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Die aktuelle Staffel von "Let's Dance" droht eigentlich schon nach der Kennenlernshow, eine der langweiligsten in der Geschichte des Formats zu werden. Anna Ermakova trat mit Ballett-Erfahrung an und sicherte sich prompt die Wildcard. Komplexe Choreografieren sehen bei ihr spielend leicht aus, immer wieder kassiert sie die Höchstpunktzahl von der Jury – und wenn es doch mal "nur" 26 Punkte werden, weil Joachim Llambi sich querstellt, kommt das schon einer Enttäuschung gleich.
Natürlich war es für keinen eine große Überraschung, dass Anna Ermakova am Ende "Dancing Star 2023" wurde.
Die Reise von Julia Beautx in der Sendung ist dagegen eine ganz andere. Nach dem Auftakt hätte wohl kaum jemand auch nur einen Cent auf sie gesetzt. Jetzt stand sie im Finale – und hatte den Sieg insgesamt (mindestens) ebenso verdient wie Anna Ermakova.
Für ihre erste "Let's Dance"-Performance, einen Gruppentanz mit Sharon und Younes, fuhr die Influencerin gerade einmal zehn Punkte ein. Sympathisch wirkte sie zwar direkt, jedoch auch unbeholfen in ihren Bewegungen. Sie tanzte nach ihrem eigenen Rhythmus. Keine Kandidatin also, über die man sagt: ein Naturtalent.
Umso beachtlicher ist ihre Entwicklung der letzten Wochen, die 24-Jährige scheint ein ganz neues Körpergefühl entwickelt zu haben. Mittlerweile stimmen sogar die Details. Die Konsequenz: In der zehnten Live-Show durfte sie sich erstmals über zehn Punkte freuen, und das sogar doppelt. Sowohl der Quickstep als auch der Contemporary beim Trio-Dance wusste zu begeistern.
Zurückzuführen ist all das natürlich zum einen auf ihren Tanzpartner Zsolt Sándor Cseke. Er ist zwar erst zum zweiten Mal bei "Let's Dance" dabei, weist aber schon eine beeindruckende Bilanz auf. 2022 erreichte er bereits mit Janin Ullmann das Finale, musste sich nur Kathrin Menzinger und René Casselly geschlagen geben.
Keine Frage: Die Profis bei "Let's Dance" müssen ihr Können auf dem Parkett niemandem mehr beweisen, das Training mit den Promis ist jedoch ein Thema für sich.
Hier ist das Vermitteln von Disziplin gefragt, aber auch Verständnis und Einfühlungsvermögen, wenn mal nicht alles sofort klappt (und bei den meisten Stars klappt nur wenig sofort). Mithin geht es hier noch einmal um eine ganz andere Qualität, nämlich eine zwischenmenschliche, die den Profis abverlangt wird – und die mit dem Tanzsport im engeren Sinne nicht besonders viel zu tun hat. In diesem Bereich sind eben nicht alle gleich gut.
Wie alle Teilnehmenden posten Julia und Zsolt über ihre Instagram-Kanäle regelmäßig Eindrücke vom Training, in der eigentlichen Show gibt es ebenfalls oft Ausschnitte von den Proben zu sehen. Daraus geht hervor, dass Zsolt ziemlich streng sein kann, das Tanzpaar aber auch viel gemeinsam lacht und Spaß hat. Am Ende jeden Tages klagt Julia über Schmerzen am ganzen Körper, doch das tut ihrer Euphorie keinen Abbruch. Denn sie vertraut darauf, dass Zsolt alles auf ihr herausholt – zu Recht.
Vor dem Impro-Dance im Halbfinale, als die Tanzpaare eine halbe Minute lang "proben" dürfen, wurde für ein Millionenpublikum deutlich, was für ein Nervenbündel Julia (nach wie vor) ist. Zsolts Verdienst scheint daher umso größer.
Am Ende jedoch ist es natürlich Julia selbst, die das Tanzbein schwingen muss. Zsolt kann ihr nicht alles abnehmen. An der Stelle kommt ihr unbedingter Wille ins Spiel, den die meisten von "7 vs. Wild"-Star Knossi erwartet hatten, nicht aber unbedingt von Julia. Für sie ist "Let's Dance" offensichtlich nicht nur ein schöner Nebenverdienst.
Sie macht mit, um erfolgreich zu sein – und widerlegt damit beiläufig ein hartnäckiges Klischee über Influencer:innen im Allgemeinen. Oft nämlich wird gespottet, sie bekämen viel Geld für vergleichsweise wenig Leistung und wüssten gar nicht, was Arbeit bedeutet. Die erfolgreichsten von ihnen setzen sich ein paar Stunden in der Woche vor die Kamera und scheffeln Millionen.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Sieg ist Anna Ermakova weiterhin nur schwer abzusprechen. Sie liefert konstant ab, die Jury findet sie Weltklasse. Auf der anderen Seite war ihr Triumph erwartbar und daher irgendwie auch ein Höhepunkt der Langweile.
Wer hingegen für Julia Beautx angerufen hat, honorierte damit eine echte Entwicklung (oder pathetischer: Heldenreise), die keineswegs vorhersehbar war und "Let's Dance" hervorragend zu Gesicht gestanden hätte. An ihr zeigt sich, dass mit dem richtigen Mindset vieles möglich und Talent eben doch nicht alles im Leben ist. Eine so inspirierende wie kuschelwarme Botschaft wäre ein schöner Abschluss für eine der erfolgreichsten Unterhaltungsformate im Fernsehen.
