RTL startete in diesem Jahr die neue Nachrichtenoffensive und ging damit den nächsten Schritt, familienfreundlicher zu werden und den größer werdenden Informationsbedarf zu bedienen. Bernd Reichart, Chef der Mediengruppe RTL Deutschland, erklärte bereits im Interview mit der "Wirtschaftswoche": "Bei allen gesellschaftlichen Spaltungstendenzen registrieren wir einen zunehmenden Wunsch nach Gemeinschaft und Nähe." Und weiter: "Wir setzen auf positive Unterhaltung, auf großes, innovatives Familienfernsehen." Die Zeit sei gekommen, "Gewohntes infrage zu stellen", und zwar "nicht nur im Programm". Showlegende Dieter Bohlen ist bekanntermaßen kein Teil mehr davon.
Vielmehr begrüßte der Sender in diesem Jahr unter anderem die Neuzugänge Jan Hofer und Pinar Atalay. Ab dem 16. August stehen die beiden abwechselnd für das neue Nachrichtenformat "RTL Direkt" vor der Kamera. Jeweils von montags bis donnerstags um 22.15 Uhr diskutieren, thematisieren und besprechen sie in 20 Minuten die Nachrichten der Woche. War der Start noch holprig und spiegelte sich nicht zuletzt durch immer mal wieder schwachen Quoten wider, feierte die Sendung am 20. Dezember seine bisher beste Reichweite. Dabei hat wohl nicht zuletzt die Sandwich-Methode zum großen Erfolg beigetragen.
Als Jan Hofer im August erstmals an den Start ging, stellte Gerhard Kohlenbach, Chefredakteur Nachrichten bei RTL News, gegenüber watson folgendes klar: "Unser Ziel ist, mit 'RTL Direkt' bewusst eine Nachrichtensendung wie keine andere zu etablieren und nicht bestehende Nachrichtenformate lediglich zu kopieren. Dieses Ziel gehen wir langfristig an, als Marathon, nicht als Sprint. In der Zielgruppe der 14-49-Jährigen lagen wir am Montagabend auf Anhieb gleichauf mit den 'Tagesthemen'. Auf diesem Erfolg bauen wir auf und werden die Sendung weiterentwickeln."
Christian Schicha, Professor für Medienethik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen, bewertet gegenüber watson die neue Nachrichtenoffensive "grundsätzlich positiv". Dennoch gibt er zu bedenken: "Es wird aber schwer sein, sich gegenüber den zum Teil gleichzeitig laufenden Informationsangeboten von ARD ('Tagesthemen') und ZDF ('heute-journal') durchzusetzen." Dass nun jeweils ein Moderator und eine Moderatorin von den Öffentlich-Rechtlichen zu RTL wechselte, sieht er zunächst als erfreulich an. "Gleichwohl werden hier Moderatorinnen und Moderatoren aus dem öffentlich-rechtlichen Spektrum eingesetzt und es stellt sich die Frage, ob RTL hier eine eigenständige Handschrift entwickeln kann", so Schicha.
Für Pinar Atalay war in jedem Fall ihr Debüt im Oktober nicht gerade von Erfolg gekrönt, denn als die frühere "Tagesthemen"-Moderatorin durch das Newsformat führte, schauten gerade einmal 840.000 Menschen zu. Dies entsprach einem Marktanteil von mageren 4,2 Prozent. Der Medienexperte meint dazu: "Auch hier gilt, dass die öffentlich-rechtlichen Anbieter einen Vorsprung haben und es für RTL schwer ist, Zuschauerinnen und Zuschauer zu generieren."
Mittlerweile hat sich die Sendung allerdings zu einem Quotenhit gemausert. Wie "Dwdl" berichtete, bescherte nämlich "Wer wird Millionär?" "RTL Direkt" am 20. Dezember die beste Reichweite, die das Programm jemals hatte. An diesem Tag wurde übrigens ein Weihnachtsspecial von der beliebten Rateshow gezeigt. Weil um 22.15 Uhr das Nachrichtenprogramm folgte, wurde "WWM" unterbrochen und "RTL Direkt" dazwischengeschoben. 3,45 Millionen Zuschauer sahen im Schnitt zu und somit gab es mit 14,7 Prozent den besten Marktanteil bisher.
Quotenträger "Bauer sucht Frau" sorgte im November wiederum dafür, dass sich "RTL Direkt" über die bis dato besten Einschaltquoten in der Zielgruppe freuen konnte. Nach dem Mediendienst hatte die Sendung am 22. November einen Marktanteil von 16,6 Prozent. 0,98 Millionen Menschen zwischen 14 und 49 Jahren schalteten damals ein. 2,89 Millionen waren es sogar insgesamt. Übrigens, an diesem Tag stellte auch "Bauer sucht Frau" mit 4,51 Millionen Zuschauern einen neuen Staffelrekord auf, was wohl nicht zuletzt der Sendung "RTL Direkt", die im Anschluss lief, zum eigenen Rekord verhalf.
Im Oktober führte übrigens das "Sommerhaus der Stars" "RTL Direkt" zum damaligen Quotenrekord. Auch hier wurde die Realityshow wie schon bei "WWM" zugunsten der Nachrichtensendung unterbrochen. Am 20. Oktober erzielte "RTL Direkt" damals mit 14,6 Prozent Markanteil und 1,73 Millionen Zuschauern laut "Dwdl" einen neuen Bestwert. Inwiefern dieses Konzept der Sandwich-Methode jedoch nachhaltig wirken kann, wird sich zeigen. Ob das eine Taktik wäre, die beibehalten werden sollte, um die Zuschauer langfristig an das Format zu binden, sieht Schicha so:
Wie abhängig die Show vom 20.15-Uhr-Programm ist, zeigte sich übrigens auch beim Konkurrenten ProSieben. Der Sender versetzte kurzerhand "Zervakis & Opdenhövel" ab dem 10. November auf einen neuen Sendeplatz und läuft jetzt immer mittwochs im Anschluss von "TV total", um wohl hier der quotenschwachen Sendung einen Aufschwung zu bescheren. Ähnlich wie bei "RTL Direkt" wird hier in der Primetime offenbar auf eine Show gesetzt, von der große Einschaltquoten erwartet werden.
Bei der ProSieben-Sendung funktionierte das allerdings bisher mit mäßigem Erfolg. Zuletzt erreichte "Zervakis & Opdenhövel" am 15. Dezember 650.000 Zuschauer, was einem Marktanteil von 2,7 Prozent entsprach. "TV total" mit Sebastian Pufpaff erreichte im Gegensatz dazu am gleichen Tag 1,75 Millionen Menschen (5,9 Prozent). Medienethiker Schicha meint über diese Vorgehensweise: "In der Prime-Time um 20.15 Uhr ist die Konkurrenz ohnehin am größten. Zudem ist die Kombination Zervakis (Information) und Opdenhövel (Unterhaltung) offensichtlich keine gute Kombination." Bis zum 9. Februar gibt es übrigens für die ProSieben-Nachrichtensendung erstmal eine längere Winterpause.
In jedem Fall zeigte sich Jan Hofer kürzlich im Interview mit der Deutschen Nachrichten-Agentur über die Entwicklung des neuen RTL-Formats durchaus optimistisch. "Zugegeben, am Anfang musste ich mich tatsächlich etwas umgewöhnen. Neues Format, neue Rolle, neues Team, neuer Sender – das war spannend, aber eben auch herausfordernd." Und weiter:
Laut des 71-Jährigen sei es ihnen gelungen, in nur vier Monaten eine neue Nachrichtensendung am Abend zu etablieren. Dies zeigte sich zuletzt auch durch die Quotensteigerung, denn im August hatte "RTL Direkt" noch 1,87 Millionen Zuschauer und der letzte Topwert betrug schließlich 3,45 Millionen. Wie es zu der neuen RTL-Ausrichtung passt, versuche der ehemalige "Tagesschau"-Sprecher mit seinem Team grundsätzlich positive Botschaften aus ihren Themen zu ziehen.
"Wir sind auf Augenhöhe mit den Mitbewerbern. Das hätte uns am Anfang kaum einer zugetraut", freute er sich. Nicht zuletzt wird allerdings die Sandwich-Methode dazu beigetragen haben, dass die Sendung Konkurrenten wie die ARD-"Tagesthemen" oder das ZDF-"heute-journal" angreifen konnte. Inwiefern dieser Trend aufrechterhalten werden kann, wird sich zeigen, wenn "RTL Direkt" im Alleingang agiert. Denn am 28. Dezember erreichte die Sendung laut "Dwdl" im Schnitt nur noch 8,5 Prozent Marktanteil.