Am Tag nach dem tödlichen Attentat auf Charlie Kirk entbrannte eine Debatte, wie man auf den Tod des Rechtsaktivisten nun reagieren darf. Im rechten Maga-Lager der USA dominierten Trauer und Ehrerbietungen. US-Präsident Donald Trump nannte Kirk einen "Märtyrer der Wahrheit". Es folgten scharfe Vorwürfe an die politische Linke, die er für die Gewalttat verantwortlich machte.
Auch bekannte Repräsentanten der Demokraten, etwa Barack Obama, stellten respektvoll ihre Trauer und Bestürzung über das Attentat aus.
Auf Social Media hingegen, vor allem bei X, begegneten viele Nutzer:innen dem Tod mit beißendem Spott: Das Attentat auf Kirk, der den freien Zugang zu Waffen stets verteidigt hatte, war die perfekte Pointe für das liberale, demokratische Lager.
Der Trauer der Maga-Anhänger:innen hielten Kritiker:innen Kirks radikale Überzeugungen entgegen, die mit gemäßigtem Konservatismus nichts mehr zu tun hatten.
Auch der Autor Stephen King ("Es", "Carrie"), ein reger X-User, schaltete sich in die Debatte ein und sah sich später gezwungen, einen Post zu löschen. Dies wird in der US-Medienlandschaft weithin als umfassende Entschuldigung ausgelegt. Tatsächlich aber bleibt King inhaltlich standhaft. Was ist passiert?
King hatte kurz nach Kirks gewaltsamem Tod einen Beitrag auf der Plattform X veröffentlicht, in dem er dem rechten Influencer unterstellte, sich für die Todesstrafe von Homosexuellen eingesetzt zu haben. Die Aussage erwies sich als fehlerhaft oder zumindest ungenau.
Anlass für Kings ursprüngliche Aussage war ein Beitrag von Fox-News-Moderator Jesse Watters, in dem dieser schrieb: "Charlie Kirk war keine kontroverse oder polarisierende Figur. Charlie war ein Patriot." King kommentierte dies mit dem inzwischen gelöschten Satz: "Er setzte sich dafür ein, dass Homosexuelle gesteinigt werden. Ich sag's nur."
Am Freitagvormittag folgte die Korrektur. King schrieb: "Ich entschuldige mich dafür, gesagt zu haben, Charlie Kirk habe sich für das Steinigen von Schwulen ausgesprochen. Was er tatsächlich gezeigt hat, war, wie manche Menschen Bibelstellen selektiv herausgreifen."
King bezog sich auf Kommentare, die Kirk 2024 getätigt hatte. Der Influencer hatte die Youtuberin Ms. Rachel dafür attackierte, dass sie das Gebot "Liebe deinen Nächsten" aus der Bibel zitierte, um Pride-Feiern zu verteidigen.
Kirk sagte daraufhin, wie "Entertainment Weekly" berichtet: "Ms. Rachel, vielleicht sollten Sie mal Ihre Bibel aufschlagen, denn in einem weniger bekannten Teil derselben Schriftstelle, in Levitikus 18, steht, wer mit einem anderen Mann schlafe, solle zu Tode gesteinigt werden. Ich sag's nur."
Man muss hier also trennen: Wofür sich Stephen King in der Tat (mehrfach) entschuldigte, ist nur die Ungenauigkeit in seiner Wortwahl. Von seiner Kernaussage rückt er nicht ab: Kirk missbrauchte den Bibeltext zur Legitimierung rechter, menschenverachtender Propaganda.
Der Fall Stephen King zeigt, wie sensibel die US-amerikanische Öffentlichkeit auf Kritik an Kirk reagierte.
Der politisch gemäßigte Fernsehsender MSNBC hatte zuvor etwa die Zusammenarbeit mit dem Kommentator Matthew Dowd beendet, nachdem dieser eine Linie gezogen hatte von den "Hassreden" Kirks zu "hasserfüllten Taten", also dem Attentat auf ihn. Das war schon zu viel.
Der Streit um Stephen Kings Kommentar belegt nun erneut, wie schnell sich in der aufgeheizten politischen Atmosphäre der USA Fakten und Zuschreibungen vermischen und wie wichtig es gerade jetzt ist, nicht von berechtigter Kritik in ungenaue Polemik abzugleiten.
Zugleich bleibt der Grundkonflikt bestehen: Wie viel Respekt schuldet man einem politischen Gegner, dessen Rhetorik selbst Grenzen des Respekts überschritten hat?