Nachdem die Terror-Organisation Hamas am Samstag Israel angegriffen hat, herrscht weltweit Bestürzung. In den vergangenen Tagen meldeten sich auch zahlreiche Prominente über ihre Social-Media-Kanäle zu Wort und äußerten sich zu dem Thema.
Für besonders viel Aufsehen sorgte ein Beitrag der Rapperin Nura: Sie teilte am Sonntag ein Schwarz-weiß-Foto, auf dem sie mit einer Personengruppe vor einem handgemalten Plakat zu sehen ist. Auf diesem steht "Free Palestine". Das Bild entstammt einer Szene aus dem Video ihres neuen Songs "FUBU", der Story-Beitrag war also auch mit Eigenwerbung verbunden.
Eigentlich sollte Nura am Dienstag bei "Late Night Berlin" auftreten. Die Ankündigung hat Nura selbst auf Instagram geteilt:
Doch ProSieben reagierte schnell und lud die Musikerin am Montag aus. Damit traf der Sender die einzig vernünftige Entscheidung.
Zwei Worte haben somit heftige Folgen für die Musikerin – und das, obwohl sie sich nicht explizit mit der Hamas solidarisiert hat, sondern generell ihre Unterstützung für die palästinensische Seite ausdrückte. Das Musikvideo wurde zudem vor den Attacken auf Israel abgedreht. Inwieweit also ist das Statement überhaupt problematisch?
Das Problem: Nura teilte das Foto knapp 24 Stunden nach den Angriffen der Hamas. Damit setzte sie es unweigerlich selbst in den Kontext der aktuellen Geschehnisse und darf jetzt jedenfalls nicht überrascht sein, wenn ihr auch Sympathien für Terroristen unterstellt werden.
Spätestens jetzt hat "Free Palestine" einen absolut unangenehmen Beigeschmack. Israel wurde angegriffen, über 1000 Menschen starben durch die Hamas – das ist eindeutig, da gibt es nichts zu diskutieren oder zu interpretieren.
Hinzukommt: Die Entschuldigung, die die Sängerin am Montag absetzte, wirkt ein wenig befremdlich. "Mein Musikvideo kam vor den aktuellen Ereignissen. Trotzdem tut es mir leid, wenn ich jemanden, der betroffen ist, damit verletzt habe", schrieb sie unter anderem.
Zudem stellte sie klar, dass Krieg (wozu immer mindestens zwei Parteien gehören) nie eine Lösung sei, womit sie zumindest indirekt auch Israel den schwarzen Peter zuschob. Dabei hat das Land nun erst einmal jedes Recht, sich zu verteidigen – über die Mittel kann freilich immer diskutiert werden.
Schließlich ergriff Nura auch noch die Gelegenheit, sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen, indem sie darauf verwies, dass ihre eigene Familie schon vor einem Krieg floh. Auch das: irgendwie unangemessen in diesem Zusammenhang. Eine glaubwürdige Entschuldigung sieht anders aus. Die Musikerin erweckt eher den Anschein, ihren Story-Beitrag zumindest durch die Hintertür zu verteidigen.
Noch vor Nuras Entschuldigung hatte ProSieben verkündet, dass die Musikerin nicht am Dienstag bei "Late Night Berlin" auftreten wird. Dabei fasste sich der Sender sehr knapp und gab keine weiteren Hintergründe zu dem Entschluss bekannt. Das ist aber zweitrangig, denn ProSieben handelt aus mehreren Gründen absolut nachvollziehbar.
Zum einen ist die Entscheidung schlicht und einfach richtig, weil Antisemitismus weltweit wieder (oder immer noch) gesellschaftsfähig ist. Dazu bedurfte es am vergangenen Wochenende nur einen Blick auf die Straßen Neuköllns, wo der Angriff der Hamas gefeiert wurde. Dass ein großer Privatsender sich nach seinen Möglichkeiten dagegenstellt und innerhalb weniger Stunden einen Star-Gast verbannt, der befremdliche Signale aussendet, ist dementsprechend erfreulich.
Zum anderen hat die Entscheidung auch für den "Late Night Berlin"-Moderator Klaas Heufer-Umlauf persönlich eine große Tragweite. Der 40-Jährige und sein Kumpel Joko Winterscheidt sind nämlich nicht nur als TV-Entertainer bekannt, sondern haben in den letzten Jahren mehrfach auch durch ihr gesellschaftliches Engagement auf sich aufmerksam gemacht.
Ein Beispiel, das nun besonders ins Gewicht fällt: Im Oktober 2022 trat das Duo seine offiziellen Instagram-Accounts mit Millionen Follower:innen auf Lebenszeit an die iranischen Aktivistinnen Sarah Ramani und Azam Jangravi ab. Damit wollten sie die Aufmerksamkeit auf die Proteste im Iran lenken, wo seit September 2022 gegen das autoritäre Regime demonstriert wird. Gerade auch viele Frauen riskieren dabei ihr Leben.
In den vergangenen Tagen kam es durch die Hamas zu Morden, Entführungen und Vergewaltigungen. Würden Klaas Heufer-Umlauf und sein "Late Night Berlin"-Team jetzt kein deutliches Zeichen dagegen setzen, stünde die Glaubwürdigkeit des Showmasters beim Thema Menschenrechte plötzlich doch sehr infrage: Von ihm wird in solchen Situationen mittlerweile eine Positionierung erwartet, er hat viel zu verlieren.
Nach Nuras "Free Palestine"-Statement gab es natürlich auch viel öffentlichen Druck auf den Sender, die Musikerin auszuladen (unter anderem der Journalist Jan Fleischhauer fand deutliche Worte). Hier geht es aber keineswegs (nur) um die Angst vor einem Shitstorm. Um es mit dem Wort der ehemaligen Kanzlerin zu sagen: Manche Entscheidungen sind vielleicht alternativlos.