
Strafraumszene aus dem ersten WM Finale 1930.Bild: imago images / Colorsport
Fußball
1930 rollte zum ersten Mal der Ball bei einer Fußball-Weltmeisterschaft. Das erste Turnier in Uruguay war geprägt von Pleiten, Pech und Kuriositäten. Das Stadion wurde nicht pünktlich fertig, der Winter machten den Spielern zu schaffen, die Anreise dauerte für die Europäer über zwei Wochen. Und ein Einarmiger schoss das wichtigste Tor.
25.07.2020, 17:5625.07.2020, 17:56
Vor dem ersten WM-Finale in der Fußballgeschichte
wird erst einmal abgerüstet: Weil Schiedsrichter John Langenus
befürchtet, dass bei der Partie zwischen den Erzrivalen Argentinien
und Uruguay die Emotionen hochkochen, verlangt er strenge
Waffenkontrollen. Und tatsächlich werden am 30. Juli 1930 vor dem
Anpfiff im Estadio Centenario in Montevideo rund 1.600 Revolver von
den Zuschauern eingesammelt. Trotzdem geht der Unparteiische auf
Nummer sicher: Im Hafen wartet ein Boot, um ihn notfalls in
Sicherheit zu bringen.
Vor den unbewaffneten Fans schlägt Gastgeber Uruguay die
Nationalmannschaft von Argentinien schließlich mit 4:2 – und krönt sich
zum ersten Fußballweltmeister. Viele argentinischen Schlachtenbummler
bekommen die Niederlage aber gar nicht mit: Sie sitzen auf Schiffen
auf dem Río de la Plata fest, die wegen des dichten Nebels nicht
anlegen können.

Der Spielball der ersten Fußball-WM in Uruguay. Bild: imago sportfotodienst / Golovanov + Kivrin
Nur vier Teams aus Europa dabei
Ohnehin klappte bei der ersten Fußballweltmeisterschaft nicht alles
auf Anhieb. Zwar gab es keine Qualifikation – teilnehmen durfte
praktisch jede Nationalmannschaft, die wollte. Und trotzdem fiel es der Fifa zunächst
schwer, genug Mannschaften für die WM zu begeistern. Vor allem die
Teams aus Europa scheuten die mühsame Anreise über den Atlantik.
Gerade einmal 13 Teams machten schließlich mit – darunter nur vier aus Europa. Deutschland war nicht dabei: Die Nationalmannschaft nahm erst 1934 erstmals an einer WM teil. Die Spieler aus Frankreich, Belgien und
Rumänien reisten gemeinsam auf dem Linienschiff "Conte Verde" an,
später stiegen auch noch die Brasilianer zu. Das jugoslawische Team
fuhr erst einmal drei Tage lang mit dem Zug nach Marseille und trat
von dort die zweiwöchige Atlantiküberquerung auf der "SS Florida" an.

Die uruguayische Nationalmannschaft vor dem Anpfiff des ersten WM-Endspiels der Geschichte.Bild: www.imago-images.de / imago sportfotodienst
Eröffnungspartien im Schneegestöber
Zwar wurden die Mannschaften im Hafen von Montevideo begeistert
empfangen, schrieb Schiedsrichter Langenus, der stets korrekt in
Knickerbocker und Krawatte auflief. Neben seiner Tätigkeit als
Unparteiischer arbeitete er in Uruguay auch als Korrespondent für das
Fachblatt "kicker". Allerdings froren die Spieler erst einmal ganz
ordentlich: Im Juli ist Winter auf der Südhalbkugel – die ersten
Spiele wurden im Schneegestöber ausgetragen.
Das erste WM-Tor erzielte der Franzose Lucien Laurent im Spiel gegen
Mexiko. "Nach meinem Tor, dem ersten des Turniers und gleichzeitig
meinem ersten für die französische Nationalmannschaft, haben wir uns
gegenseitig gratuliert, aber wir sind uns nicht in die Arme
gesprungen, wie man es heute im Fußball oft macht", erzählte er
einmal.
Auch bei den Spielstätten hapert es zunächst. Heftiger Regen
verzögerte die Fertigstellung des neuen Estadio Centenario. Die
ersten Partien zwischen Mexiko und Frankreich sowie Belgien und den
USA wurden deshalb in anderen Stadien in Montevideo ausgetragen. Erst
fünf Tage nach den ersten Spielen zogen alle Mannschaften dann
feierlich ins Centenario ein.
Schiedsrichter pfeift sechs Minuten zu früh ab
Der Weg ins Finale war holprig für den Gastgeber Uruguay. Beim Spiel gegen
Frankreich kam es zum ersten WM-Skandal, als der brasilianische
Schiedsrichter Rego die Partie bei einer 1:0-Führung der Uruguayer
sechs Minuten zu früh abpfiff. Im Halbfinale setzten sie sich zwar
deutlich mit 6:1 gegen Jugoslawien durch – allerdings mit nicht
gerade regelkonformer Schützenhilfe von der Seitenlinie. So sollen
Polizisten oder Fotografen in einem Moment den Ball von der
Außenlinie zurück ins Spielfeld geflankt haben, was zum dritten Tor
führte.

Erste WM-Trophäe: der Coupe Jules Rimet.Bild: imago sportfotodienst / ITAR-TASS
Argentinier waren zu acht chancenlos
Im Finale schien es zunächst, als würde Erzrivale Argentinien den
Pokal mit nach Hause nehmen. Zur Halbzeit führten die Argentinier mit
2:1. Dann wendete sich das Glück allerdings – auch, weil die
Argentinier in deutlicher Unterzahl spielten. "Wir waren bereits nur
noch zu zehnt und dann fielen noch zwei meiner Mitspieler mit
Verletzungen aus. Auswechslungen gab es damals noch nicht, und zu
acht waren wir chancenlos", erzählte der Argentinier Francisco
Varallo kurz vor seinem Tod 2010 in einem Interview. "Die Uruguayer,
die nach der Pause deutlich stärker wurden, hatten den Sieg absolut
verdient – aber für uns war es natürlich eine ganz bittere
Niederlage."
Den Siegtreffer zum 4:2-Endstand in der 89. Minute erzielte
schließlich Héctor Castro. Für den damals 25-Jährigen war es auch ein
ganz persönlicher Triumph: 13 Jahre zuvor hatte er bei einem Unfall
mit einer elektrischen Säge einen Unterarm verloren. Trotz seines
Handicaps schrieb er mit seinem historischen Treffer schließlich
Fußballgeschichte. Die erste Weltmeisterschaft war auch die WM der
jungen Talente. Uruguays Trainer Alberto Suppici war beim Titelgewinn
gerade einmal 31 Jahre alt und ist damit bis heute der jüngste
Weltmeistertrainer. Sein Rivale im Finale, der Argentinier Juan José
Tramutola, war sogar erst 27 Jahre alt.

Einarmiger Siegtorschütze: Héctor Castro erzielte das 4:2 für Uruguay gegen Argentinien.Bild: www.imago-images.de / imago sportfotodienst
Die erste WM – eine Erfolgsgeschichte
Trotz des schwierigen Starts war die erste Fußballweltmeisterschaft
der Auftakt zu einer Erfolgsgeschichte. Hatten sich wegen der
befürchteten Kosten zunächst zahlreiche Länder aus dem Rennen um die
Ausrichtung zurückgezogen, blieben am Ende sogar noch 55.000 Peso
übrig – auch wenn sich zu der Partie zwischen Rumänien und Peru
gerade einmal 300 Zuschauer in das Stadion verirrten. Heute gehört
die Fußballweltmeisterschaft alle vier Jahre zu den größten
Sportereignissen der Welt. "Wir Europäer waren uns einig", sagte der
jugoslawische Verbandssekretär Mihailo Andrejevic noch Jahre nach der
WM in Uruguay. "Jeder, der nicht dabei war, hat einen Fehler
gemacht."
(vdv/dpa)
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