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Andreas Deja: Dieser Deutsche erschuf Disneys beliebteste Bösewichte

THE LION KING, Simba, Scar, 1994. Buena Vista Pictures/Courtesy Everett Collection Walt Disney Co./Courtesy Everett Collection ACHTUNG AUFNAHMEDATUM GESCHÄTZT PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY Copyright ...
Der Cartoonist und seine Werke: Andreas Deja zeichnete seit den 80er-Jahren für Disney.Bild: montage imago images / Everett Collection/Entertainment Pictures
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Disney-Legende Andreas Deja über das wahre Vorbild für Bösewicht Scar

17.08.2024, 08:11
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Dschafar, Hercules, Scar, Lilo, Stitch und Gaston – diese Disney-Charaktere kennt fast jeder. Was aber wohl nur wenige wissen: Der Erschaffer all dieser Kult-Figuren kommt aus Deutschland.

Andreas Deja ist einer der bekanntesten Zeichner der Trickfilmstudios, er gilt als Legende in der Branche. Aufgewachsen ist er allerdings im beschaulichen Dinslaken, wo seine Eltern lange noch hofften, der Junge würde sich mit einer Karriere als Kunstlehrer begnügen...

Watson traf den 67-Jährigen nach einem Besuch des Muscials "Hercules" in Hamburg und sprach mit ihm über seinen filmreifen Lebensweg.

watson: Stimmt es, dass Sie sich zum ersten Mal bei Disney beworben haben, als Sie elf Jahre alt waren?

Andreas Deja: Nee, beworben nicht. Ich wusste schon, dass ich zu jung war. Aber ich habe die um Tipps gebeten, wie man Zeichner für Trickfilme wird. Mein Lehrer musste auf Englisch übersetzen. Und dann schrieben die zurück! Ich weiß noch genau, wie dieser Brief aussah, da war eine Micky Maus auf dem Briefkopf und lauter Begriffe drin, die ich noch nie gehört hatte, wie Portfolio.

Das muss wie Weihnachten gewesen sein!

Total. Ich saß da und habe all diese Wörter nachgeschlagen, mit einem Englischwörterbuch und danach noch mit einem Fremdwörterbuch. Ich weiß bis heute, was da stand: Ich solle ab jetzt Menschen und Tiere beobachten, lernen, ihre Bewegungen korrekt zu zeichnen. Micky und Donald bräuchte ich ihnen nicht zusenden – das brächten sie mir dann später selbst bei.

"Meine Eltern hatten andere Sorgen. 'Werde doch Kunstlehrer', war ihr Rat. Das sei ein Job mit guter Rente."

Haben Sie den Brief noch?

Der steckt in einem Ordner mit anderem Arbeitskram. Es war ja quasi meine erste Arbeitsanweisung von Disney und ich setzte sie direkt um. Ich dachte vorher, es würde reichen, tolle Cartoons zu malen, aber auch Pluto basiert auf einem echten Hund. Den muss man erst mal kennen, bevor man die Karikatur davon erstellen kann. Das war ein guter Ratschlag. Ab dem Moment ging ich oft in den Zoo und zeichnete.

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Fanden Ihre Eltern das gut?

Sie haben es nicht verboten, aber verstanden haben sie es auch nie. Sie gehörten der Nachkriegsgeneration in Deutschland an, die vor allem hoffte, dass ihre Kinder mal Sicherheit haben. Meine Eltern hatten andere Sorgen. "Werde doch Kunstlehrer", war ihr Rat. Das sei ein Job mit guter Rente.

Wie kamen Sie überhaupt auf Trickfilme?

1968 ging ich mit einem Schulfreund in "Das Dschungelbuch". Danach wusste ich, was mein Beruf sein sollte. Ich war hin und weg! Übrigens war dieser Film nicht nur für mich, sondern für viele Deutsche ein Phänomen.

Inwiefern?

Er ist der meistbesuchte Film der Bundesrepublik bis heute. Film, nicht nur Zeichentrickfilm! (Anm. der Red. Korrekt. "Das Dschungelbuch" sahen ca. 27 Millionen Kinobesucher:innen, im Vergleich zu ca. 19 Millionen "Titanic"-Zuschauer:innen.) Die Story und die Zeichnungen waren hervorragend, aber auch die deutsche Synchronfassung mit Balu, der trällert: "Probier's mal mit Gemütlichkeit". Allein dieses Wort "Gemütlichkeit", das gibt es im Englischen gar nicht – der Film explodierte.

"[Gaston] musste wie ein Disney-Prinz aussehen, nur nicht so langweilig."

Einfach mal Loslassen – vielleicht steckte da die ganze Sehnsucht der Nachkriegsgeneration drin...

Genau das. Es packte den Zeitgeist. Jede Vorstellung war ausverkauft. Für mich als kleinen Jungen wurde da etwas freigesetzt. Ich erzählte noch im Grafikstudium, dass ich zum Zeichentrick will. Mein Professor meinte: "Da gibt es harte Konkurrenz. Wenn du das ernst meinst, muss Trickfilm das Wichtigste in deinem Leben sein." Damals machte mir der Spruch Angst. Rückblickend denke ich: Es war damals eh schon das Wichtigste.

Sie gingen tatsächlich nach Los Angeles?

Ja, nach meinem Studium bewarb ich mich für ein Probezeichnen, um auf die Akademie von Disney aufgenommen zu werden. Ich flog rüber, wurde genommen und dann ging ich einfach nie wieder weg.

Dschafar, Gaston und Scar – besonders Ihre Disney-Bösewichte sind weltbekannt.

Der erste Bösewicht, den Disney von mir wollte, war Gaston aus "Die Schöne und das Biest". "Wir brauchen einen Muskelprotz", sagten sie. "Mit großen Händen und Oberkörper. Der muss schön aussehen." Ich konnte mir darunter gar nichts vorstellen. Wie soll ich jemanden attraktiv und trotzdem abstoßend zeichnen? Das furchterregende Biest hat ein Herz aus Gold. Der wahre Mörder ist ein Schönling. Für die Story war es genial, aber zeichnerisch war Gaston eine der schwierigsten Figuren für mich. Er musste wie ein Disney-Prinz aussehen, nur nicht so langweilig.

Bildnummer: 55214655 Datum: 22.11.1991 Copyright: imago/EntertainmentPictures
1991 - Beauty and the Beast - Movie Set PICTURED: Gaston. RELEASE DATE: 22 November 1991. TITLE: Beauty and the Beast. STU ...
Blaue Augen, kaltes Herz: Gaston aus "Die Schöne und das Biest" (1991)Bild: imago images / Entertainment Pictures

Ist es spaßiger, Fieslinge zu zeichnen?

Oh ja. Sie sind die spannenderen Charaktere, weil sie etwas wollen, sie treiben die Story erst voran. Die Bösewichte in den Trickfilmen sind hoch motiviert, kreativ und skrupellos, das macht ihre Gesichter und Gesten sehr viel ausdrucksstärker. Bei denen kann man sich richtig austoben. Trotzdem: nach zwei animierten Bösewichten – Gaston in "Die Schöne und das Biest" und Dschafar in "Aladdin" schaute ich mich bei "König der Löwen" nach anderen Figuren um.

"Er starrte auf den Bildschirm und schwieg. Dann drehte er sich zu mir um und sagte: 'He looks like me.'"

Und dann?

Ich grübelte über den Storyboards. Könnte ich vielleicht Simba zeichnen? Oder Rafiki? Aber als ich erfuhr, dass Schauspieler Jeremy Irons der Figur Scar seine Stimme leihen würde, hörte ich mir Testaufnahmen mit ihm an und dachte: "Oh Gott. Das ist pures Gold! Jeder Satz ein Hammer!" Also bin ich abgedampft und habe der Produktion gesagt: "Ich will unbedingt Scar übernehmen! Ich sehe ihn in meinem Kopf schon auf- und ablaufen." Gott sei Dank sahen es die zwei Regisseure auch so.

Passiert Ihnen das auch im Alltag, dass Sie Menschen treffen, und in Ihrem Kopf entsteht eine Zeichentrickversion?

Manchmal, ja, das kann passieren. Wenn die Eigenarten sehr markant sind – wie Jeremys' Stimme. Ich schaute ihn mir danach genau im Studio an. Die dunklen Ränder um die Augen, die sehr britische Art, den Mund zu bewegen, die schlanken Gliedmaßen, das alles floss in Scar ein.

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Jeremy Irons sprach den bösen Löwen Scar in der Originalversion 1994.Bild: imago images/PanoramiC

Weiß Jeremy Irons das?

Bei einer der letzten Tonaufnahmen waren schon einige Szenen fertig, die ich ihm zeigte. Er starrte auf den Bildschirm und schwieg. Dann drehte er sich zu mir um und sagte: "He looks like me." Und ich nur: "Yeah... is that alright?" (lacht) Es war Absicht. Manchmal passt der Schauspieler einfach zu gut.

Gerade haben Sie das "Hercules"-Musical gesehen, in dem Südafrikaner Hope Maine einen Helden spielt, der in ihrem Kopf blond und blauäugig war. Ist das für Sie als Zeichner komisch?

Ich finde es spannend, wie unsere Filme auf die Bühne übersetzt werden. Der Vibe bleibt erhalten. Hercules zu zeichnen war schwierig, weil er schüchtern und lieb ist, aber gleichzeitig ein starker Held. Diese Eigenschaften, diese Naivität hat Hope gut transportiert.

Die Fan-Community meint in Ihren Figuren Queer Coding zu erkennen, im Subtext versteckte "queere" Eigenschaften an fiktiven Charakteren. Was sagen Sie dazu?

Wenn die Leute meinen, dass es so ist, dann ist das so... Beabsichtigt habe ich das aber nicht, die Figuren waren ja alle straight in der Story. Gaston wollt Belle unbedingt heiraten, Dschafar war hinter Jasmin her und auch beim "König der Löwen" gab es eine eindeutige Szene, in der Scar sich an Nala heranschmiss. Die habe ich sogar als Testszene animiert, sie wurde nur herausgeschnitten. Ich würde die Figuren eher als theatralisch bezeichnen, denn als queer.

Hätten Sie sich irgendeinen anderen Job für sich vorstellen können?

Eigentlich nicht. Dass man ein weißes Papier vor sich hat, ein paar Striche macht und dann bewegt sich dort etwas plötzlich, atmet und lebt – das ist eine Sache, die mich weit über das Alter von elf Jahren hinaus fasziniert. Für mich gibt es nichts Vergleichbares.

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