"Die beste verrückteste Show der Welt" – man muss schon wirklich optimistisch veranlagt sein, um einem neuen TV-Format diesen Untertitel zu verleihen. Doch nach der ersten Folge von "The Masked Singer" auf Prosieben stellt sich mir weniger die Frage, ob das wirklich so verrückt war – ja, durchaus –, als diese: Was zur Hölle habe ich mir da gerade eigentlich angesehen?
Als bei Prosieben irgendjemand auf die Idee kam, das ursprünglich aus Südkorea stammende und in den USA erfolgreiche Format von "The Masked Singer" zu importieren, erntete diese Person sicher anerkennende Schulterklopfer. In der Theorie: Zurecht, denn das Konzept ist tatsächlich mal etwas Neues. Prominente schlüpfen in ein Ganzkörperkostüm, performen wöchentlich in Duellen einen Song, und am Ende muss, wer beim Publikum am schlechtesten ankommt, seine Maske ablegen. So weit, so aufregend.
Womit Prosieben aber vermutlich (... hoffentlich?) nicht gerechnet hatte, war der Irrsinn, den Jury, Moderator und – wenn auch weniger – Kandidaten da veranstalten würden. Hier nun die besten, verrücktesten, spektakulärsten, absurdesten Höhepunkte dieses deutschen Fernsehabends.
Schon von der ersten Szene an war klar: Diese Show sollte im Idealfall vor Spannung nur so triefen. Also wurde uns von einem düster klingenden Voice-over enthüllt, dass zehn Stars hier vollkommen topsecret auf ihren großen Auftritt warteten.
Per Privathelikopter werden die Promis offenbar eingeflogen – und haben ab diesem Zeitpunkt scheinbar keinerlei Privatsphäre mehr. Sonnenbrillte Bodyguards folgen ihnen auf Schritt und Tritt bis auf die Bühne. Ach, come on.
Und selbst die Jury bleibt nicht verschont. Rea Garvey, Gastjuror in dieser Woche, bekommt zum Schutz seiner Identität (okay) eine Maske aufgesetzt, die höchstens seine Augenringe kaschiert. Wenigstens darf er die flott absetzen.
Das Prinzip von Castingshows ist uns allen vertraut. "The Voice", "GNTM" und wie sie alle heißen, verlaufen (meist) nach demselben Schema: Leute performen und werden dann von anderen Leuten bewertet. Die Letzteren sind im Idealfall Experten im jeweils erforderlichen Bereich – Mode, Musik, und so weiter.
Nicht bei "The Masked Singer". Denn die Jury war hier komplett irrelevant, und das fiel Rea Garvey dann irgendwann auch auf. Zum Ende hin.
Welche Kandidaten es in die nächste Runde schaffen, entscheidet nämlich einzig und allein das Publikum daheim. Heißt: Wir hätten uns das Ganze auch ohne Moderator (Matthias Opdenhövel, gefühlt einer von zwei Moderatoren in Deutschland) und Jury ansehen können und dabei sogar noch jede Menge Zeit gespart. Denn die Moderation, sowohl von Opdenhövel noch der "Jury", war wirklich nicht der Rede wert. Insbesondere, weil niemand so richtig Bock zu haben schien...
Eine ernst gemeinte Frage: Wenn du weißt, dass deine Anwesenheit in einer solchen Show völlig sinnfrei ist und sich in keinster Weise auf das Endergebnis auswirkt – was tust du?
Um diese Frage zu beantworten, lasst uns einen Blick auf ein paar exemplarische Kommentare werfen.
Sex sells, lernen wir alle sehr früh. Aber Max Giesinger dann quasi halb oberkörperfrei in die Jury zu setzen, den Kandidaten "Eichhörnchen" in eine sehr schrittbetonte Leggings zu quetschen und das Outfit von Kandidatin "Panther" mit "sehr attraktiv, der Panther" zu kommentieren, ist so schmierig, dass bei mir der Würgereiz einsetzte.
Aber hey, wenigstens traf das Ganze offenbar den deutschen Zeitgeist, schließlich voteten diejenigen, die per Telefon abstimmten, die Panther-Dame weiter – obwohl ihr Kontrahent, der "Grashüpfer", um Meilen besser performt und gesungen hatte als sie. Rea Garvey merkte an: "Scheinbar gucken mehr Männer."
Irgendwann hatte die gesamte Jury begriffen, dass ihre Ratespielchen am Ende irrelevant sein würden. Kein Wunder also, dass die Argumentation für diverse Theorien, wer hinter welcher Maske stecke, schnell... interessant wurde.
Als hätte sie gespürt, dass der Großteil ihres Kommentars und dem ihrer Kollegen bisher wenig tiefschürfend gewesen war, nutzte Collien Ulmen-Fernandes zum Ende der Show ihre große Chance für eine wichtige politische Message.
Als alle Wackelkandidaten vor ihnen versammelt standen, verkündete sie, wie schön es doch sei, dass trotz des politischen Klimas so viele unterschiedliche Wesen zusammen auf einer Bühne stehen könnten. Grashüpfer, Monster, Schmetterling, Kakadu und Oktopus konnten natürlich leicht ihr Pokerface bewahren, so unter ihren Masken versteckt, aber ich musste kichern.
Lange rätselte die Jury, wer sich hinter dem Kostüm des "Astronauten" verbergen könne. Schnell kristallisierte sich eine Theorie heraus: David Hasselhoff! Und dann kam das Highlight – der hatte nämlich, wie Ruth Moschner bemerkte, am selben Tag noch auf Instagram gepostet, er sei in Köln, wo auch gerade ebendiese Sendung stattfand.
Zufall, oder ist David Hasselhoff die ach-so-geheime Geheimhaltung des Ganzen völlig schnuppe? Wir erfahren es in den nächsten Wochen.
Okay, zugegeben: Hier spielt hauptsächlich menschliches Versagen eine Rolle, denn als eine Sängerin, getarnt als "Schmetterling", vergaß, dass sie ja ein Mikrofon in der Hand hielt und doch am besten da reinsprechen sollte, musste Opdenhövel eingreifen und ihr das Mikrofon quasi gegen den Mund hauen. Ups, peinlich, aber nicht weiter dramatisch.
Ein Problem war allerdings schwerwiegender: Der Stimmenverzerrer, der die Stimmen der maskierten Promis zum Beantworten der Juryfragen unkenntlich machen sollte, war so stark, dass man manchmal kein Wort verstand. Aber das war vermutlich nicht so schlimm, denn die Worte, die man ausmachen konnte, waren so kryptisch, dass man damit ohnehin nichts anfangen konnte. Ich meine...
Letztlich wollen wir alle nur wissen, welche Stars (oder Z-Sternchen) sich unter diesen 15.000 Euro teuren Kostümen (wie uns bei "RED" verraten wurde) verstecken – kein Wunder also, dass sich mein Puls zumindest zum Ende der Sendung hin um rund einen Schlag pro Minute beschleunigte. Der "Oktopus" sollte dran glauben und sich outen.
Dank diverser Tweets und Whatsapp-Spekulationen ahnte ich zwar schon, wer sich darunter verbarg – aber um Gottes Willen, dass die gute Frau dann den Eindruck erwecken würde, beim Abziehen ihrer Maske fast zu sterben, war dann doch mehr Drama, als ich erwartet hatte. Lucy Diakovska von den No Angels hatte den Oktopus gemimt, hatte allerdings jetzt beim großen Finale Schwierigkeiten, ihre Maske abzumachen. Alles harmlos, stellte sich heraus – aber für ein paar Momente sah es so aus, als könnte sie nicht mehr atmen. "Kann ich helfen? Soll ich helfen?", fragte Opdenhövel zwischendurch immer wieder ganz aufgewühlt. Und das, Freunde, waren meiner Meinung nach die aufregendsten Momente dieser ganzen Episode.