Hansi Flick will den FC Bayern am Ende der Saison verlassen. Als Nachfolger beim Rekordmeister kommen aktuell nicht viele Trainer infrage. Daher machen die Münchner bei Wunschkandidat Julian Nagelsmann jetzt anscheinend Ernst. Laut verschiedenen Medienberichten sollen die Bayern bei RB Leipzig ihr Interesse am 33-Jährigen bekundet haben. Der Coach soll zudem bereits um eine Auflösung seines bis 2023 datierten Vertrags gebeten haben.
Doch die Sachsen wollen ihren Trainer nicht einfach so gehen lassen. RB verlangt für seinen Trainer eine Ablösesumme von bis zu 30 Millionen Euro. Damit wäre Nagelsmann der teuerste Trainer-Transfer aller Zeiten und unter den Top-40 der Bundesliga-Transferrekorde. Gleichauf mit den Spielern Manuel Neuer, Franck Ribéry und Mario Gomez, für die die Münchner die gleiche Summe zahlten.
Gerade in Zeiten der Corona-Krise ist das enorm viel Geld. Doch der FC Bayern muss dieses Geld investieren und ein gewisses Risiko eingehen. watson nennt drei Punkte, warum der Wechsel Nagelsmanns nach München für Trainer, Verein und die Bayern-Stars genau der richtige Schritt wäre.
Der Kader des FC Bayern ist für die kommenden fünf Jahre bestens aufgestellt. Der Mix aus erfahrenen Spielern und jungen Talenten ist herausragend. Der Kern der Mannschaft besteht aus bereits erfahrenen Spielern wie Niklas Süle (25), Serge Gnabry (25), Leroy Sané (25), Joshua Kimmich (26) und Leon Goretzka (26), die aber ihren Zenit noch lange nicht erreicht haben. Hinzu kommen junge Nachwuchstalente, die in der Startelf der Münchner schon eine wichtige Rolle spielen wie Alphonso Davies (20), Jamal Musiala (18), Tanguy Nianzou (18) und Joshua Zirkzee (20), der nach einer Leihe im Sommer zurückkehrt.
Und auch in der zweiten Mannschaft gibt es vielversprechende Talente: Bright Arrey-Mbi (18), der schon in der Champions League spielen durfte, Thorben Rein (18), dem eine glänzende Zukunft vorausgesagt wird und Christopher Scott (18), der bereits zwei Bundesligaspiele absolviert hat.
In Hoffenheim und bei RB Leipzig hat Julian Nagelsmann bereits unter Beweis gestellt, dass er junge Spieler besser machen kann. Aus den zuvor unbekannten Spielern Nico Schulz oder Kerem Demirbay machte er beispielsweise bei der TSG Hoffenheim deutsche Nationalspieler. Nagelsmann sorgte dafür, dass Leipzigs Dani Olmo spanischer Nationalspieler wurde und aus Marcel Sabitzer einer der besten Mittelfeldspieler der Bundesliga, der nun von englischen Top-Klubs gejagt wird.
Auch in München hätte er mit Musiala, Davies, Nianzou und Einzelkünstlern wie Sané oder Gnabry Spieler, die er auf das nächste Level bringen kann. Und sollten diese Spieler irgendwann Abschiedsgedanken hegen, könnte Nagelsmann dafür sorgen, seine Ablösesumme selbst wieder in die Kassen zu spülen. Hoffenheim verkaufte schließlich Demirbay für 32,5 Millionen Euro nach Leverkusen und Schulz für 25 Millionen Euro nach Dortmund.
Julian Nagelsmann gilt als enorm ehrgeizig und selbstbewusst. Vor dem Duell gegen den direkten Konkurrenten Borussia Dortmund in dieser Saison sagte er: "Die drei Punkte plane ich schon ein." Dass Nagelsmann schon jetzt mit so viel Selbstvertrauen ausgestattet ist, passt perfekt zum Anspruchsdenken des FC Bayern.
Der 33-Jährige ist gebürtiger Bayer, seit seiner Kindheit Fan des Klubs und machte bereits 2017, als es das erste Mal Gerüchte um einen Wechsel nach München gab, deutlich, dass er nicht abgeneigt wäre. Der Klub spiele in seinen "Träumen eine etwas größere Rolle" und er ergänzte: "Ich bin sehr, sehr glücklich, aber der FC Bayern würde mich vielleicht noch ein Stück glücklicher machen."
Nagelsmann würde sich zudem den Strukturen mit Sportvorstand Hasan Salihamidžić – der als großer Bewunderer des Trainers gilt – problemlos unterordnen. Zumal er die Arbeit unter einem Sportvorstand bereits aus seiner Zeit in Hoffenheim und bei RB Leipzig kennt. Ein Zeichen, dass RB sich sportlich neu ordnet und ein Nagelsmann-Abschied wahrscheinlich ist, könnte auch der bereits feststehende Abgang des Leipziger Sportchefs Markus Krösche im Sommer sein.
Nagelsmann würde nicht nur mit den Gegebenheiten im Klub klarkommen. Mit gerade einmal 33 Jahren ist er auch nahe an den Spielern dran – und von der Lebensrealität eines Joshua Kimmich oder Thomas Müller nicht allzu weit entfernt.
Zudem stelle man sich nur mal das Trainer-Mittelfeldregisseur-Duo Nagelsmann/Kimmich vor. Mehr Leidenschaft und Ehrgeiz ist kaum vorstellbar. Dieses Duo könnte dafür sorgen, dass der FC Bayern über Jahre in der absoluten Spitze des europäischen Fußballs vertreten sein wird.
Sollte RB Leipzig einer Vertragsauflösung nicht nachkommen und der FC Bayern tatsächlich eine Ablösesumme von bis zu 30 Millionen Euro zahlen müssen, wäre das wirtschaftliche Risiko in Zeiten der Corona-Pandemie natürlich sehr hoch.
Nach der Verpflichtung von Leipzigs Upamecano für 42,5 Millionen Euro will Sportvorstand Hasan Salihamidžić die Mannschaft im Sommer vor allem mit ablösefreien Spielern verstärken. Da wäre die hohe Ablöse für einen Trainer ein ziemliches Risiko, zumal nicht klar ist, ob Nagelsmann auf Anhieb in München funktioniert. Doch der FC Bayern hat in den vergangenen zehn Jahren solide gewirtschaftet – Rücklagen auf dem berühmten Festgeldkonto sollten da noch vorhanden sein.
Andererseits hatte Bayern in den vergangenen zwölf Jahren neun unterschiedliche Trainer: Konstanz sieht anders aus. Der Traum, mit Hansi Flick eine Ära zu prägen, ist nun nach gut eineinhalb Jahren geplatzt. Also lieber jetzt in ein finanzielles Risiko gehen, statt wie in den vergangenen Jahren entlassenen Trainern Abfindungen zu bezahlen.
Nagelsmann ist zwar ein junger Trainer, doch hat bereits Erfahrungen in der Champions League und Leipzig dort sogar bis ins Halbfinale geführt. Sollte er tatsächlich am 1. Juli neuer Cheftrainer in München sein, muss der Klub auch gewisse Rückschläge einkalkulieren. Die Bayern-Verantwortlichen sollten hier nicht nur den kurzfristigen Erfolg sehen, sondern an einem langfristigen Zukunftsplan festhalten und Nagelsmann Zeit zur Entwicklung geben. Nur dann kann es auch klappen, wirklich eine Ära zu prägen und nicht spätestens in drei Jahren wieder einen neuen Trainer suchen zu müssen.
Doch egal, wie lange Nagelsmann am Ende tatsächlich in München bleiben würde: Von seinem kreativen und offensiven Spielstil könnte der Klub auch über eine Zeit als Trainer beim Rekordmeister hinaus profitieren. Ein Nagelsmann-Engagement könnte ähnliche Auswirkungen wie die Amtszeit von Pep Guardiola haben, mit dessen Ballbesitzfußball und Passstärke die Mannschaft bis heute glänzt.