
Die Geschwister Shiv, Roman und Kendall kämpfen mal mit-, mal gegeneinander. Bild: HBO Entertainment
Analyse
Das US-Network HBO steht für Qualitätsserien. "Die Sopranos", "The Wire", "Six Feet Under", "The Newsroom", "True Detective" und natürlich "Game of Thrones" – die Liste der modernen Klassiker ist lang und lässt sich in Deutschland über das Angebot von Sky beziehungsweise Wow abarbeiten.
Mit "Succession" hat HBO auch aktuell ein heißes Eisen im Feuer, die vierte Staffel startet jetzt in deutscher Synchronisation. Das Besondere an dieser Serie: Sie vereint viele Qualitäten ihrer HBO-Vorgänger in sich und doch galt sie lange nur als Geheimtipp. Mittlerweile aber hat sich herumgesprochen, dass eine Geschichte nicht automatisch langweilig und trocken ist, weil sie in der Unternehmensbranche spielt und von den Problemen reicher Menschen handelt.
Zwischen Lachen und Mitleid
Die Idee ist schnell erzählt: Der konservative Medien-Mogul Logan Roy (Brian Cox) ist in die Jahre gekommen und muss langsam an seine Nachfolge denken. Konflikte löst er grundsätzlich mit Geld. Macht eine konkurrierende Marke auf dem Markt Stress, will er sie einfach aufkaufen. Mit Menschen verfährt er ganz ähnlich.

Logan Roy verachtet sogar seine Kinder.Bild: HBO Entertainment
Seine Kinder Kendall (Jeremy Strong), Siobhan (Sarah Snook), Roman (Kieran Culkin) und Connor (Alan Ruck) kämpfen um sein Vertrauen, doch Logan steht sich selbst am nächsten und hat keinerlei Skrupel, seinen Nachkommen das Leben schwer zu machen.
Manchmal aber scheitern sie sogar ohne jegliches Zutun. Insoweit ist "Succession" eine Komödie. Natürlich geht es auch darum, Klischees um moralbefreite Superreiche genüsslich auszukosten, denn in peinlichen Momenten ernten sie, was sie gesät haben – zum Beispiel durch ein Dickpic, das versehentlich an den eigenen Vater geschickt wird.
Doch das beschreibt nur die Oberfläche. Ganz so einfach macht es sich der Showrunner Jesse Armstrong dann doch nicht.
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Gemessen daran, dass absolut niemand aus dem Roy-Clan auch nur annähernd sympathisch ist, erweist sich das Suchtpotenzial von "Succession" als bemerkenswert. Die Freude daran, die Charaktere straucheln zu sehen, fällt andererseits überraschend gedämpft aus – zumindest langfristig betrachtet. Nach spätestens zwei Staffeln ist der Zeitpunkt gekommen, zu erkennen, dass diese Figuren sogar Mitgefühl hervorrufen. Es scheint ganz so, als könnten einem auch Scheusale irgendwie ans Herz wachsen.
"Succession" geht weiter als "Game of Thrones"
Roman, Shiv, Kendall, Connor und Patriarch Logan sind vor allem eines: ultimativ einsam. Die Redewendung "Blut ist dicker als Wasser" wird in "Succession" gnadenlos ins Gegenteil verkehrt, die engsten Verwandten sind zugleich die größten Feinde. Die Roys haben das Konkurrenzdenken schon mit der Muttermilch aufgesogen. Wie ist es möglich, unter solchen Umständen nicht vollkommen verdorben zu werden?
In diesem Punkt ist die Serie sogar noch düsterer als "Game of Thrones", zumal in der Fantasy-Saga zumindest die Familien zusammenhalten. Wenigstens manchmal.
"Succession" wirkt gegen den Trend
"Succession" entfacht die Diskussionen um das mutmaßliche Ende des "goldenen Zeitalter des Fernsehens" sogar noch einmal neu. Seit Netflix, Amazon Prime und Co. das Zepter übernommen haben, steht im Bereich der Serien Quantität statt Qualität im Vordergrund – so zumindest lautet eine weit verbreitete Beobachtung.

Bei den Roys kehrt niemals Ruhe ein.Bild: HBO Entertainment
Die meisten Serien werden schnell produziert und nebenbei konsumiert, die Drehbücher folgen Formeln, nur wenig wirkt nach. Passend dazu werden vermehrt komplette Staffeln auf den Markt geworfen, statt Woche für Woche eine Folge zu veröffentlichen. "Squid Game" beispielsweise war ein massiver Erfolg, doch wird die Serie die Fans auch noch in zehn Jahren beschäftigen?
Vermisst werden die Hits, die anspruchsvoll wie Arthouse-Produktionen und dabei so erfolgreich wie Blockbuster sind. "Game of Thrones" war das wahrscheinlich bislang letzte Beispiel dafür. Und "Succession", mit seinen Dramen und Intrigen, füllt jetzt die Lücke – ganz ohne Drachen.
Es ist inzwischen Tag 13 im australischen Busch von "Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!". Die Nerven der Stars liegen allmählich allesamt blank, immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen am Lagerfeuer. Aber auch abseits dessen wird ein anderer Schauplatz zum Tatort: Das stille Örtchen der Kandidat:innen. So führt eine Unterstellung von Edith Stehfest schlussendlich sogar zum Bruch mit einer ihrer Mitcamperinnen.