönlichen Ziele braucht. Das hat ein Geschmäckle und heizt die Spaltung unnötig auf.
Beim Spiel gestern gegen Hoffenheim ließen Teile der aktiven Fanszene bereits die Säbel rasseln. Auf einem Banner war zu lesen, dass der VfB seine Mitglieder verkauft und verraten habe. Außerdem ist inzwischen von einem Ultimatum die Rede: "Ihr habt zwei Wochen Zeit, diesen Fehler zu beheben" lautet die Forderung aus der Kurve.
Werden in 14 Tagen Tennisbälle fliegen? Wird das Spiel der VfB-Profis gestört? Wird die Saison aufs Spiel gesetzt? Was macht die Chefetage? Ist Vogt als starker Mann beim VfB austauschbar oder unverzichtbar? Sind er und seine Gefolgsleute wichtiger als der Einzug in die Champions League? Oder sind wieder die anderen Schuld? Investoren, Porsche, Mercedes und alle, die sich in den letzten Jahren gegen diesen Fan-Präsidenten gestellt haben?