Kehrt Deutschland bald zum Regelbetrieb zurück trotz Corona-Sorgen? Während die einen schnellstmöglich wieder ihr "normales" Leben führen wollen, mahnen die Epidemiologen und Virologen an, den jetzigen Vorsprung im Kampf gegen das Virus nicht zu verspielen. Aber sind am Ende die wirtschaftlichen Folgen schwerwiegender als die gesundheitlichen? Genau solche Debatten werden gerade immer wieder geführt – auch bei Markus Lanz.
Bei dem Moderator waren am Dienstagabend Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus, Ethikerin Christiane Woopen, der Systembiologe Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung Immunologie am Helmholtz-Zentrum, und BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Ein großes Thema der Runde: die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der Fußball-Bundesliga.
Als der Lockdown das öffentliche Leben lahmlegte, standen noch neun Spieltage in der Bundesliga aus. Wenn es nach den Fußballbossen geht, werden diese so schnell wie möglich nachgeholt – bestenfalls schon ab Mitte Mai. Dafür hat die DFL ein Konzept ausgearbeitet, dass den Schutz der Spieler und anderer Mitarbeiter gewährleisten und auch Infektionsketten nachvollziehbar machen soll, falls es denn welche geben sollte.
Bislang hat die Politik noch nicht offiziell entschieden, ob und wann der Spielbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Denn jeder Schritt muss sehr genau überlegt sein – aus vielerlei Gründen. "Wir müssen gut erklären, warum dürfen die und wir nicht", meinte Meyer-Hermann bei "Lanz". Denn es geht immer auch um Gerechtigkeit. Watzke hingegen hatte ein deutliches Argument für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs:
Denn rund 750 Millionen Euro, die sich vor allem aus Fernseh- und Sponsorengeldern ergeben, verliere die Bundesliga bei neun abgesagten Spieltagen. Watze erklärte weiter: "Wir haben einen Berufszweig mit 56.000 Angestellten. [...] Wir möchten nur unserem Job nachgehen nach höchsten Sicherheitsstandards." Und er machte noch etwas deutlich: "Ein Geisterspiel, ich hasse das Wort, ist dagegen eines der sichersten Veranstaltungen überhaupt."
Ganz so einfach sahen es die anderen Gäste jedoch nicht. Denn wie, merkte Ethikerin Woopen an, solle man einem Gastronomen, der seinen Biergarten nicht öffnen darf, obwohl er problemlos die Mindestabstände einhalten könnte, erklären, dass stattdessen wieder Fußball gespielt wird – mit deutlich mehr Körperkontakt. Der Fußball habe ihrer Meinung nach auch eine Vorbildfunktion. Es sei wichtig, dass in der Gesellschaft nicht der Eindruck entstehe, die Regelungen würden nach Machtgefüge erteilt. Auch Meyer-Hermann sieht das Gerechtigkeitsproblem als besonders relevant an. Wenn es nur um die Ansteckungen gehe, sei das weniger problematisch, denn es bleibe im kleinen Kreis und sei damit kontrollierbar.
Und Meyer-Hermann ließ sich sogar zu einer weiteren Prognose hinreißen – allerdings nur als Privatperson, mit abgenommener "Helmholtz-Mütze", wie er sagte: Die Wiederaufnahme des Spielbetriebs könnte einen positiven Effekt haben und zu Hause für eine Zerstreuung und bessere Stimmung sorgen. Aber: "Epidemiologisch würde ich an so einer Stelle sofort nein sagen."
Ob die Bundesliga wieder starten darf und unter welchen Bedingungen, muss noch geklärt werden. Markus Lanz gab sich jedoch skeptisch. Er frage sich vor allem, was passieren soll, wenn doch mal ein Spieler positiv auf Corona getestet werde und in Quarantäne müsse. Wann solle das Spiel nachgeholt werden? Nur Watzke hatte auf Lanz' skeptische Frage offenbar so gar keine Lust. Er fuhr dem Moderator regelrecht über den Mund. Fragen zu Sicherheitsaspekten ja, zum Spielbetrieb nein. Seine patzige Antwort:
Nicht nur die Frage nach Ausweichterminen sorgte für erhitzte Gemüter, auch die Quarantänezeit wurde heiß diskutiert. Denn Watzke wagte einen heiklen Vorstoß. Er plädiert dafür, irgendwann von den 14 Tagen Quarantänezeit abzuweichen, wenn man die Wirtschaft nicht killen wolle. Meyer-Hermann hält das für unvernünftig. "Wir müssen einfach die Inkubationszeit mit einberechnen. Und das ist einfach der kritische Punkt an der Stelle. Das ist nun mal zwischen drei und 28 Tagen irgendwo. Da sind wir mit 14 Tagen irgendwo in der Mitte. Das ist keine symmetrische Verteilung. Der Durchschnitt liegt bei 5,2", erklärte er.
Immerhin zeigte sich Watzke einsichtig: "Wenn das so ist, dann werden wir das auch so umsetzen müssen. Aber in diesem geschlossenen System, bin ich ziemlich sicher, dass es eben keinen Fall geben wird. Denn jetzt seit fünf Wochen arbeiten wir ja schon an diesem Konzept im Club selbst." Das Risiko, sich beim Fußballspiel im Stadion anzustecken, hält er für gering – zumindest für die Spieler und Angestellten. Außerdem sei die Gefahr auch außerhalb dessen gegeben. Und das Argument, dass sich die Spieler auf dem Platz permanent sehr nah kämen, entkräftete er auch: Höchstens neun Prozent der Zeit würde man sich näher als 1,50 Meter kommen.
Doch selbst, wenn die Spiele wieder losgehen sollten, bis zum Spiel mit Zuschauern ist es noch ein weiter Weg. Denn nach Meinung von Meyer-Hermann sei das erst wieder möglich, wenn ein Impfstoff vorliege. Bis das so weit ist, sollten sich die Spieler laut Watzke einfach mal wieder auf die Basics konzentrieren: Elf gegen elf.
(jei)