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WM 2022: Nach dem Remis gegen Spanien – was das DFB-Team daraus lernen kann

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Joshua Kimmich verfolgt Spaniens Pedri. Nach Ballverlusten ging es für das DFB-Team darum, den Ball schnell wiederzugewinnen.Bild: www.imago-images.de / imago images
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WM 2022: Das kann DFB-Coach Hansi Flick aus dem Remis gegen Spanien mitnehmen

28.11.2022, 07:15
Max Bergmann
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Im zweiten Gruppenspiel bei der WM 2022 kam Deutschland nach später Drangphase zu einem 1:1-Remis gegen Spanien. Das Spiel bestätigte einige Trends aus dem Auftaktspiel, zeigte jedoch auch neue Möglichkeiten für die DFB-Elf auf.

Welche Stärken und Schwächen das deutsche Pressing gegen das spanische Spiel mit Ball bot, und weshalb nicht immer eine Systemumstellung nötig ist, um ein Spiel zu wenden, zeigt unsere Analyse.

Wie bereits gegen Japan entschied sich Bundestrainer Hansi Flick für eine Aufstellung ohne klare "Nummer 9" im Sturm. Statt Kai Havertz übernahm diesmal jedoch Thomas Müller die zentrale Rolle in der Offensive, der sich in gewohnter Manier als "Raumdeuter" auch immer wieder in andere Zonen des Feldes bewegte, zumeist jedoch im Pressing gegen den Ball aktiv war. Ein Aspekt, mit dem Deutschland auf dem Feld jedoch kein Alleinstellungsmerkmal besaß.

Ganz im Gegenteil: Auch die Spanier entschieden sich mit Marco Asensio ebenfalls für einen Angreifer des Typs "falsche 9". Ein Fakt, der sich später noch als spielrelevant herausstellen sollte.

Max Bergmann arbeitet seit 2019 für den Halleschen FC, fing in der Jugendabteilung an und trainiert mittlerweile als Co-Trainer die Profis.
Max Bergmann steht seit Juli 2019 in Halle unter Vertrag, gehört zum Trainerteam der Profi-Mannschaft.Bild: IMAGO / Picture Point LE / IMAGO / Picture Point LE
Über den Autor
Max Bergmann ist der jüngste Trainer in der Geschichte der 3. Liga. Im April 2022 vertrat der mittlerweile 25-Jährige den damaligen Cheftrainer, André Meyer, vom Halleschen FC. Eigentlich gehört Bergmann zum Trainerteam des Drittligisten, fertigt dort auch die Video-Analysen. Während der Weltmeisterschaft analysiert er für watson die Spiele der deutschen Nationalmannschaft.

WM 2022: David Raum machte Unterschied für DFB-Team aus

Spanien überzeugte bei ihrem Kantersieg gegen Costa Rica einerseits durch ihren Ballbesitz, andererseits auch durch ihr Gegenpressing unmittelbar nach Ballverlust. Demzufolge war es eine der wichtigsten Aufgaben der DFB-Elf, Druck auf die spanischen Ballbesitzphasen auszuüben und Lösungen für das Überspielen des Gegenpressings zu finden.

Und dass das Pressing der DFB-Elf eine wichtige Rolle in der Partie einnehmen sollte, zeigte sich bereits im ersten Durchgang.

Dadurch, dass David Raum bei Pass nach außen auf Spaniens freien Rechtsverteidiger vorrückte und presste, konnte die DFB-Elf immer wieder Ballgewinne provozieren."

Spanien spielte in ihrem etablierten 4-3-3-System, Deutschlands 4-3-3 stellte sich nur leicht anders in einem 4-2-3-1 dar. Kimmich und Goretzka bildeten eine Doppelsechs, um die beiden spanischen offensiven Mittelfeldspieler aufzunehmen, während İlkay Gündoğan auf der Zehner-Position gegen Sechser Sergio Busquets presste.

Deutschland legte sich bei spanischem Ballbesitz den Plan zurecht, mit Müller und der Unterstützung beider Flügelspieler die Viererkette Spaniens zu pressen. Die spanischen Aufbauspieler waren in einer 4-gegen-3-Situation, mit Torhüter sogar zu fünft. Anfangs konnte Spanien diese klare numerische Überlegenheit im Aufbau nutzen, überspielte das deutsche Pressing mit Verlagerungen auf die Außenverteidiger und drückte die DFB-Elf so in ihre Hälfte.

Der Schlüssel zum erfolgreichen Pressing war die Unterstützung von Linksverteidiger David Raum. Dadurch, dass dieser bei Pass nach außen auf Spaniens freien Rechtsverteidiger vorrückte und presste, konnte die DFB-Elf immer wieder Ballgewinne provozieren.

Spain's Dani Carvajal, right, tries to tackle Germany's David Raum during the World Cup group E soccer match between Spain and Germany, at the Al Bayt Stadium in Al Khor , Qatar, Sunday, Nov ...
David Raum ist vor Spaniens Dani Carvajal am Ball. Bild: AP / Matthias Schrader

Dahinter schoben die drei verbleibenden Verteidiger zur Ballseite durch und spielte kurzzeitig in Gleichzahl gegen das spanische Angriffstrio. Durch dieses aktive Pressing kam die Flick-Elf immer wieder in aussichtsreichen Positionen am spanischen Strafraum an den Ball, und konnte daraus zudem die Chancen von Gnabry (25. Minute) und Kimmich (56. Minute) auf eine mögliche deutsche Führung herausspielen.

WM 2022: Deutsches Pressing offenbart defensive Lücken

Situativ rückte außerdem Gündogan auf den zweiten Innenverteidiger der Spanier vor, welcher nicht von Müller gepresst wurde, wodurch je nach Situation ein 4-4-2 entstand. Damit dies möglich wurde, schob in der Regel einer der beiden Sechser in eine höhere Position.

Um die Unterzahl gegen die drei spanischen Mittelfeldspieler auszugleichen, deckte zusätzlich bei Anspiel einer der Innenverteidiger aus der Kette vor. Gelang dies mit gutem Timing, konnte so auch nach Überspielen der ersten Pressinglinie ein Angriff der Spanier verhindert werden. Wenn einer der beiden Innenverteidiger in die Vorverteidigung ging, entstand allerdings auch eine Lücke innerhalb der Abwehrkette.

"Insofern entschied sich das Trainer-Team um Flick eher für personelle Umstellungen, als für eine Systemumstellung."

Diese wusste in einigen Momenten ein weiterer spanischer Angreifer zu belaufen. So konnte Spanien teils konterartig aus dem eigenen Ballbesitz heraus die Tiefe bespielen und nur durch knappes Abseits konnte eine Chance durch Dani Olmo verhindert werden.

WM 2022: Spanien nutzt Überzahl auf den Flügeln

Bei spanischem Ballbesitz im Mittelfeld dagegen schien die größte deutsche Schwachstelle am Flügel zu sein. Durch den offensiven Laufweg eines spanischen Außenverteidigers am Flügel konnte Spanien so eine Zwei-gegen-Eins-Überzahlsituation gegen den deutschen Außenverteidiger herstellen – ein Klassiker bei 4-3-3 gegen 4-2-3-1. Ursächlich dafür war zumeist auch eine zu späte Defensivbewegung von Deutschlands Flügelspieler.

So war Deutschlands Außenverteidiger kurzzeitig mit gegnerischem Flügelspieler und Außenverteidiger konfrontiert. Auf diese Weise kam Spanien bereits in der 7. Minute mit Dani Olmo zu einem Lattentreffer, nachdem Jordi Albas tiefer Weg Rechtsverteidiger Kehrer aus der Position gezogen war, während Serge Gnabry offensiv positioniert nur wenig defensive Unterstützung bot. Den gleichen Ablauf, lediglich mit Rollentausch vollzogen die beiden Spanier erneut in der 22. Minute, was Jordi Alba in Abschlussposition brachte.

Eine ähnliche Situation gegen Kehrer stellte außerdem die Grundlage für Spaniens 1:0-Treffer (62. Minute) dar. Den direkten Zugriff im zentralen Mittelfeld konnte man nicht herstellen, Gündogan in etwas aufgerückter Position ließ Busquets im Zentrum aufdrehen, welcher das Spiel verlagerte.

Aus dem spanischen 4-3-3 konnte auf der ballfernen Seite erneut mit Flügelspieler und hoch positioniertem Außenverteidiger ein Zugriffsproblem für Kehrer hergestellt werden. Dieser schloss den innen positionierten Flügelspieler Olmo zuerst und kam so beim angespielten Außenverteidiger Alba zu spät, sodass die Flanke nicht mehr verhindert werden konnte. Der eingewechselte spanische Stoßstürmer Álvaro Morata verwertete die Flanke zum 1:0-Führungstreffer, auch weil Innenverteidiger Süle sein Duell im Strafraum verlor.

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Alvaro Morate erzielte das 1:0 für Spanien.Bild: dpa / Robert Michael

WM 2022: Einwechslungen sorgen für mehr Offensivwucht

Durch den Rückstand war Flick zum Handeln gezwungen. Für eine Umstellung taktischer Natur in Form von einer Systemumstellung sah man jedoch keinen Bedarf, da der Zugriff im Pressing durchaus vorhanden war. Die defensiven Schwachstellen, die das Pressingsystem mit sich brachte, musste man weiterhin in Kauf nehmen, um offensiv genügend Akzente setzen zu können.

Insofern entschied sich das Trainer-Team um Flick eher für personelle Umstellungen, als für eine Systemumstellung. Man tat Spanien gleich und brachte mit Niclas Füllkrug einen Stoßstürmer, außerdem besetzte Flick die Positionen auf dem rechten Flügel mit Leroy Sané und Lukas Klostermann neu.

Ohne eine andere Grundformation zu wählen, konnte Deutschland so dennoch mehr offensive Wucht entwickeln und drückte Spanien zeitweise sogar in deren Hälfte. Auch Jamal Musiala bekam im Zuge der Wechsel eine neue Rolle. Er durfte eine zentralere Rolle als Zehner hinter der Spitze einnehmen. Aus zentraleren Räumen erarbeitete er sich selber Möglichkeiten und legte für Stürmer Füllkrug auf, der in der 83. Minute zum 1:1 traf.

Ironisch wohl, dass auf beiden Seiten die eingewechselten Stürmer die Treffer erzielen, nachdem das Spiel zuvor Tore vermissen gelassen hatte.

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Niclas Füllkrug erzielte den Ausgleich für das DFB-Team. Bild: dpa / Robert Michael

Eine verständliche, aber nicht ganz logische Konsequenz aus dem Erfolg mit Füllkrug als Stürmer wäre es, diesen als deutschen Heilsbringer zu titulieren. Das Positive ist, dass der Angreifer dem deutschen Spiel ein Element im Strafraum gibt, welches sonst Mangelware ist. Seine Physis und seine Abschlussstärke fehlten der DFB-Elf zuvor in manchem Moment. Und dennoch waren die weiten Pressingwege von Müller in der ersten Halbzeit enorm wichtig und damit vermutliche wichtige Vorarbeit, um Spaniens Spielaufbau häufig schon früh unter Druck zu setzen.

Es bleibt dabei, dass es, ähnlich wie schon gegen Japan, an offensiven Möglichkeiten nicht mangelt. Besonders nach den offensiven Wechseln gab es durchaus Chancen für mehr Treffer. Das Pressing wirkte zudem wesentlich besser abgestimmt als noch gegen Japan, und gerade darauf sollte die DFB-Elf weiter aufbauen, um damit im weiteren WM-Verlauf die eine oder andere defensive Schwäche kaschieren zu können.

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