Je näher das Eröffnungsspiel der WM in Katar rückt, desto pointierter wird die Kritik an dieser zweifelhaften Veranstaltung vorgetragen. Am letzten Bundesligaspieltag waren die Boykottaufrufe in jeder Kurve präsent. Groß, deutlich und in der Botschaft unmissverständlich: "15.000 Tote für 5760 Minuten Fußball! Schämt Euch" forderten beispielsweise die Fans von Bayern München und Herta BSC Berlin gemeinsam auf riesengroßen Bannern im Berliner Olympiastadion.
Auch die stimmgewaltige Südtribüne im Dortmunder Westfalenstadion protestierte mit zahlreichen, großen Bannern. Und in weiteren Bundesliga-Stadien war "Boycott Qatar" zu lesen. Und auch während der Bundesliga-Spiele am Dienstag und Mittwoch werden die Fanszenen gegen Katar protestieren.
Diesem Protest ist nichts hinzuzufügen, denn es ist schlichtweg schäbig, wie gedankenlos, ignorant und nichtssagend die Verantwortlichen in der internationalen Fußballwelt bislang mit dem weltweit größten Ereignis des internationalen Sportwashings umgehen.
Das System des professionellen Fußballs scheint so sehr mit dem Geldverdienen beschäftigt zu sein, dass die grundlegendsten Wertvorstellungen des Sports einfach so im Abseits stehen gelassen werden.
Ein weiterer Gipfel sportpolitischer Unverschämtheit war der Infobrief, den der Fifa-Präsident Ende vergangener Woche unter den 32 Teilnehmernationen in Umlauf gebracht hatte. Der DFB bestätigte lediglich den Erhalt dieses Schreibens und Sky News machte ihn öffentlich
Fifa-Boss Gianni Infantino ruft in diesem Schreiben unverhüllt dazu auf, der gesamten WM einen gigantischen Maulkorb zu verpassen: "Wir wissen, dass Fußball nicht in einem Vakuum lebt, und wir sind uns ebenso bewusst, dass es überall auf der Welt viele Herausforderungen und Schwierigkeiten politischer Art gibt. Aber lassen Sie bitte nicht zu, dass der Fußball in jeden ideologischen oder politischen Kampf hineingezogen wird, den es gibt.“
Ich sage: Schämt Euch, schämt Euch, schämt Euch! Gemeint sind all die, die nach wie vor daran festhalten, in Katar und mit dieser WM Geld zu verdienen. Allen voran die Fifa, aber auch die teilnehmenden Nationen einschließlich des DFB und aller anderen Fußballnationen, die durch das Entsenden sportpolitischer oder privater Delegationen dieser WM ihre förmliche Aufwartung machen.
Aber auch die TV-Sender und Medienanstalten, die uns glauben machen wollen, dass es anlässlich dieser WM tatsächlich so etwas wie den reinen Fußball geben könnte. Letztlich bedienen auch die damit das Narrativ, die Welt könne für die vier WM Wochen in der Vorweihnachtszeit einfach mal die Tatsache ausblenden, in welch schäbigen Kontext der Fußball diesmal inszeniert wird.
Des Weiteren sollen sich die Sponsoren dieser WM schämen. Durch ihr Geld und ihre Präsenz bei dieser WM wird ein schwerer Schatten auf ihre Produkte und Dienstleistungen gelegt. Zurecht, denn erst ihr Geld macht es möglich, dieses unwürdige Treiben auf Kosten der wahren Werte des Sports am Leben zu halten und in die Richtung voranzutreiben, die vor allem aus den Fanszenen und Kurven heraus am letzten Spieltag so deutlich und klar kritisiert wird.
Ich meine: Es ist nicht verwerflich, sich zu schämen. Macht es und zieht Konsequenzen. Bindet euer Engagement im Fußball zukünftig an wertbezogene Kriterien. Zeigt Reue, Bedauern und geht mit gutem Beispiel voran, wenn es um den Fonds für die Hinterbliebenen der verstorbenen Bauarbeiter geht.
Dabei sollte eines gewiss sein: das gute Beispiel. Verlangt nicht nur von der ominösen Fifa, dass sie diesen Fonds mit Geld ausstattet, sondern zahlt eure Gewinne, die ihr bei dieser WM macht, komplett in den Fonds ein. Ab heute, ohne weiteres Zögern, ohne das Zünden weiterer rhetorischer Nebelkerzen und sonstigen Politikersprech.
Deshalb werde ich den kommenden Protest, den wir an jedem weiteren Bundesligaspieltag erleben werden, verfolgen und mich anschließen. Und ich hoffe, die DFB-Spitze wacht endlich auf und stellt sich leibhaftig hinter die Banner und Sprechgesänge der Bundesligafans. Niemand sonst in Deutschland bringt den notwendigen Protest so klar und pointiert auf den Punkt, wie es die aktiven Fanszenen am vergangenen Wochenende getan haben und in den kommenden Spieltagen tun werden.
Von unserem DFB Präsidenten erwarte ich eine klare Kante, die in etwa auf Folgendes hinauslaufen könnte: "Ich schäme mich und will keinen Euro mit und für den DFB an dieser WM verdienen!"