Nadine Nurasyid ist NFL-Expertin bei Dazn und RTL. Bild: dpa / Jürgen Kessler
Interview
Ein Spektakel dürfte garantiert sein. Wenn die Kansas City Chiefs und die Miami Dolphins am Sonntag in Frankfurt das zweite reguläre Saisonspiel der NFL in Deutschland bestreiten, treffen zwei der besten Offensiven der Liga aufeinander.
Nadine Nurasyid wird dieses Spiel beim Streamingdienst Dazn als Expertin neben Kommentator Christoph Stadtler begleiten.
Im watson-Interview spricht die 37-Jährige über die Erwartungen an das Spiel, ihre Doppelrolle als Expertin für Dazn und RTL, die Bedeutung der Halbzeitshow und wie sich American Football künftig in Deutschland aufstellen muss.
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Watson: Nadine, Anfang Oktober hast du gesagt, dass dein NFL-Studium gerade begonnen hat. In welchem Semester befindest du dich aktuell?
Nadine Nurasyid: Ich befinde mich noch im Grundstudium. Erfahrene NFL-Experten können sich noch genau an den Super Bowl vor 20 Jahren erinnern und wo sie im Stadion waren: Wenn du so weit bist, promovierst du. Aber für mich ist es die erste Saison, in der ich die Liga so intensiv begleiten kann. Das ist aber toll und macht Spaß auf mehr.
Du begleitest das Deutschland-Spiel der Chiefs gegen die Dolphins am Sonntag als Dazn-Expertin. Graut es dich als "gelernte" Defensive Coordinatorin vor dem Spiel zweier enorm starker Offensivteams?
Nein, denn als Expertin habe ich eine andere Perspektive als in meiner Funktion als Coach. Als Kommentatorin ist ein Spiel mit möglichst vielen Punkten großartig. Ich hoffe auf eine Offensivschlacht. Aber ich traue mich schon gar nicht mehr, eine Voraussage zu treffen.
Warum?
Dann tritt einem die NFL immer gehörig in den Hintern und das Spiel geht ganz anders aus, als man denkt. Die Liga ist einfach unberechenbar.
Du warst zwei Jahre lang Headcoach und Defensive Coordinatorin der Munich Cowboys. Achtest du in deiner Vorbereitung auf spezielle Details aus Trainerinnensicht?
Tatsächlich ist das gar nicht so intensiv der Fall, da ich meine eigene Linie als Kommentatorin noch finden muss. Als Coach dauert es auch, bis man weiß, was einem hilft und weiterbringt. Mein Vorteil ist, dass es in den USA zu jedem Team genug Analysen, Tools und Statistiken gibt, sodass ich mir nicht einzelne Spiele zunächst mit der Coaching-Brille anschauen muss.
Du bist für Dazn und RTL als Expertin tätig. Wie unterscheiden sich die Herangehensweisen?
Der Zuschauer hinter einer Paywall bei RTL+ oder Dazn hat sich bewusst für ein Spiel entschieden und schon eine gewisse Vorkenntnis. Dort kann man als Expertin etwas tiefer in die Materie einsteigen. Im Free-TV musst du schauen, dass man auch die Leute mitnimmt, die bisher nichts mit Football am Hut hatten. Sie will man über die Geschichten drumherum und das Entertainment für den Sport begeistern.
Travis Kelce trifft mit seinen Chiefs in Frankfurt auf die Dolphins. Er sorgt auch abseits des Feldes für Schlagzeilen. Bild: AP / David Zalubowski
NFL-Übertragungen in den USA sind sehr weiblich geprägt. Mit Jana Wosnitza und Mona Stevens bei RTL, Mika Kaul bei Dazn und dir bei beiden wird es auch in Deutschland immer weiblicher.
Es ist immer gut, wenn man unterschiedliche Blickwinkel auf das Geschehen von verschiedenen Persönlichkeiten hat. Aber am Ende ist das gar keine Frage des Geschlechts, sondern es werden diejenigen ausgesucht, die den besten Job machen.
Könntest du dir eine rein weibliche Crew bei den Übertragungen vorstellen?
Es muss zusammenpassen und ist, wie gesagt, für mich keine Frage des Geschlechts. Grundsätzlich würde ich nicht ausschließen, dass wir das in Zukunft sehen.
Football ist durch und durch amerikanisch. Der sportliche Aspekt nimmt im Gesamtkontext einen kleineren Teil ein, der Rest ist Show. Nun versucht man das Konzept des Super Bowls nach Deutschland zu übertragen. Am Sonntag wird es eine Halbzeitshow mit Kontra K und Nico Santos geben. Kann das funktionieren?
Das ist eine gute Frage, denn der Sport wird hier ganz anders gelebt als in den USA. Aber die NFL wird eben nicht nur durch die Geschichten auf dem Feld geprägt, sondern durch das Entertainment und die Storys rund um den Sport. Es wäre nicht das Richtige, die NFL nach Deutschland zu holen und dann in das deutsche Muster zu pressen. Du musst die Liga so leben, wie sie ist, und dann schauen, ob das deutsche Publikum das annimmt.
In Sachen Show und Entertainment kommt man aktuell in der NFL auch nicht um Taylor Swift und ihre Beziehung zu Chiefs-Star Travis Kelce herum. Ist das positiv oder negativ?
Ich bin da absolut neutral. Aber natürlich sprechen jetzt alle darüber, es polarisiert und genau diese Geschichten sorgen dafür, dass die NFL noch bekannter wird. Der Liga hätte nichts Besseres passieren können, denn der Sport wächst weiter.
Für beide Spiele in Frankfurt hätten Millionen von Tickets verkauft werden können. Überträgt sich diese Begeisterung auch auf die Vereine in Deutschland?
Dieses euphorische Fantum heißt noch lange nicht, dass die Leute in die Vereine gehen, um Football zu spielen. Wenn 30- bis 35-Jährige jetzt mit dem Football beginnen, ist das nett, aber sorgt langfristig nicht für das Wachstum des Sports.
"Ich blicke positiv in die Zukunft, dass wir ein schnelles Wachstum hinbekommen."
Kinder sollen vor allem durch das kontaktlose Flag Football an den Sport herangeführt werden. Die NFL-Teams bieten solche Camps im Schulunterricht und im Rahmen der Spiele an.
Diese sogenannte "Grassroots"-Arbeit ist der einzige Weg, wie es funktionieren kann. Es braucht die Vorstellung des Sports in den Schulen in Kombination mit Camps am Rande solch großer Events wie den Deutschland-Spielen. Die Eltern müssen den Sport entdecken, dafür sensibilisiert werden und dann hoffentlich ihre Kinder anmelden.
Kinder kommen zusätzlich mit Sendungen wie "Toggo Touchdown" auf Super RTL mit dem Sport in Kontakt.
Das ist eine gute Sache, damit die Kinder früh abgeholt werden und eben nicht nur die Eltern am Sonntag Football gucken wollen, sondern die Kinder auch. Und wenn es nur ist, dass sie einen Spieler im Spiel sehen, über den zuvor gesprochen wurde.
Nadine Nurasyid trainierte zwei Jahre lang erfolgreich das GFL-Team der Munich Cowboys. Bild: imago images / Jan Huebner
Flag Football wird 2028 zudem erstmals bei Olympia gespielt. Was für eine Wirkung erhoffst du dir davon?
Langfristig muss der Football seine Spielerinnen und Spieler selbst ausbilden. In der Vergangenheit war es bei einer Randsportart immer so, dass man hofft, ausgebildete Athleten aus anderen Sportarten zu bekommen. Sportler, die irgendwo rausfallen, aber theoretisch talentiert genug sind oder vorher schon Sportarten wie Leichtathletik oder Handball ausgeübt haben.
Was muss passieren, damit das erfolgversprechend verläuft?
Es müssen so schnell wie möglich die Ressourcen geschaffen werden. Im Flag Football ist das viel überschaubarer als im Tackle Football. Für Flag Fooball braucht es nicht tausende Euro für Equipment, weniger Coaches, man findet leichter Plätze und es ist für uns leichter umsetzbar. Ich blicke positiv in die Zukunft, dass wir ein schnelles Wachstum hinbekommen.