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Hertha-Kenner hat böse Vermutung, warum Klinsmann wirklich ging: "Schäbig"

Berlins Trainer Jürgen Klinsmann beim Training von Hertha BSC auf dem Olympiagelaende an der Hanns-Braun-Str. in Berlin am 05.02.2020. Training Hertha BSC
Bevor er in der League überhaupt durchstartet ...
Hat den Abgang gemacht: Jürgen Klinsmann ist nicht mehr Trainer von Hertha BSC. Was sagen eigentlich die Fans dazu, zum Beispiel Hertha-Blogger Marc Schwitzky (r.)? Bild: www.imago-images.de
Interview

Hertha-Fan hat böse Vermutung zu Klinsmann-Abgang: "Ihm ging es nie um den Verein"

16.02.2020, 16:5018.02.2020, 22:18
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Es ist gerade nicht leicht, Fan von Hertha BSC zu sein. Der bisherige Cheftrainer Jürgen Klinsmann hatte Anfang der Woche bei Facebook mit der "Alten Dame" Schluss gemacht. Nach nur 76 Tagen. Ganz plötzlich, die Vereinsführung wusste vorher von nichts. Klinsmann sei "nach langer Überlegung" zu dem Schluss gekommen, sein "Amt als Cheftrainer der Hertha zur Verfügung zu stellen."

Mittlerweile haben sich auch die Vereinsbosse zur Causa Klinsmann geäußert, am Donnerstag fand eine Pressekonferenz statt, auf der sie auch Klinsmanns Aufsichtsrats-Aus bestätigten. Interimstrainer Alexander Nouri konnte am Samstag die erste Partie gewinnen.

Dennoch: Für die Fans des Hauptstadtklubs war all die Woche ein Schock. Auch Marc Schwitzky hatte die Nachricht vom Rücktritt Klinsmanns überrascht. Marc ist 24 Jahre alt und Hertha-Fan, seit er denken kann. Er schreibt und spricht viel und gerne über seinen Lieblingsklub: 2014 hat er den Blog "Hertha Base" gegründet, ein Jahr später folgte der gleichnamige Podcast, dem Tausende Fans lauschen.

watson hat Marc einen Tag nach dem Klinsi-Beben angerufen. Der Hertha-Kenner hat eine böse Vermutung, was Klinsmanns wirkliche Beweggründe für den Rücktritt betrifft: "Ich glaube, er hat Hertha als sehr gute Gelegenheit gesehen, nochmal irgendwo in Europa ein fußballerisches Großprojekt zu leiten. Er wollte hier seinen Namen reinwaschen, denke ich." Als Klinsmann bemerkt habe, dass das schwierig werden könnte, und als dann zudem sein erster Wunsch abgelehnt worden sei, habe er hingeworfen – um Hertha sei es ihm sowieso nie gegangen, glaubt Marc.

Im Interview mit watson spricht Marc außerdem darüber, wie sich der abrupte Rückzug des vermeintlichen Heilsbringers für die Fanszene anfühlt – und was er jetzt von Klinsmann denkt.

watson: Der Dienstag war für Hertha-Fans sicher sehr dramatisch. Wie hast du geschlafen?

Marc Schwitzky: Eigentlich ganz gut, aber auch nur, weil ich einfach total erschöpft war von allem. Ich habe meinen ganzen Tag eigentlich mit Jürgen Klinsmann verbracht. Als ich den Facebook-Beitrag von ihm las, dachte ich erst: Okay, er hat bestimmt wieder irgendwas Größenwahnsinniges gesagt... Doch dann erklärt der seinen Rücktritt.

Sieht ausgeschlafen aus: Marc Schwitzky, Hertha-Fan, -Blogger und -Podcaster.
Sieht ausgeschlafen aus: Marc Schwitzky, Hertha-Fan, -Blogger und -Podcaster.bild: privat/zvg
"Er ist sogar noch am gleichen Tag nach Kalifornien zurückgeflogen, das sagt doch viel über den Menschen aus"

Was war dann dein erster Gedanke?

Erster Gedanke war: Nicht schon wieder! Mir ist die Kinnlade heruntergefallen. Es ist ja der zweite Trainer, der in dieser Saison geht beziehungsweise gehen musste. Man hat es ja auch nicht kommen sehen, dass Klinsmann zurücktritt. Die Ergebnisse im Jahr 2020 waren zwar nicht super, besonders das Heimspiel gegen Mainz war enttäuschend. Aber er schien trotzdem so fest im Sattel, so involviert in das ganze Projekt.

Der Rücktritt per Facebook hat für viel Kritik gesorgt. Wie fandest du die Art und Weise seines Abgangs?

Es war eine schäbige Aktion von Klinsmann. Der Text an sich ist zwar nett. Aber, dass er es ohne Absprache mit dem Verein auf Facebook verkündet. Der Verein konnte dadurch nicht einmal souverän darauf reagieren. Ich fand die Art und Weise atemberaubend schlecht, hat aber zu seinem sehr egoistischen Abgang gepasst. Absolut stillos, dem Verein so in den Rücken zu fallen. Er ist sogar noch am gleichen Tag nach Kalifornien zurückgeflogen, das sagt doch viel über den Menschen aus. Da kann er sich sein "HaHoHe Euer Jürgen" am Ende seiner Rücktrittserklärung auch sparen. Das passt aber zu dem ganzen Bild, das sich mittlerweile abzeichnet...

Wie meinst du das?

Klinsmann hatte so viele Kompetenzen, durfte im Winter mehr als jeder andere Trainer weltweit ausgeben. Er durfte neues Personal anstellen, Räumlichkeiten verändern, ein neues Hotel wählen, neue Trainingsmethoden. Und dann ging der Machthunger mit ihm durch: Es scheint ja so gewesen zu sein, dass er beschlossen hat, zu gehen, nachdem der Verein seine Forderung abgelehnt hatte, ab der kommenden Saison technischer Direktor zu sein. Zusätzlich ist die Rede davon, dass Klinsmann für seinen Posten als technischer Direktor ein horrendes Gehalt gefordert hat.

"Man hat Jürgen Klinsmann, seit er Trainer ist, zum ersten Mal etwas verneint – und er ist daraufhin bockig abgezogen"

Den Wunsch, diese Position in Zukunft zu bekommen, hat man Klinsmann nicht sofort erfüllt...

... was auch vollkommen legitim ist: Jetzt gerade geht es um den Abstiegskampf und nicht um die kommende Saison. Man hat Jürgen Klinsmann, seit er Trainer ist, zum ersten Mal etwas verneint – und er ist daraufhin bockig abgezogen, hat den Verein quasi über Nacht vor vollendete Tatsachen gestellt. Dann tritt er auch noch öffentlich nach in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung, und das gegen den Verein, bei dem er weiterhin angestellt ist. Da fehlen einem die Worte. Da zeigt sich auch, dass es Jürgen Klinsmann auch nie um Hertha BSC ging.

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Hertha-Manager Michael Preetz: Auch er muss sich hinterfragen.bild: imago images/bernd könig

Sondern?

Ich glaube, er hat Hertha als sehr gute Gelegenheit gesehen, nochmal irgendwo in Europa ein fußballerisches Großprojekt zu leiten. Er wollte hier seinen Namen reinwaschen, denke ich.

Glaubst Du denn, Klinsmann wird sich wirklich "wieder auf die ursprüng­liche lang­fristig ange­legte Auf­gabe als Auf­sichts­rats­mit­glied zurück­zu­ziehen", wie er in seiner Facebook-Rücktrittserklärung schreibt?

Ich sehe nicht, wie da eine weitere Zusammenarbeit aussehen soll. Das Tischtuch ist doch zerschnitten. Ich kann es mir nicht vorstellen.

Was meinst Du, was hinter den Kulissen los war? Das "fehlende Vertrauen", das Klinsmann erwähnte, war als Seitenhieb auf Manager Michael Preetz und Präsident Werner Gegenbauer zu verstehen, oder?

Na klar. Es gibt aktuell zwei Lager im Verein. Die alte Fraktion will zwar auch in eine neue Ära aufbrechen, aber tritt da doch noch auf die Bremse. Das sind allen voran Preetz und Gegenbauer, die sind seit Jahren enge Vertraute und wollten so eine Art Gegengewicht sein zu der neuen Fraktion. Das ist dieses Klinsmann-Windhorst-Lager. Die wollen den disruptiven Erfolg, alles so schnell wie möglich. Preetz wollte das Geld von Investor Windhorst Stück für Stück ausgeben. Jetzt hat man, als Klinsmann Cheftrainer war, 75 Millionen Euro im Winter für neue Spieler ausgegeben.

Muss man langsam auch die "Preetz-Frage" stellen? Ist er vielleicht nicht der richtige Manager? Unter ihm als gab es Abstiege, er hat etliche Trainer verschlissen, er steht nicht für eine große sportliche Entwicklung...

Ja, man kann ihn kritisieren, besonders, was seine Trainerverpflichtungen angeht, die wenig nachhaltig waren. Nach Pal Dardai dann Ante Covic zum Cheftrainer zu machen, war zum Beispiel nicht richtig, wie ich finde. Nichts gegen Covic, natürlich nimmt der die Chance an, vom U23- zum Bundesliga-Trainer zu werden. Aber Preetz hätte im Sommer schon eine große Lösung mit Signalwirkung präsentieren müssen. Stattdessen wurde Covic nach zwölf Spieltagen entlassen. Da muss man Preetz auf jeden Fall hinterfragen. Aber jetzt wäre es der falsche Zeitpunkt, ihn anzuzählen oder zu entlassen: Wenn Michael Preetz geht, dann würde man ein großes Stück Identifikation und eine große Hertha-Wurzel herausreißen.

Bundesliga Spieler Live Investor Aufsichtsrat
Enttäuscht: Salomon Kalou (l.) und Vedad Ibisevic (r.) wurden aussortiert.bild: imago images/matthias koch
"Er hinterlässt im Kader und in der Struktur einen Scherbenhaufen"

Klinsmann hat innerhalb von zehn Wochen sehr viel umgekrempelt im Verein, die Team-Hierarchie verändert, Altgediente durch neue Stars ersetzt. Bleibt auch etwas Positives von Klinsmann?

Nicht viel. Er hinterlässt im Kader und in der Struktur einen Scherbenhaufen. Da wurden nachhaltig Dinge kaputt gemacht. Die Spieler wissen nicht mehr, woran sie sind. Es wird bald der dritte Trainer kommen, weil Alexander Nouri (Klinsmanns Co-Trainer, d. Red.) wohl eher nicht bis zum Ende der Saison auf der Bank sitzen wird.

Es erinnert ein bisschen an den Hamburger SV.

Ja, dabei wollte man ja eigentlich das Gegenbeispiel zu Klubs wie dem HSV, 1860 München oder Hannover 96 sein. Aber es fühlt sich genau gegenteilig an: Der nächste Trainer und die Spieler wissen nicht mehr woran sie sind, es kommt die nächste Philosophie. Es könnte der Beginn der Abwärtsspirale sein, vor der viele gewarnt haben, als dieses ganze Windhorst-Ding losging.

Der Verein hat auch einen fetten Imageschaden davongetragen, oder?

Absolut. Den größten Schaden hat allerdings Klinsmann selbst. Die Kommentare der Sportmagazine gehen ja alle in eine Richtung, da gibt's ja auch fast keine zwei Meinungen: Mangelnder Respekt, Stillosigkeit und so weiter. Aber es schwingt auch immer diese neue Kritik am Chaosklub Hertha BSC mit. Das ist ein massiver Imageschaden, der künftige Verhandlungen mit Trainern und Spielern erschweren wird. Wenn ich Niko Kovac wäre, hätte ich keinen Bock im Sommer zu Hertha zu gehen.

Würdest du ihn dir denn als Trainer wünschen? Als gebürtiger Berliner und Ex-Hertha-Profi ist er ja eigentlich prädestiniert für den Job.

Ja, er ist als Identifikationsfigur interessant. Aber ich weiß nicht, ob er fußballerisch das aus der Mannschaft machen kann, was wir Fans uns vorstellen. In Frankfurt hat er eine super Kämpfertruppe entwickelt, keine Frage. Aber bei Bayern München hat man gesehen, dass sein Spiel nach vorn nur über individuelle Klasse der Spieler geht. Jetzt steht er aber ohnehin nicht zur Verfügung, wie man hört.

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Wer darf's denn sein? Bruno Labbadia (l.) und Roger Schmidt sind für Marc geeignete Kandidaten.bild: imago images/hartenfelser

Wer kommt aus deiner Sicht noch in Frage?

Es gibt zwei Kandidaten, die mir gut gefallen würden. Erste Wahl ist für mich Bruno Labbadia. Der hat gezeigt, dass er mit großen Persönlichkeiten umgehen und Ballbesitzspiel kann. Er war in Stuttgart und beim HSV, ist also Chaosklubs gewöhnt, weiß wo er anpacken muss. Auch interessant finde ich Roger Schmidt, der aktuell auch zu haben ist. Er lässt guten Fußball spielen. Aber Schmidt gilt auch als schwierige Persönlichkeit. Man sollte sich jetzt nicht die nächste Dynamitstange in den Klub holen...

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