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ESC: NDR-Moderator fürchtet Eklat – diese Band ist "nicht kontrollierbar"

Semi-final 1 of Eurovision Song Contest 2023 Let 3, representing Croatia, perform on stage during the Eurovision 2023 Semi-final 1 at Liverpool Arena in Liverpool, England on May 9, 2023. SanjinxStruk ...
Let 3 geht für Kroatien ins Rennen. Die Band fällt durch eine irre Bühnenshow auf.Bild: IMAGO/Pixsell
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"Nicht kontrollierbar": NDR-Moderator fürchtet Eklat beim ESC

12.05.2023, 09:5912.05.2023, 12:10
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Der ESC steht in den Startlöchern. Hierzulande war die Entscheidung, wer dieses Jahr für Deutschland nach Liverpool fährt, durchaus umstritten, Ikke Hüftgold sorgte für einen kleinen Eklat. Nachdem Kommentator Peter Urban in einem Interview angeblich über ihn gelästert hatte, wehrte der Sänger sich in einem langen Statement auf Instagram. Urban behauptete später, er sei falsch zitiert worden. Das angebliche Zitat mit dem "dumb-teutonischen Mist" sei seinerseits nie gefallen. Er habe dem Redakteur nur gesagt, er habe sich gefreut, dass Lord of the Lost gewonnen hätten und dass er lieber mit der Band nach Liverpool fahren wolle als mit Ikke Hüftgold, erklärte Urban kurz darauf in einem Podcast des NDR.

Stefan Spiegel, der für den NDR moderiert, hat sich in den letzten Wochen intensiv mit allen Teilnehmenden beschäftigt. In seiner Show "Alles Eurovision" berichtet er seit dem 10. Mai täglich live aus Liverpool. Im Gespräch mit watson erklärt er, was er dieses Jahr vom ESC erwartet. Finnland und Schweden sind die Favoriten, doch für Furore wird eine andere Band sorgen, glaubt er. An die Neu-Moderatoren Jan Böhmermann und Olli Schulz hat er eine große Bitte – und die Chancen des deutschen Beitrags Lord of the Lost bewertet er auch.

Watson: Wie kann Deutschland beim ESC wieder erfolgreich werden?

Stefan Spiegel: Ich finde, es ist dieses Jahr schon relativ viel passiert. Dass Lord of the Lost im Vorentscheid antreten konnten, war schon mal ein richtig gutes Zeichen. Ich glaube, dass es da mittlerweile viel Demut gibt beim NDR. Man weiß, dass man nicht immer alles selber am besten entscheiden kann, sondern sich auch auf junge Stimmen beziehen sollte – auf Menschen, die vielleicht 25 sind und einen ganz anderen Blick auf Musik haben. Deswegen bin ich für dieses Jahr optimistisch, und für das nächste Jahr auch.

Wie stehen also die Chancen für Lord of the Lost?

Ich glaube, Lord of the Lost wird auf jeden Fall gut abschneiden. Die haben eine Fan-Base, die werden auf keinen Fall letzter werden. Sie werden im guten Mittelfeld landen, werden einen guten Auftritt abliefern.

NORDDEUTSCHER RUNDFUNK
Alles Eurovision Alina und Stefan
Alina Stiegler (l.) und Stefan Spiegel (r.)
© NDR, honorarfrei - Verwendung gemäß der AGB im Rahmen einer engen, unternehmensbezogenen Berichte ...
Stefan Spiegel hostet zusammen mit Alina Stiegler "Alles Eurovision". Bild: NDR

Wer sorgt dieses Jahr für den schrillsten Auftritt?

Let 3 aus Kroatien. Das sind Satiriker, die als Drag-Diktatoren auftreten. Die kommen ein bisschen nazi-mäßig angehaucht auf die Bühne, haben einen richtig seltsamen Song. Sie haben einen goldenen Traktor entworfen, mit dem sie rumfahren. In Kroatien, in Jugoslawien und auf dem Balkan sind sie mehrfach verknackt worden, weil sie nackt auf der Bühne waren. Sie haben Korken in ihre Hintern gesteckt und die abgefeuert. Sie haben ein Album gemacht das "Angela Merkel kackt" heißt. Das wird richtig weird.

Glaubst du, dass sie auf der Bühne so ins Extrem gehen werden?

Ich als EBU [Europäische Rundfunkunion, Anm. d. Red.] hätte schon Angst, weil ich glaube, dass die nicht kontrollierbar sind. Es wird extrem interessant werden, was sie im Finale machen. Es gibt eine Mini-Verzögerung zwischen Aufzeichnung und Signal – auch, um so was wie Flitzer zu vermeiden. Ich könnte mir vorstellen, dass bei Kroatien 15 Leute sitzen und ganz genau hinschauen, was auf der Bühne passiert, um im Zweifel die Probe von zuvor einzuspielen, wenn eine Eskalation vonstatten geht.

"Es wirkt auf mich manchmal wie eine beleidigte Leberwurst, wenn jemand ein zehnseitiges Statement auf Instagram raushaut."

Auch andere Bands haben vorab für Diskussionen gesorgt.

Der polnische Vorentscheid war heftig umstritten, weil eine Kandidatin mit Jury-Verquickungen gewonnen hat. Wenn man sich den Song anschaut, kann man sich wirklich nur fragen: Warum kann dieser Song von der Jury Punkte bekommen? Und die Band, die San Marino schickt, hat ein Logo, das offensichtlich einen erigierten Penis zeigt. Obendrein singen sie auch noch, finde ich, sexistische Scheiße.

Womit wir beim Thema wären: Team Ikke Hüftgold oder Team Peter Urban?

Ich will mich nicht auf eine Seite schlagen. Aber ich finde es ein bisschen übertrieben und es wirkt auf mich manchmal wie eine beleidigte Leberwurst, wenn jemand ein zehnseitiges Statement auf Instagram raushaut. Aber hey, Ikke, vielleicht war dein Song einfach nicht so gut! Wird der denn irgendwo auf dem Ballermann gespielt? Ich glaube nicht! Vielleicht gab es einen Grund, warum er nicht so viele Stimmen bekommen hat. Er hat ja sogar selbst gesagt: "Das war jetzt nicht der beste Song, den ich jemals geschrieben habe." Dann muss man sich vielleicht auch nicht wundern, wenn man nicht so viele Punkte vom Publikum bekommt.

Wie schätzt du die Chancen von Lord of the Lost ein?

Es ist natürlich speziell. Deshalb glaube ich nicht, dass sie gewinnen werden. Es ist ein Track, der wahrscheinlich nicht von den Jurys so abgefeiert wird, das haben wir ja auch schon im Vorentscheid gesehen. Ich glaube aber, dass sie überall viele Fans haben. Ich glaube, dass sie eine richtig krasse Show abliefen werden und dass sie einen guten Mittelfeldplatz machen. Und das ist beim ESC schon ein guter Erfolg. Was ich am Wichtigsten finde: Da verkauft sich niemand. Es ist absolut authentisch von vorne bis hinten. Es ist das, was sie machen wollen. So, wie sie sein wollen.

08.05.2023, Großbritannien, Liverpool: Lord of the Lost aus Deutschland treten während einer Generalprobe für den Eurovision Song Contest in Liverpool, England, auf. Foto: Martin Meissner/AP/dpa +++ d ...
Lord of the Lost treten für Deutschland an.Bild: AP / Martin Meissner
"Lord of the Lost wären nicht Lord of the Lost, wenn sie nicht an die Grenzen des Machbaren gehen würden."

Was erwartest du für den Auftritt von Lord of the Lost?

Lord of the Lost wären nicht Lord of the Lost, wenn sie nicht an die Grenzen des Machbaren gehen würden. Es wird auf jeden Fall viel mit Pyro passieren. Man kann sich darauf freuen, dass es richtig zur Sache geht, aber gleichzeitig eine humoristische Komponente mitschwingt – genau wie eine Empowerment-Komponente.

Worin zeigt sich das Empowerment?

Was ich super spannend fand, war, dass Chris [Harms, Sänger der Band; Anm. d Red.] in einem Interview über Judas Priest gesprochen und sich anerkennend über den Sänger geäußert hat. Der Judas-Priest-Sänger war schwul und hat ganz viel für die queere Community getan. Und ich glaube, das ist so ein bisschen Chris' Anliegen: die Grenzen zu sprengen von dem, was man erwartet. Das wird dieser Auftritt auf jeden Fall leisten.

Wer sind deine Favoriten und warum?

Ich würde mir den Sieg für Finnland wünschen, weil sie den besten und spannendsten Beitrag haben. Loreen ist Wett-Favoritin. Mal schauen, was mit der Ukraine ist, für die es letztes Jahr unfassbar viele Publikumsstimmen gab. Das kann natürlich dieses Jahr auch noch ein Faktor sein, gerade wenn die Show auch noch so emotional wird. Ich tippe auf Finnland oder Schweden.

LIVERPOOL 20230509 Käärijä fran Finland med bidraget Cha cha cha under tisdagens semifinal i Eurovision Song Contest i Liverpool. Liverpool Sverige x10070x *** LIVERPOOL 20230509 Käärijä from Finland  ...
Käärijä aus Finnland gelten als großer Favorit. Bild: imago images

Was erwartest du als ESC-Fan vom Kommentar von Jan Böhmermann und Olli Schulz für FM4?

Wenn die Lust haben, sich mit dem ESC auseinanderzusetzen und das zu kommentieren, ist das super für das Event. Und am Ende ist mir das das Wichtigste: dass der ESC einfach eine riesengroße Bühne bekommt. Deshalb ist das gut.

"Ich würde mir wünschen, dass Olli Schulz und Jan Böhmermann nicht zynisch sind."

Was wünscht du dir von den beiden?

Ich würde mir wünschen, dass sie diesen Wettbewerb wertschätzen als das, was er ist und dass sie nicht zynisch sind. Aber da habe ich wenig Sorge. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie gut verstehen, was der ESC ist und dass das am Ende europäisches Kulturgut ist. Natürlich kann man da auch mal fies sein und das ist ja auch schön. Ich finde, das ist ganz wichtig: Wenn man eine grundlegende Liebe für den ESC hat, dann kann man auch gemein sein, wenn es um einzelne Teilnehmer geht. Das große Drama muss man leben und das können sie perfekt. Ich finde, das ist eine gute Ergänzung im ESC-Kosmos.

ARCHIV - 22.08.2022, Berlin: Jan Böhmermann (l), TV-Entertainer, und Olli Schulz, Moderator. (zu dpa "Böhmermann und Schulz: Kommentieren Eurovision Song Contest für ORF") Foto: Gateau/Wendt ...
Jan Böhmermann und Olli Schulz kommentieren den ESC in Österreich.Bild: dpa / Gateau/Wendt

Was muss die Person, die Peter Urban nachfolgt, können?

Sie muss es schaffen, in 20 Sekunden gleichzeitig einen Song vorzustellen und einen extrem guten Gag da reinzubauen. Und sie muss keine Angst davor haben, gecancelt zu werden. Ich finde es ganz wichtig, dass man beim ESC einfach böse sein kann. Man muss extrem lieb und zugleich sehr böse sein. Es wäre mir sehr wichtig, dass die Person sehr angstfrei ist und sich im Zweifel für den guten Gag entscheidet. Im Zweifel immer pro Witz.

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