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Feine Sahne Fischfilet: Warum die AfD die Politpunk-Band nicht ermüdet

Feine Sahne Fischfilet bringen ihr neues Album "Wir kommen in Frieden" auf den Markt. Das müssten sie aber nicht so betonen, wenn es nicht regelmäßig Stress geben würde. Die Geschichte der P ...
Feine Sahne Fischfilet haben am 30. Mai ihr neues Album released.bild: Robert Eikelpoth
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Feine Sahne Fischfilet: Letzte Warnung, dann Hausbesuch

Schon vor 20 Jahren brauchten ihre Konzerte erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. Weil sie laut waren gegen Nazis, dort, wo es unerwünscht war. Wie der heutige Rechtsruck das verstärkt, verrät die Band im Gespräch mit watson.
30.05.2025, 18:0730.05.2025, 18:23
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Eine Krise nach der anderen. So könnte man die Geschichte von Feine Sahne Fischfilet beschreiben. Wer die Haltung der Politpunk-Band kennt, weiß, dass auch der Rechtsruck zu diesen Krisen gehört.

Das hält sie allerdings nicht ab, dort laut zu sein, wo dieser besonders spürbar ist: in den ländlichen Regionen Mecklenburg-Vorpommerns, insbesondere ihrer Heimat Jarmen.

Auch ihr neues Album "Wir kommen in Frieden" ist von dieser inspiriert. Darüber sprechen Sänger Jan "Monchi" Gorkow und Gitarrist Hauke Segert mit watson.

"Solche Zeiten lehren dich, dass du eben nicht unverwundbar bist."
Monchi

watson: Ihr habt kürzlich den Song "Haut an Haut" veröffentlicht. Ein emotionales Lied darüber, dass du Vater geworden bist, Monchi. Sind all eure Songs wahre Erlebnisse?

Monchi: Du kannst mich zu jeder Zeile etwas fragen und ich werde dir eine persönliche Geschichte dazu erzählen. Bei "Haut an Haut" gab es eine lange Überlegung, ob ich das öffentlich mache: Ich will die Privatsphäre meines Kindes schützen, will es aber auch nicht verleugnen. Am Ende ist es aber das Schönste gewesen, dass die Band mit mir diese Erfahrung geteilt hat.

Hauke: Ich finde, dass dieses Persönliche uns schlussendlich ausmacht. Ein Album bei uns ist immer das Ergebnis von dem, was in unseren Köpfen abgeht. Wie ein Tagebuch, in das wir die Leute reinschauen lassen.

"Ich muss nicht im Internet nach Reichskriegsflaggen suchen, sondern die hisst mein Nachbar. Dieses Privileg haben nicht viele Bands."
Monchi

Natürlich ist das Album auch politisch. "Grüße aus dem Neandertal" schießt etwa gegen rechts. Für euch nichts Neues, nur hat sich die Gesellschaft gewandelt. Kriegt ihr heute mehr Gegenwind als früher?

Monchi: Ja, alles hat sich verändert. Als wir vor neun Jahren mit unserer "Noch nicht komplett im Arsch"-Aktion durch die Dörfer gezogen sind, um Flagge zu zeigen, fanden wir das schon krass. Aber es ist nochmal was anderes, wenn 50 bis 70 Prozent deiner Region die AfD wählen.

Das hält euch offenbar nicht auf.

Monchi: Warum auch? Jetzt liegen unsere Lied-Ideen ja erst recht vor der Haustür. Ich muss nicht im Internet nach Reichskriegsflaggen suchen, sondern die hisst mein Nachbar, weil er denkt: Jetzt muss er auch mal ein Zeichen setzen. Ich glaube, dieses Privileg haben nicht viele Bands.

Hauke: Wir haben aber unsere humoristische Art, das umzusetzen. "Grüße aus dem Neandertal" kommt von Kai, unserem Bassisten. Der wollte die ganze Scheiße nicht einfach nur anprangern, sondern das Lied erhebt sich satirisch darüber und macht es somit erträglicher. Es hat etwas Empowerndes.

Findet ihr es gar nicht frustrierend, dass sich Neonazis wieder mehr verbreiten?

Monchi: Viele verbittern, aber genau das ist das Problem. Man muss sich ja fragen, was ist das Gegenangebot? Wenn das lautet: Linke heulen rum "Oh nein, so viele Faschos", dann wäre das für mich als Jugendlicher auch totaler Abfuck.

Was wünschst du dir als Gegenangebot?

Monchi: Irgendwas Kreatives, Verrücktes, das die Leute anzieht. Selbst ein Martin Sellner sagt zu denen, die sich von ihm angesprochen fühlen: "Come as you are".

Ist das bei Linken nicht so?

Monchi: Das war mal so, ist es aber nicht mehr. Bei den Zecken musst du schon mit 16 jedes Wort richtig sprechen können, keine bösen Ausdrücke und bitte nicht zu doll. Nur langweilige Scheiße. Macht doch was Geiles. Wir machen jedes Jahr das "Wasted in Jarmen": unser Dorf-Festival mit geilen Bands. Auch von anderen gibt es solche Aktionen, aber wir brauchen noch viel mehr davon!

"Wir haben Bock auf Frieden. Aber wenn du uns dumm kommst, dann gibt's nen Hausbesuch."
Monchi

Wenn ich eure Laufbahn beschreiben müsste, würde ich sagen: klare Message, aber immer in Konflikt mit anderen. Passend beginnt ihr euer Album mit der Zeile: "Das ist unsere letzte Warnung: Wir kommen in Frieden." Wovor warnt ihr?

Monchi: Wir sagen mit einem Augenzwinkern: Wir haben Bock auf Frieden. Aber wenn du uns dumm kommst, dann gibt's nen Hausbesuch.

Hauke: Wir sprechen nur aus Erfahrung: Bisher war die Möglichkeit, dass es Stress gibt, immer da. Wenn das anders wäre, müsste man ja gar nicht sagen, dass man in Frieden kommt.

Deutschland, Wiesbaden, Schlachthof, 2023-07-22 Feine Sahne Fischfilet, Komm mit aufs Boot *** Germany, Wiesbaden, Schlachthof, 2023 07 22 Feine Sahne Fischfilet, Come on the boat Copyright:
Feine Sahne Fischfilet bei einem Konzert im Schlachthof Wiesbaden.Bild: imago images / HMB-Media

Monchi: Dass wir aus Erfahrung sprechen, spiegelt der Song auch wider. Es ist ein Rückblick, der vieles aufgreift, was wir erlebt haben: etwa unseren Präsentkorb für den Verfassungsschutz, der ja für uns Promo gemacht hat.

Mit Promo meinst du, dass ihr als linksextremer Verdachtsfall unter Beobachtung standet.

Monchi: Auch das ist etwas, worauf die "letzte Warnung" anspielt: Unsere Message ist gut, auch wenn das nicht alle verstehen. Trotzdem werden wir immer laut sein gegen Nazis, weshalb es in dem Song auch heißt: "Der nächste Sturm ist nur ne Frage der Zeit."

Solche Ereignisse prägen tatsächlich eure Geschichte. Es gab noch ein anderes Ereignis, das euch beschäftigt hat: 2022 kamen Vorwürfe sexuellen Machtmissbrauchs auf. Das Thema ist mittlerweile vorbei. Prägt es euch trotzdem noch?

Kontext zu den Vorwürfen:
Nachdem 2022 anonyme Vorwürfe wegen Machtmissbrauchs gegen Sänger Monchi laut wurden, haben Feine Sahne Fischfilet eine Mail-Adresse eingerichtet, die von externen Leuten betreut wurde, bei denen sich vermeintlich Betroffene melden konnten.

Journalist:innen versuchten, Kontakt zu den Unbekannten aufzunehmen, aber vergebens. Stattdessen kamen weitere Vorwürfe auf, die widerlegt werden konnten. Ein Gericht stufte es als Verleumdung ein, der Instagram-Account wurde gesperrt.

Hauke: Wenn es denn wirklich konkrete Vorwürfe gewesen wären, aber das war es nicht. Es war ein diffuser Vorwurf ohne Konkretisierung von irgendeiner Internet-Seite. Uns wurde ja wirklich überhaupt nicht gesagt, worum es ging.

"Da, wo die Leute nicht mehr bei dir sind, wenn es mal härter wird, kann es wehtun, aber auch bereinigend sein."
Monchi

Deshalb geht es mir weniger um mutmaßliche Taten, sondern darum, was dieses Kapitel bei euch hinterlassen hat. Wie blickt ihr emotional darauf?

Monchi: Das ist nichts, was einem scheißegal ist. Im Gegenteil: Bei mir ist es so, wenn jemand sagt, das war richtig scheiße, bin ich am Start. Ich hör’ mir das an. Aber dann bitte konstruktiv. Wenn es destruktiv ist, dann stecke ich da keine Kraft mehr rein. Trotzdem: Es lässt einen nicht kalt und bei uns wäre es ja fast komisch, wenn unser Album das nicht auch thematisieren würde.

Ihr thematisiert es in euren Texten?

Monchi: Man kann es schon wiederfinden. Dass wir etwa immer geglaubt haben, wir seien unverwundbar, taucht in "Wir kommen in Frieden" auf. Solche Zeiten lehren dich, dass du eben nicht unverwundbar bist. Auch das Lied "Gut, dass ich weiß" wäre ohne die letzten Jahre nicht entstanden.

Bezieht sich das auf die Vorwürfe?

Monchi: Man kann es auf alle Krisen beziehen. Ich habe einfach gelernt, dass jeder noch so beschissene Moment auch etwas Gutes bewirken kann: nämlich dass man sieht, wer bei einem bleibt, wenn es hart auf hart kommt. "Was ist ne Freundschaft, die im Sturm zerbricht?", heißt es da.

Die Erfahrung habt ihr also gemacht?

Monchi: Ja. Da, wo die Leute nicht mehr bei dir sind, sobald es mal härter wird, kann es wehtun, aber auch bereinigend sein.

Wie ist das innerhalb der Band: Hat euer Klima unter der Krise gelitten?

Hauke: Ich würde sagen, es hat uns zusammengeschweißt. Wir mussten uns immerhin komplett nackig machen voreinander. Wir haben echt viel Zeit im Proberaum verbracht und einfach geredet.

Wenn all eure Zeilen von wahren Momenten erzählen – welche ist euch besonders wichtig?

Monchi: "So lange wir leben, so viel wie geht." Das stammt aus dem Song "Eine rauchen wir noch", der unserem verstorbenen Freund Lothar gewidmet ist (Lothar König, † 21. Oktober 2024, war ein bekannter Pfarrer und Aktivist in Jena – Anm. d. Red.).

Warum diese Zeile?

Monchi: Lothar hätte sie geliebt. Wir haben ja eben darüber geredet, dass wir mehr Aktionen brauchen, wo jeder kommen kann, wie er ist. Ich denke da an Leute wie Lothar: ein Mensch mit Ecken und Kanten, nicht artig, nicht perfekt. Aber immer herzlich und menschlich.

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