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TV-Spezial mit Annalena Baerbock: Ganz zum Schluss kommt ein Moment zum Fremdschämen

Leichter Auftakt: Annalena Baerbock bei ihrem ersten TV-Auftritt als designierte Kanzlerkandidatin im "ProSieben Spezial" am Montagabend.
Leichter Auftakt: Annalena Baerbock bei ihrem ersten TV-Auftritt als designierte Kanzlerkandidatin im "ProSieben Spezial" am Montagabend.bild: Screenshot Pro sieben
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Baerbock nutzt die TV-Bühne, die ProSieben ihr baut – ganz zum Schluss kommt ein Moment zum Fremdschämen

20.04.2021, 11:0602.09.2021, 12:44
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Die gute Nachricht für die Grünen: Annalena Baerbock hat ihr erstes Fernsehinterview als designierte Kanzlerkandidatin souverän überstanden. Die schlechte Nachricht: Es werden noch deutlich schwierigere Auftritte kommen in diesem Wahlkampf. Denn eigentlich war das kein Interview, sondern eher eine nette Plauderrunde mit den Moderatoren Katrin Bauerfeind und Thilo Mischke.

Baerbock durfte sich erst selbst präsentieren, dann die augenscheinliche Harmonie bei den Grünen loben und schließlich ein paar Punkte des grünen Wahlprogramms ausbreiten – fast ohne mit kritischen Nachfragen belästigt zu werden.

Was bleibt von diesem ersten Auftritt der Frau, die seit Montag offiziell Angela Merkel beerben und erste grüne Bundeskanzlerin werden will? Eine Analyse in drei Punkten.

Mehr nette Stichworte als Fragen für Baerbock – und am Ende Applaus: ein Moment zum Fremdschämen

Eigentlich war es ein Coup für ProSieben: Nicht ARD oder ZDF, sondern der Privatsender hatte sich das erste Interview mit dem Menschen gesichert, der für die Grünen ins Kanzleramt will.

Gemacht haben die Moderatoren Bauerfeind und Mischke daraus ziemlich wenig. Ein Teil der Fragen an Annalena Baerbock war bemerkenswert oberflächlich. Zum Beispiel die Mischkes nach der Einzelspende in Millionenhöhe, die die Grünen kürzlich erhalten haben. Mischke fragte, nachdem er richtigerweise erwähnt hatte, dass die Grünen Großspenden an Parteien eigentlich kritisch sehen, einfach: "Was macht man da mit so einer großen Summe Geld? Legt man das zurück, verschenkt man das?"

Baerbock durfte ungestört antworten, dass die Partei das Geld annehme, aber eigentlich eine Reform der Parteienfinanzierung wolle. Eine Antwort, in der ein bemerkenswerter Widerspruch steckt. Nachfragen dazu? Keine.

Bei anderen Fragen war vor allem Moderatorin Bauerfeind bemüht, betont jugendlich zu wirken. Einmal fragte sie Baerbock: "Geht Ihnen der Arsch auf Grundeis?" Ein anderes Mal meinte sie komplizenhaft zu Baerbock: "Sie sind die einzige Nicht-Boomerin unter den Kandidaten!"

Und dann, mit Bezug auf mögliche Treffen einer Kanzlerin Baerbock mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin oder dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan: "Um es mit Oliver Kahn zu sagen: Braucht man da Eier oder – in Ihrem Fall – Eierstöcke?"

Baerbock schien bei jeder dieser angestrengt coolen Fragen kurz irritiert. Auf die letzte Frage antwortete sie: "Da braucht man vor allen Dinge eine klare Haltung." Sie warf dann der Bundesregierung vor, diese Haltung nicht gehabt zu haben. Eine Nachfrage Bauerfeinds, was die Grünen denn konkret anders machen würden? Kam nicht mehr. Stattdessen dieser nette Dialog:

"Das schüchtert sie wirklich überhaupt nicht ein? Also, Sie werden gleich im Ton ein bisschen härter!"

Baerbock: "Ja, wenn man hart verhandelt, muss man auch im Ton härter sein."

Bauerfeind: "Na gut."

Solche wachsweichen Dialoge sind schade. Die beiden Moderatoren haben dadurch eine Chance vergeudet, der grünen Kanzlerkandidatin vor einem Millionenpublikum ernsthaft auf den Zahn zu fühlen – und ihr stattdessen in den allermeisten Fällen nur Vorlagen dafür geliefert, um vorbereitete Stichpunkte abzuspulen.

Baerbock hatte es viel zu einfach. Besonders deutlich wurde das auch nach der – grundsätzlich interessanten – Frage Bauerfeinds, ob der ökologische Umbau der Wirtschaft aus Baden-Württemberg das neue Ruhrgebiet machen wird, weil das Land von der Autoindustrie lebt. Baerbock antwortete erst: "Nein."

Dann, auf eine Rückfrage, erklärte sie, in Nordrhein-Westfalen habe die Politik in den früheren Kohle- und Stahlrevieren den Leuten zu lange versprochen: "Es passiert nichts." Bauerfeind oder Mischke hätten hier leicht einwerfen können, dass in NRW ja in 16 der vergangenen 25 Jahren die Grünen mitregiert haben. Haben sie aber nicht getan.

Einen Tiefpunkt erreichten beide dann am Ende des Interviews: Sie klatschten für Baerbock. Etwas, das Journalistinnen und Journalisten niemals gegenüber ihren Interviewten tun sollten, um die richtige Distanz zu ihnen zu bewahren. Ein Moment zum Fremdschämen.

Mehr Plauderstunde als Interview.
Mehr Plauderstunde als Interview. bild: screenshot pro sieben

Baerbock setzt erste Wahlkampf-Signale

So dünn das Interview großteils auch war: Ein paar inhaltlich interessante Stellen gab es. Baerbock sprach Punkte an, die die Grünen schon in ihrem Programm verankert haben – sie stelle sie jetzt aber einem Millionenpublikum vor.

Baerbock machte deutlich, dass die Grünen ein ganz anderes Verständnis dafür schaffen wollen, wofür und wie viel Geld der Staat ausgeben soll. Sie betonte, auf eine Frage Bauerfeinds nach der schwarzen Null, dass sich die "Logik" ändern müsse: Dass der Staat also nicht mehr stur sparen, sondern per Grundgesetzänderung in Zukunft sogar dazu verpflichtet werden solle, einen gewissen Teil des Haushalts in klimafreundliche Infrastruktur, erneuerbare Energien, Straßen oder Schienen zu investieren. Es ist ein Staatsverständnis, wie es momentan in den USA auch Präsident Joe Biden mit seinem Billionen-Ausgabenprogramm umsetzt. Und es ist das Gegenteil der Politik nach Art der schwäbischen Hausfrau, wie sie die große Koalition unter Angela Merkel bis zur Corona-Krise verfolgt hat.

Die designierte grüne Kanzlerkandidatin sprach davon, dass ihre Partei den Klimaschutz gemeinsam mit der Wirtschaft und vor allem mit der Industrie vorantreiben wolle – und nicht gegen die Unternehmen. Es habe sich "viel verändert: bei der Wirtschaft, bei den Grünen." Baerbock sagte: "Wenn wir den Wohlstand dieses Landes in die Zukunft bringen wollen, dann können wir das nur, wenn die Marke 'Made in Germany zukünftig die Marke ist 'hergestellt in einem klimaneutralen Europa'". Sie habe "viel Kontakt mit der Industrie", dort werde ihr gesagt, die Politik müsse "die Weichen stellen".

Baerbock versuchte auch deutlich, dem oft gehörten Vorwurf zu begegnen, die Grünen seien eine "Verbotspartei". Auf eine Frage Mischkes, ob Verbote nicht nötig seien, um den Klimaschutz voranzutreiben, entgegnete Baerbock: "Es wäre viel zu einfach, zu sagen, die Leute sollen sich ändern." Die Politik müsse, fuhr sie fort, die Rahmenbedingungen so ändern, dass klimaneutrales Leben für jeden möglich sei. Die Grünen, so scheint es, wollen mit aller Kraft den Eindruck abwehren, dass sie den Menschen in ihr privates Leben hineinreden wollten. Den Vorwurf werden sie im Wahlkampf sicher noch öfter hören.

"Ist Putin ein Mörder?" Die spannendste Aussage des Abends

Eine recht gute Frage stellte Moderator Mischke dann doch noch, gegen Ende des Interviews. Er sprach über den Vorwurf von US-Präsident Biden, der russische Staatschef Putin sei ein "Killer". Er fragte Baerbock daraufhin, ob sie das auch so sehe. Sie antwortete: "Wir sehen, dass der Kreml, und dem steht dieser Präsident vor, gerade jemanden sterben lässt."

Mischke hakte hier tatsächlich einmal nach und fragte präzise: "Ist Putin ein Mörder?" Er schaffte es damit, Baerbock etwas in die Enge zu treiben. Die Grünen-Chefin und Kanzlerkandidatin vermied es, Putin persönlich zu beschuldigen, sagte aber immerhin: "Aus meiner Sicht kann man nicht von außen sagen, wer dafür jetzt einzeln verantwortlich ist. Herr Putin ist für dieses Regime verantwortlich. Er ist der Präsident dieses Regimes mit den Akteuren, die versucht haben, Herrn Nawalny an der Stelle zu ermorden."

Dann fragte Moderatorin Bauerfeind Baerbock nach dem Brexit und meinte, das wirtschaftliche Desaster in Großbritannien sei ausgeblieben, beim Impfen gehe es dort schneller als in der EU. Man könne doch jetzt auf die Idee kommen, dass es für Länder gar nicht so eine schlechte Idee sei, es alleine zu machen, ohne Europa.

Baerbock entgegnete: "Auf gar keinen Fall." Sie begründete das mit Studenten, die jetzt nicht mehr am Erasmus-Programm teilnehmen könnten – und sprach dann über Lkw, die jetzt an der Grenze zu Großbritannien im Stau stünden und in denen der Fisch verfaule. Der Punkt ist: Die Staus, die Baerbock meinte, hat es vor vier Monaten gegeben, um die Weihnachtszeit, seither nicht mehr. Damit konfrontiert hat sie keiner der Moderatoren.

Hätte die nette Plauderatmosphäre dann doch arg gestört.

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