Nachdem Netflix gerade noch durch die Pandemie profitiert und einen Anmeldeboom verzeichnet hatte, kam der Anbieter nun auf den Boden der Tatsachen zurück. Die am Dienstag veröffentlichten Quartalszahlen sind ernüchternd. Rund 200.000 Abonnenten verlor der Streamingdienst im ersten Quartal 2022 – das ist der erste Rückgang seit zehn Jahren. Kurz nach dieser Verkündung stürzte die Aktie innerhalb weniger Stunden um fast 30 Prozent ein.
Das zwang das Unternehmen offenbar, sein aktuelles Geschäftsmodell zu überdenken. In einem Brief an die Aktionäre begründet Netflix die Rückgänge unter anderem in Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg. In Russland wurde der Dienst eingestellt, etwa 700.000 Konten sind dadurch verloren gegangen. Wie "DWDL" berichtete, soll die Zahl der Rückgänge im zweiten Quartal noch auf zwei Millionen steigen.
Aber auch die Tatsache, dass sich viele Menschen ihren Netflix-Account teilen, scheint das Unternehmen mittlerweile zu beschäftigen. So sollen rund 100 Millionen Haushalte ihr Netflix-Passwort außerhalb ihres eigenen Haushalts weitergeben – ohne wie bei anderen Streaming-Diensten mehr Geld dafür bezahlen zu müssen. Und genau damit könnte vielleicht bald Schluss sein.
In Chile, Costa Rica und in Peru müssen Kunden, die sich einen Account teilen, nun 2,99 US-Dollar mehr bezahlen. Sollte das Projekt in Südamerika also gut anlaufen, könnten bald andere Länder folgen.
Reed Hastins, Co-CEO bei Netflix, erklärt in einem Statement an die Investoren, dass es das Account-Sharing vorher keine hohe Priorität gehabt habe, als es mit den Abonnements noch steil bergauf ging. Nun, da sich die Lage geändert hat, sieht es anders aus.
Aber das Unternehmen sieht nicht nur darin eine Stellschraube, die Zahlen wieder nach oben zu drehen. Es soll auch bald ein neues, günstigeres Abomodell geben.
Netflix, das bisher ganz ohne Werbung auskam, will ein günstigeres Abo anbieten, das auch Werbung enthält. Bis auf eine Preissenkung durch Werbung gab Hastings aber keine Details bekannt. Allerdings soll es noch ein bis zwei Jahre dauern, bis das neue Modell auch verfügbar ist.
In der Vergangenheit war das Unternehmen immer gegen eine Finanzierung durch Werbeeinnahmen. Wie Hastings aber jetzt betonte, sei er jedoch "Fan der Wahlfreiheit der Verbraucher". So sagt Hastings:
Von den Zuschauer-Verlusten sei aber nicht nur Netflix betroffen, wie aus eine Studie der Marktforscher Kantar hervorging. Durch die Inflation und die vielen steigenden Kosten würden einige Haushalte nun an der Unterhaltung sparen wollen. Netflix erhöhte in den vergangenen Jahren zudem immer wieder seine Preise, das Premium-Abo kostet beispielsweise inzwischen 17,99 Euro.
Damit folgt Netflix unter anderem seinem Konkurrenten Disney+, der vor einigen Wochen ebenfalls ein günstigeres Abo mit Werbung ankündigte. Viele Streamingdienste, beispielsweise RTL+ und Joyn, setzen schon seit Langem auf vergleichsweise niedrigere Preise in Kombination mit kurzen Werbeclips.
(crl)