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"Der Palast" Staffel 2 in der Kritik: der größte Fehler der Serie

Die Geschwister Jansen (Lukas Brandl, Lary Müller) haben es ins Ensemble geschafft. Nur Luise muss die Nerven behalten.
Ein bisschen Geschichte, ein bisschen Familie: Lary Müller und Lukas Brandl spielen die Geschwister Jansen.bild: zdf / Hannes Hubach
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"Der Palast" Staffel 2 im ZDF: So viel Potenzial, so viele vergebene Chancen

06.01.2025, 17:07
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Das ZDF und junges Publikum – das ist noch keine dauerhafte Liebesbeziehung. Das Zweite war auch 2024 der meistgesehene TV-Sender Deutschlands mit einem imposanten durchschnittlichen Marktanteil von 15,3 Prozent, doch bei den jungen Zuschauer:innen ist man davon meilenweit entfernt.

Auf 8,8 Prozent sackt der Marktanteil, wenn man nur die "junge Zielgruppe" anschaut. Und die "junge Zielgruppe", das sind in diesem Fall, wie bei Quotenmessungen in Deutschland üblich, alle Menschen von 14 bis 49. Hier muss sich, wie das ZDF selbst berichtet, das Zweite sowohl RTL als auch der ARD geschlagen geben – und die 8,8 Prozent dürften 2025 keinen Bestand haben, wenn weder Fußball-EM noch Olympische Spiele junge Menschen ARD und ZDF einschalten lassen.

Gewiss, das ZDF müht sich. Mit ZDFneo, dem Spartensender für junge Menschen. Mit dem Content-Netzwerk funk, das in Kooperation mit der ARD online mit Inhalten um sich wirft und seit 2022 33 (!) neue gebührenfinanzierte Formate ins Netz stellte. Mit einzelnen Highlights für die Gen Z, in der die Kernzielgruppe nicht so genau weiß, wie ihr geschieht – wenn sie beispielsweise kurz vor Mitternacht an Silvester "Geh' ins Gymi, werde skinny, mach' daraus eine Show" hören darf.

Doch was zu oft fehlt, sind Inhalte zur besten Sendezeit, die mehr junge Menschen ansprechen. Und damit sind jetzt keine Influencerinnen auf dem "Traumschiff" gemeint. (Sorry, Micky Beisenherz!)

"Der Palast": Auf Svenja Jung müssen die Zuschauer verzichten

Und hier kommt "Der Palast" ins Spiel. Die Sendung, die 2022 an gleich drei Abenden weit mehr als sechs Millionen Menschen vor den Bildschirm lockte, woraufhin das ZDF entgegen dem ursprünglichen Plan eine zweite Staffel drehen ließ.

Svenja Jung glänzte in "Der Palast"
Svenja Jung gewann 2022 den Publikumspreis der Goldenen Henne für ihre Rolle in "Der Palast".Bild: imago images / future image

Seit rund zwei Wochen sind die neuen Folgen in der Mediathek abrufbar, im linearen TV laufen sie dreimal in Doppelfolgen am 6., 7. und 8. Januar. Und ja, die zweite Staffel bringt auch ohne die 2022 so überzeugende Hauptdarstellerin Svenja Jung einige Dinge mit, die auch ein junges Publikum ansprechen könnten.

Taynara Wolf war Teilnehmerin bei "Germany's Next Topmodel"

Einen frischen, unverbrauchten, ziemlich überzeugenden Cast zum Beispiel: Mit Lary Müller (Luise Jansen), Lukas Brandl (Lukas Jansen) und der ehemaligen Teilnehmerin von "Germany's Next Topmodel", Taynara Wolf (Karla Tanner), stehen drei Schauspielerinnen vor der Kamera, die wirken, die funktionieren, die Sympathien für sich gewinnen.

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Hinzu kommen ein wenig Maskerade und Glamour des Friedrichstadt-Palasts, die imposante Bilder liefern können. Die Hauptstadt Berlin als Sehnsuchtsort. Und ein grundsätzlicher Handlungsstrang, der nach vorne gerichtet ist und Themen junger Menschen streift: In Staffel 1 ging es noch ums Drama der deutschen Teilung, in Staffel 2 um die Probleme nach der Wiedervereinigung, die allerdings kombiniert werden mit Chancen und Zielen junger Erwachsener.

Lary Müller in "Der Palast"
Lary Müller spielt die Rolle der Luise Jansen.Bild: Nadja Klier / ZDF

Zu sehen sind die Geschwister Luise und Lukas und ihre neue Mitbewohnerin und Kollegin Karla, die ausziehen, um die große Welt zu erkunden; die sich trauen, auch Verbotenes zu tun; die versuchen, ihre Wünsche zu erfüllen; die sich bei der ersten Loveparade die Seele aus dem Leib tanzen und dabei über die Stränge schlagen; die mit der Vergangenheit brechen und sich über die älteren Generationen wundern; die sich mal glücklich und mal unglücklich verlieben und am Ende den Mut haben, für ihre Träume einzustehen.

Im wiedervereinten Berlin scheint alles möglich. Auf der Loveparade holen Lukas (Lukas Brandl, l.), Luise (Lary Müller, M.) und Karla (Taynara Silva-Wolf, r.) den Tanz auf die Straße.
Die erste Loveparade in Berlin: eine Szene aus "Der Palast".bild: zdf / Hannes Hubach

All das klingt nicht nach Bildungsfernsehen, sondern nach seichter Unterhaltung, die Abende vor dem Fernseher gemütlich füllen kann. Das beweist Netflix mit Serien von "Bridgerton" über "Emily in Paris" bis "Outer Banks" am laufenden Band.

Man zerstört sich den Abend nicht, wenn man die 90 Minuten für zwei Episoden investiert, man kann die Serie relativ gemütlich wegschauen. Und doch vermag die zweite Staffel nicht zu begeistern, weil die Sendung einen entscheidenden Fehler macht: Sie ist zu kurz.

Regina Feldmann (Jeanette Hain) stellt die legendäre Kickline des Palasts neu auf.
Eine Konstante der Serie: Jeanette Hain spielt auch in der zweiten Staffel mit.Bild: ZDF / Krzysztof Wiktor

Achtung, hier folgen einige Hinweise auf die Handlungsstränge von Staffel 2. Wir verzichten allerdings auf Spoiler zum Staffelfinale.

"Der Palast" eröffnet in nur sechs Episoden zu viele Handlungsstränge, für die sich die erfolgreiche Streaming-Konkurrenz vermutlich 13 Folgen genommen hätte. Da sind die Geschwister, die in Streit geraten. Die Affäre, die eigentlich nicht sein darf. Besetzte Wohnungen in der ehemaligen DDR, aus denen Westdeutsche nun Geld pressen wollen. Die alten Menschen in der Nachbarwohnung, die am Mauerfall zu zerbrechen drohen. Und die jungen Wilden, die schlechte Erfahrungen mit Pillen und Alkohol machen. Und natürlich noch die Frage nach der Zukunft des Friedrichstadt-Palasts.

"Der Palast": Dreharbeiten in Krakau sind nicht zu übersehen

All das wird angerissen, hier mal fünf Minuten, da mal eine kurze Zwischensequenz, aber zwischen der schnellen Sexszene mit nackter Haut, der flachen Unterhaltung im Treppenflur und dem glamourösen Tanz auf der Bühne entwickelt sich kein Tiefgang, der dazu führen könnte, dass man wirklich mitfiebert. Stattdessen erwischt man sich, wie man dann doch wieder zum Smartphone greift.

Unsauberkeiten machen das Erlebnis nicht besser: Man sieht der Serie an, dass sie in Krakau gedreht wurde. Vor allem in Szenen in der Straße, in der die jungen Menschen in "Der Palast" wohnen. Schade um die verschenkten Wiederkennungseffekte.

Hinzu kommt immer mal wieder ein bisschen zu viel Cringe-Faktor. Wenn im Innenhof eines Wohnblocks in der ehemaligen DDR plötzlich noch ein Pferd gehalten wird. Eine sexuell gar nicht mal so unerfahrene Frau erfahren muss, wie das mit Schwangerschaften funktioniert. Und der nervige Idiot in der Wohnung in Berlin natürlich ein Schwabe ist. Mehr Klischee geht dann nicht.

Gleichzeitig bleibt das Gefühl, dass Netflix aus dem Stoff von "Der Palast" vier bis sechs Staffeln hätte stricken können, die junge Menschen begeistern. Doch dafür fehlte dem ZDF und den Serienmacher:innen der Mut.

Stattdessen machten sie einen heftigen Cut zwischen Staffel 1 und 2, reißen die Serie also in zwei Hälften, und stricken am Ende doch wieder ein wenig Retro-Fernsehen, das die Kernzielgruppe nicht verschreckt, an zu vielen Stellen aber auch zu platt wird und fast schon in Richtung "GZSZ" abdriftet.

Schade drum. So viel Potenzial, so viele vergebene Chancen. Da wäre mehr drin gewesen.

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Triggerwarnung: Im folgenden Text wird Suizid thematisiert, was für manche Menschen belastend sein kann.

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