Der “Chabos wissen wer der Babo ist”-Interpret, Haftbefehl, mag mit seinen schonungslosen Texten und hartem Streetrap vielleicht knallhart sein, doch in Wahrheit geht es dem Offenbacher Künstler ganz anders.
In der neusten Folge des "Podkinskis"-Podcasts, von Schauspielerin und Moderatorin, Palina Rojinski, thematisierte Haftbefehl, der eigentlich Aykut Anhan heißt, im Genre Gangster-Rap tabusierte Themen: Krisen im Kopf, Verletzlichkeit und seine Depressionen.
Depressionen gehören nach wie vor zu den am stärksten stigmatisierten psychischen Erkrankungen überhaupt. Eine Ironie des Schicksals, wenn man bedenkt, dass Depressionen nach Angaben der Centers for Disease Control and Prevention bis zum Jahr 2020 das zweithäufigste Gesundheitsproblem der Welt waren. Aufgrund der Stigmatisierung wird ein großer Prozentsatz der an Depressionen Erkrankten nicht behandelt.
Haftbefehlt möchte deshalb seine eigenen Depressionen lyrisch verarbeiten und mithilfe von Transparenz ein öffentlichkeitswirksam umfassenderes Verständnis von psychischer Gesundheit zu fördern.
In der deutschen Rap-Kultur wird Verletzlichkeit und vermeintliche Schwäche kaum thematisiert. Hip-Hop hat zumindest in den Charts meistens eine harte Gangster- und Pornoschale. Viele Songs drehen sich weiter um Statussymbole und Erfolg. Das idealisierte Bedürfnis nach unerreichbarer Perfektion ist wichtiger und wird ständig über Texte transportiert. "Hafti" stellt sich dem entgegen und macht deutlich, dass solche Perfektion eine bloße Illusion ist.
Der Rapper, Sohn kurdischer Gastarbeiterelter, wuchs in einem Plattenbau-Viertel in Offenbach am Main auf. Mit 14 Jahren nahm sich sein Vater das Leben. Danach brach Aykut die Schule ab, fing an, mit Drogen zu dealen, saß im Jugendarrest und tauchte 2006, um einem offenen Haftbefehl zu entgehen, in die Türkei ab. Mittlerweile ist er über 30, gehört zu den „Oldies“ der Rap-Szene und wohnt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern im südhessischen Babenhausen.
Er beschreibt den Entstehungsprozess von "Das Schwarze Album", seinem im April erschienen Album, als eine Art Meditation. Um Bilder und Erinnerungen aus seiner Kindheit zu wecken, begab er sich, wie er beschreibt, in eine Art Trance, die zwar von tagelanger Isolation und Alkohol begleitet wurde, ihm aber half, Erinnerungen hervorzuholen und diese anschließend in der Musik zu verarbeiten. In einem Interview mit der "hessenschau" sagte er: "Ich gehe dann wirklich ans Limit wenn ich Musik mache. Ich mache keine halben Sachen."
In "Kaputte Aufzüge“ begibt sich Haftbefehl auf "eine Art Zeitreise" und rappt lakonisch von der Kindheit des Aykut Anhan. Er erzählt von den Hochhäusern, in denen die Aufzüge immer kaputt sind und es im Treppenhaus nach Blech riecht, wo man seiner Mutter hilft, die eingekauften Wasserflaschen in den 16. Stock zu tragen. Er wolle nix "beschönigen".
(abd)