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Das Waldstadion ist für gewöhnlich das Wohnzimmer von Eintracht Frankfurt. Am Sonntag hatte der Bundesligist spielfrei, im Stadion der SGE versammelten sich aber trotzdem 50.023 Schaulustige. Grund war kein Fußballspiel, sondern das NFL-Match zwischen den Kansas City Chiefs und den Miami Dolphins.
Die Chiefs hatten dabei das bessere Ende für sich, setzten sich nach drei Stunden und sechs Minuten mit 21:14 durch. Unabhängig vom Ergebnis war es ein historischer Tag, denn zum ersten Mal in der langjährigen Geschichte der NFL wurde ein Liga-Spiel in Frankfurt ausgetragen. Nach dem Duell der Tampa Bay Buccaneers und den Seattle Seahawks im Vorjahr in München war es überhaupt erst das zweite NFL-Spiel auf deutschem Boden.
Wie groß das Interesse am American Football hierzulande ist, zeigte sich gleich in mehrerlei Hinsicht. So waren die Karten innerhalb weniger Minuten vergriffen. Auf X, ehemals Twitter, kursierten Screenshots, auf denen Wartelistenplätze im Bereich von 1,5 Millionen zu sehen waren. Es wurde aber auch bei den Live-Übertragungen deutlich.
So zeigten in Deutschland mit RTL und Dazn gleich zwei Anbieter das Match live. Dutzende Kameras fingen dabei jeden Touchdown, jeden Pass, jeden Catch, jeden Sack ein. Die Fans sollten auch auf der eigenen Couch hautnah dabei sein, kein einziges Detail auf dem Feld verpassen. Drumherum aber blieben ihnen fünf Dinge verborgen.
Klar, Superstar Patrick Mahomes wurde schon beim ersten Schritt auf den Frankfurter Rasen gefeiert, als hätte er gerade einen Pass über 70 Yards an den Mann gebracht. Unter den aktiven Spielern erfreute sich ansonsten aber keiner einer besonderen Unterstützung vonseiten der Zuschauenden. Das heißt aber keinesfalls, dass sich die Fans mit ihrer Liebe zurückgehalten hätten.
Denn mit Björn Werner bekam ein ehemaliger NFL-Profi besonders viel davon ab. Der gebürtige Berliner spielte zwischen 2013 und 2015 für die Indianapolis Colts. In Frankfurt sprach er im Rahmen des Stadionprogramms mehrmals über das Match – und wandte sich dabei auch an die Fans.
"Zeigt's mal den Amis", rief er in Richtung Tribüne, es schallte lautstark zurück. Und das nicht nur einmal. Wenn Werner ans Mikro durfte, war das Feedback von den Rängen immer wieder enorm. Der deutsche Ex-Profi machte indes nicht nur als Einheizer eine gute Figur, sondern auch als Fotomotiv. Schon weit vor dem Kickoff gab sich der Fanliebling ganz nahbar, posierte mit Anhängerinnen und Anhängern für mehrere Bilder.
Vor allem Quarterback Mahomes lieferte den Schaulustigen eine Kostprobe seiner Fähigkeiten. 20 angekommene Pässe, zwei davon führten zu Touchdowns. Was dem Dolphins-Anhang übel aufstieß, schmeckte den vielen Chiefs-Fans so richtig.
Schmackhaftes fand sich auch rund um das Stadion. An den vielen Ständen und Imbissbuden bot sich den Fans eine große Auswahl. Dazu gehörten deutsche Klassiker wie die Brezel oder die Bratwurst, aber auch Regionales wie Apfelwein. Gerade beim Essen war ansonsten aber die US-amerikanische Note zu erkennen. BBQ Ribs, Chicken Wings, Maiskolben, Nachos und Hot Dogs sorgten für echtes USA-Feeling.
Für leichten Ärger sorgte aber das Bier. Nicht aufgrund des Geschmacks oder in Ermangelung an Alkoholgehalt, sondern wegen des ausgerufenen Preises. Sieben Euro mussten Fans für einen halben Liter bezahlen. Zum Vergleich: Bei Spielen von Eintracht Frankfurt kosten 0,5 Liter Bier im Waldstadion 4,70 Euro.
Nicht nur im kulinarischen Bereich gingen die deutsche und die US-amerikanische Kultur Hand in Hand. Auch bei der Gestaltung des Rahmenprogramms waren die Verantwortlichen darauf aus, landestypische Elemente beider Nationen zu vereinen.
So lief während einer Unterbrechung ein vorab aufgezeichnetes Video mit Chiefs-Guard Joe Thuney, der sich an deutschen Wörtern probierte und dabei zur Freude der Zuschauenden überraschend gut abschnitt. In einer anderen Pause lief "Sie liebt dich". Es ist die deutschsprachige Version des Beatles-Lieds "She Loves You". Die Engländer sangen diesen einst selbst auf Deutsch ein.
Und dann waren da natürlich auch noch "Sweet Caroline" und "Country Roads". Bei den beiden Klassikern aus den USA hatten die deutschen Fans schon letztes Jahr in München aus vollen Kehlen mitgegrölt – in Frankfurt war es nun nicht anders.
In dem von vielen Unterbrechungen geprägten Sport kann beim einen oder anderen Zusehenden mit der Zeit durchaus Langeweile aufkommen. Dagegen gibt es aber Mittel, die sich in den USA bewährt haben. Einige davon hat die NFL nach Frankfurt mitgebracht.
So wurden die Fans während der Pausen mit Musik oder einem bunten Rahmenprogramm bespaßt. Dazu gehörten Cheerleaderinnen, eine Chips-Kanone und diverse Fan-Cams. Dazu gehörten aber auch zwei bewegende Momente, die am Seitenrand für große Gefühle sorgten.
So nutzte ein Anhänger eine Unterbrechung im ersten Viertel, um seiner Freundin einen Heiratsantrag zu machen. Zur Freude der 50.023 Anwesenden sagte sie: Ja. Später wurde ein anderer Fan mit zwei Tickets für den nächsten Super Bowl überrascht, auch er konnte sein Glück kaum fassen.
Obwohl das Match in Frankfurt stattfand, waren die Chiefs offiziell die gastgebende Mannschaft. So durften sie nicht nur die Heimkabine belegen, sondern auch die optische Gestaltung des Stadioninnenraums bestimmen. Die Endzonen trugen riesige Chiefs-Schriftzüge, auf dem Videowürfel liefen diverse Clips aus Kansas und die Banden waren rot eingefärbt.
Selbiges galt auch für die Ränge. Eine überwältigende Mehrheit der angereisten Fans trug ein Trikot der Chiefs. Mahomes, Travis Kelce, Karlafatis – Hauptsache rot. "Du hast die Liebe spüren können", schwärmte Mahomes nach dem Match: "Das Chiefs Kingdom hat sich gezeigt."
Andy Reid, Headcoach der Chiefs, schlug auf der Pressekonferenz in dieselbe Kerbe. "Die Zuschauer waren unfassbar. Es war viel Rot auf den Rängen. Es war laut, aggressiv – das haben wir als Spieler und Coaches gefühlt", adelte der 65-Jährige das Frankfurter Publikum. Und schob das ultimative Lob hinterher: "Die Chiefs-Fans haben das gewonnen."
