Dem Sportjournalisten Jochen Breyer und Julia Friedrichs ist eine sehenswerte Dokumentation gelungen, die in der ZDF-Mediathek zur Verfügung steht: "Geheimsache Katar". In diesem 45 Minuten umfassenden Beitrag gehen beide der Frage nach, wie es den Machthabern im Emirat gelingen konnte, die WM in ihren Wüstenstaat zu holen.
Die Kernbotschaft des Films ist klar herausgearbeitet: Die für die Akquise der WM zuständigen Stellen in Katar haben im Vorfeld der WM-Vergabe im Jahr 2010 einen genialen Coup gelandet. Dieser wurde in den Folgejahren nur noch von der Leistung übertroffen, die WM vom Sommer in die Vorweihnachtszeit zu verlegen und die umstrittene WM im Land zu halten.
Wie konnte das passieren? Ganz einfach, Katar hat verstanden, worum es im Profifußball zuallererst geht: Sie haben die maßlose Gier der Mächtigen dieses Sports für sich genutzt und im Gegenzug für ihr Geld Loyalität für diese WM erhalten. Wer sich also über die Tatsache empören will, dass diese WM in Katar stattfindet, der muss seine Kritik zuallererst an die Fifa, aber auch an die mächtigen Fußballbosse aus Europa und Deutschland richten.
Die Recherchen und Interpretationen des ZDF-Teams haben an einer Stelle ganz tief in ein Wespennest gestochen. Es ist ihnen gelungen, einen Zusammenhang zwischen den nach einer Katar-Reise vom deutschen Zoll entdeckten Rolex Uhren des Bayernbosses und Uefa-Funktionärs Karlheinz Rummenigge, dem Katar Sponsoring für den FC Bayern und der WM in Katar herzustellen. Wenn sich diese Ergebnisse bewahrheiten und vertiefen lassen, dann droht dem deutschen Fußball in seiner Chefetage ein weiterer Skandal im Stile des in 2015 durch Recherchen des "Spiegel" entzauberten "Sommermärchens". Wie ich finde, eine großartige sportjournalistische Leistung.
Der Film ist so lang wie eine Halbzeit eines Fußballspiels und ich will keine Sekunde missen. Hintergrundwissen zur Sportstrategie Katars wird anschaulich in einen roten Faden integriert. Entstanden ist eine plausible Geschichte, die uns aus der Perspektive Jochen Breyers aufzeigt, wie die Menschen in Katar leben und wie sich die Männer in Katar für Fußball interessieren. Das Land wird mit Blick auf die gigantische Skyline der Hauptstadt Doha treffend als Fassaden-Gesellschaft gekennzeichnet und dem Zuschauer wird klar: Wir wissen viel zu wenig über die Menschen in Katar, deren Weltsicht, Tradition, Vorlieben, Abneigungen und Lebensart.
Der Film ist aber nicht nur hochgradig informativ – die Dramaturgie holt jeden Zuschauer ab und erlaubt uns einen exemplarischen Eindruck zum WM-Gastgeber: Jochen Breyer zeigt uns die schweißtreibende Hitze, die klimatisierten Haltestellen der U-Bahn, die bislang kaum jemand nutzt, weil man in Katar Auto fährt. Er lässt uns aber auch an den Gesprächen im Freundeskreis seines Gastgebers, dem WM-Botschafter und früheren katarischen Nationalspieler Khalid Salman teilhaben und staunen.
Da werden Frauen mit Süßigkeiten verglichen und Homosexualität wird als Geisteskrankheit eingestuft. Erschreckend, aber authentisch. Wenn solche Haltungen das gesellschaftliche Leben in Katar tatsächlich leiten, wird es dort in absehbarer Zeit keine nennenswerten Reformen geben. Mädchen werden in diesem Land jedenfalls keinen Fußball spielen dürfen.
Das wäre allerdings bereits bei dieser WM ein verbindliches Kriterium der Fifa für die Vergabe des Turniers gewesen. Aber nach diesem Film ist jedem Zuschauer klar, dass in den Kreisen der mächtigen Fußballbosse ein Defizit an ideellen Werten besteht. Die halten sich noch nicht einmal an die eigenen Regeln.
Angesichts dieser pessimistischen Erkenntnis wirken die Auftritte von Nationalspieler Leon Goretzka in diesem Film als wohltuendes Highlight. Dieser Fußballer zeigt in den kritischen Fragen zu dieser WM Haltung und macht Hoffnung. Die Fans werden ihn dafür lieben.