Kaum ein Tag vergeht, an dem Comedian Oliver Pocher auf Instagram nicht verbal gegen Influencer austeilt. Mal trifft es Sarah Harrison, die angeblich ihr Kind vermarkten würde, mal Anne Wünsche, die sich Follower gekauft haben soll, mal "GZSZ"-Star Jörn Schlönvoigt, der Hanföle gegen Menstruationsbeschwerden vertreibt. Und dann wäre da auch noch der Dauer-Beef mit Michael Wendler und seiner Laura, der mittlerweile eher wie ein Business-Modell anmutet.
Pochers Fans feiern ihn hauptsächlich für seine Videos, seine Followerzahlen (aktuell 1,9 Millionen) schossen in den vergangenen Wochen in die Höhe. Die zusätzliche Popularität fiel auch RTL auf – ab Freitag ist er zusammen mit seiner Frau Amira in der neuen Show "Pocher – gefährlich ehrlich" zu sehen.
In der Influencer-Welt dagegen ist Pocher gefürchtet. So unterstellte ihm Anne Wünsche in einem Tränen-Video Mobbing, zog sich für einige Zeit aus den sozialen Netzwerken, die eigentlich ihre Haupteinnahmequelle bedeuten, zurück. Sarah Harrison berichtete von Hass-Kommentaren, die sie aufgrund seiner Parodien erreichen würden. Pocher bestritt die Vorwürfe vehement.
Die Opfer von Oliver Pochers Attacken eint, dass sie alle Erfahrung mit der Öffentlichkeit haben, sich durch ihre Jobs ohnehin schon angreifbar machen. Doch was macht es mit der Psyche jener, die wöchentlich über Instagram angegangen, kritisiert und teils auch lächerlich gemacht werden? Darüber sprach watson mit der renommierten Psychologin und Autorin Elisabeth Raffauf.
watson: Frau Raffauf, Oliver Pocher ist in diversen Instagram-Videos vor allem Influencer teils scharf angegangen, was einige auch in Tränen ausbrechen ließ. Was macht es mit Menschen, die über die sozialen Netzwerke derart angegangen werden?
Elisabeth Raffauf: Kränkungen, Beleidigungen sind eigentlich immer verletzend. Wenn sie durch abfällige Mimik, wie das Verdrehen der Augen begleitet werden, nochmal mehr. Und in den sozialen Netzwerken gibt es drei "Verstärker". Der eine ist, dass es so viele Leute mitbekommen, der zweite, dass es permanent passieren kann und immer da ist. Und der dritte, dass man sich kaum direkt wehren kann. Es ist in der Welt.
Wie lassen sich derartige Kritik oder auch anschließende Hass-Kommentare verarbeiten, sodass die Psyche nicht nachhaltig angeknackst ist?
Darüber reden, und zwar mit allen. Nicht damit allein bleiben. Oft denkt man, ich sage nichts, sonst wird es noch schlimmer. Das Gegenteil ist der Fall: Wenn man nichts macht, wird es schlimmer.
Worin liegt der Unterschied, ob Oliver Pocher jetzt Menschen von Angesicht zu Angesicht beleidigt, zum Beispiel in einer TV-Show, oder via Social Media?
Die Hemmschwelle sinkt: Der andere ist ungehemmter, als wenn er mir direkt gegenüber steht. Er kommt viel weniger in die Lage zu sehen, wie es mir geht. Er sieht meine Tränen nicht. Das heißt, das Mitgefühl wird nicht entfacht. Es kann weggehalten werden.
Sowohl Oliver Pocher als auch besagte Influencer wie Anne Wünsche oder Sarah Harrison haben viele junge Fans. Können Kinder und Jugendliche den Unterschied zwischen Satire und ernsten Angriffen schon erkennen?
Teils, teils. Grundsätzlich sind sie humor- und auch satirefähig. Aber es gibt natürlich verschiedene Auffassungen davon, was Humor ist und was ernst und in jedem Humor steckt ja auch ein Stück Ernst.
Und was macht es mit jungen Nutzern, wenn sie derartige Videos sehen oder Kommentare lesen?
Manche finden es lustig, andere sind empört, wieder andere klicken weiter. Es ist verschieden und hängt auch davon ab, wie man es einordnet oder welche Hilfe zum Einordnen man bekommt. Natürlich führt es bei manchen auch zu dem Gefühl: Das ist normal. Das ist sogar cool, wenn es ein Promi macht. Das mache ich jetzt auch so.
(ab)