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Toomaj Salehi: Wie der Rapper für Freiheit im Iran kämpft

Tausende bei Ukraine- und Iran-Demo in Köln Plakat mit Portrait von Rapper Toomaj Salehi. Tausende Ukraine- und Iran-Anhänger demonstrierten für Menschenrechte, Gleichberechtigung und gegen Krieg in K ...
Toomaj Salehi setzt sich mit Rap für die Freiheit in seiner Heimat ein.Bild: IMAGO/aal.photo
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Mit Rap gegen das Regime: Wie Rapper Toomaj Salehi für Freiheit im Iran kämpft

06.12.2023, 14:42
Chiara Menner
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Toomaj Salehi befeuert die iranische Revolution gegen die Herrschaft des Mullah-Regimes: Er lehnt sich gegen die Machthaber auf und prangert die Missstände in der iranischen Republik schonungslos an – und das mit Rap.

Immer wieder riskiert er in einem Land, in dem Kritik am Regime mit dem Tode bestraft werden kann, sein Leben. Auf die Frage, was ihn dazu bewegen würde, mit dem regimekritischen Rap aufzuhören, antwortete er: "Was passieren müsste? Ich müsste sterben."

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Toomaj Salehi als Sprachrohr der iranischen Revolution

Jina Mahsa Amini stammte aus der iranischen Provinz Kurdistan und starb im vergangenen Jahr einen gewaltvollen Tod. Angeblich habe sie gegen die Kleiderordnung, genauer gesagt gegen das staatliche Hidschāb-Gesetz verstoßen. Aufgrund dessen wurde sie von der iranischen Sittenpolizei festgenommen und geschlagen. An den Verletzungen starb die 22-Jährige. Aminis Tod löste vor knapp einem Jahr eine der größten Protestbewegungen des Irans aus – der Bewegung "Women Life Freedom" schlossen sich etliche weitere Länder mit Demonstrationen und weiteren Aktionen an.

Im Iran protestieren insbesondere junge Menschen, sie wehren sich gegen die seit 44 Jahren andauernde Schikane des iranischen Regimes gegen Frauen. Das Regime versucht, die anhaltenden Proteste zu unterbinden und die Revolution zu zerschlagen. Dabei wurden tausende Iraner:innen verhaftet und dutzende getötet. Teil der Revolution ist auch Toomaj Salehi: Ein iranischer Rapper, der sich unerbittlich gegen das Regime auflehnt und mit seinem Rap scharfe Kritik an den Zuständen im Iran übt.

Vornehmlich über Instagram ruft Toomaj Salehi seine Follower:innen zum Protest gegen das Regime auf: "Wenn wir uns nicht auf unsere Straßen trauen, was sind wir dann? Sklaven?" Toomaj Salehi ist nicht der erste in seiner Familie, der das Regime im Iran kritisiert.

Die gesamte Familiengeschichte des Rappers ist eine der Auflehnung und des Widerstands gegen die Regierung. So war auch Toomaj Salehis Onkel, der mittlerweile in Deutschland lebt, politischer Gefangener im Iran. Mit Toomaj Salehi ist nicht nur er selbst, sondern auch Rap in die Revolution gezogen.

Rap & Revolution: Wie sich Toomaj Salehi gegen das Regime im Iran wehrt

Durch die Entstehung der Hiphop-Kultur war Rap an sich schon immer politisch. Das Rappen gab vielen eine Stimme, um gesellschaftliche und politische Missstände anzuprangern und Diskriminierten eine Stimme zu geben. Auch im Iran hat sich trotz vieler Verbote und Verhaftungen eine Rap-Szene aufgebaut.

Aufgrund der stark eingeschränkten Meinungsfreiheit und drohenden Strafen haben einige Artists wie Erfan oder auch Gdaal den Iran verlassen.

Die Revolution im Iran wurde insbesondere von einem Song begleitet: "Baraye" von Shervin Hajipour. Im Track greift der Sänger einige Tweets auf, die das iranische Regime und die herrschende Gewalt anprangern. Das Lied entwickelt sich zur Hymne der Revolution – Shervin Hajipour wird kurz nach der Veröffentlichung des Songs verhaftet. Durch eine von den Behörden erzwungene öffentliche Entschuldigung kommt der Musiker wieder frei.

Auch Toomaj Salehis Texte sind politisch und Teil der iranischen Revolution: In seinen Songs geht er die Regierung an, nimmt dabei kein Blatt vor den Mund und das in einem Land, in welchem Regierungskritiker durch ihre Meinungsäußerung ihr Leben riskieren.

So betitelt er die Helfer des Regimes als "Heuchler" und "korrupte Gauner". Auf seinem Song "Omen" warnt Toomaj das Regime: "Sie alle müssen sich vor Gericht verantworten / Von den Revolutionsgarden bis zu den Informanten / von den Unteren bis zu den Staatsführern".

Außerdem bietet der Rapper in einem Video dem Vorsitzenden des iranischen Parlaments die Stirn: "Herr Ghalibaf, mach keine Faxen. Hau schnell ab. Jetzt sind die Rattenlöcher noch günstig, glaub mir. […] Wir machen euch fertig. Wir lassen euch nicht in Ruhe." In seinen Songs schildert Toomaj das Leid der Unterdrückten im Iran und kritisiert das Regime.

Nicht nur mit seiner Musik beweist er Mut: Darüber hinaus nimmt er an öffentlichen Demonstrationen teil, die von iranischen Behörden gewaltvoll gemaßregelt werden.

Teilweise agiert er so selbstbewusst, dass manche ihn angesichts der drohenden Strafen als verrückt bezeichnen. Darauf hat der Rapper eine klare Antwort: "Ich bin nicht verrückt, dass ich mein Leben riskiere. Denn das hier ist kein Glücksspiel, es ist eher wie Schach. Es ist komplett berechenbar. Im Laufe der Geschichte hat immer das Volk gesiegt. Diktaturen haben nie auf lange Zeit überlebt."

"Krieg gegen Gott": Toomaj Salehi wird verhaftet

Bereits im Jahr 2021 wurde Toomaj Salehi in der Nähe der iranischen Stadt Isfahan verhaftet. Damals wurde er aufgrund von "Propaganda gegen das Regime" und der "Beleidigung der obersten Führungsautorität" angeklagt. Wenig später wurde der Rapper jedoch wieder auf Kaution freigelassen. Ein Jahr später, gegen Ende Oktober letzten Jahres, wurde Toomaj Salehi erneut festgenommen. Im Netz kursierte ein Bild des Iraners, das ihn mit verbundenen Augen in einem Auto zeigt.

Dieses Bild soll kurz nach seiner Festnahme entstanden sein. Derzeit verbreitete sich auch die Behauptung, Salehi sei bei dem Versuch, den Iran zu verlassen, geschnappt worden. Kurze Zeit später wurde die Festnahme des Rappers über seinen Twitter-Account bestätigt, die Behauptungen, er habe das Land verlassen wollen, wurden allerdings dementiert.

Schon vor seiner Verhaftung fürchtete Toomaj Salehi aufgrund seiner scharfen Kritik am Regime alsbald verhaftet zu werden. Aus diesem Grund bat er eine Freundin, Negin, seine Social-Media-Accounts zu übernehmen, um die Protestbewegung weiterhin unterstützen zu können. Negin studiert in Deutschland und befand sich stets in regem Austausch mit Toomaj Salehi – auch in den letzten Stunden vor seiner Verhaftung. In einem Video des Youtube-Kanals "Strg_F" spricht Negin über ihren Kontakt zu Toomaj Salehi.

Der Kontakt brach mit der Inhaftierung des Rappers ab – allerdings wurde Negin von anderen Menschen über die Verfassung von Salehi informiert. Laut Negin meldeten sich schon nach einer Woche Mithäftlinge des Rappers über Twitter bei ihr, die entlassen worden waren. Toomaj Salehi sei es zu diesem Zeitpunkt sehr schlecht gegangen und auch von Folter war die Rede.

"Sie hätten sein Bein, seine Finger gebrochen. Auch schwere Schläge auf den Kopf habe es gegeben. Sie sagten, er sei auch ein paar Tage kaum bei Bewusstsein gewesen."

Eine medizinische Behandlung habe man ihm verwehrt. Darüber hinaus berichtete ihr ein Mithäftling, dass er im Gefängnis die Stimme von Toomaj Salehi gehört habe. Der Iraner habe während der Folter in Einzelhaft seine Texte gesungen und gerappt. Auch Toomaj Salehis Onkel, der in Deutschland im Exil lebt, erzählt von den Folgen der Folter seines Neffen: "Er wurde so schwer gefoltert, dass er eine Woche nicht sprechen konnte. Er kann nur schwer laufen und humpelt sehr stark. Auf einem Auge kann er momentan nicht sehen, vielleicht nie wieder."

"Feind Gottes": Toomaj Salehis Verurteilung

Letztes Jahr hat der Prozess rund um Toomaj Salehi Ende November begonnen. Laut den Social-Media-Kanälen des Rappers habe der Prozess dabei hinter verschlossenen Türen stattgefunden, ein rechtlicher Beistand sei ihm nicht gewährt worden. Wie die "Zeit" schreibt, werden ihm die "schwerwiegendsten Anklagen im Rechtssystem der Islamischen Republik" vorgeworfen. Der iranische Rapper sei aufgrund von "Krieg gegen Gott", "Korruption auf Erden" und der angeblichen Verbreitung von Lügen und Propaganda angeklagt worden.

Gleich mehrere dieser Anklagepunkte können bei einer Verurteilung mit dem Tod bestraft werden. Anfang Juli wurde Toomaj Salehi dann verurteilt: Ihm drohte nicht mehr die Todesstrafe, allerdings muss er für sechs Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Seine Haftstrafe soll Salehi in einem öffentlichen Gefängnis absitzen.

Wie sich die Deutschrap-Szene mit Iranern solidarisiert

Während sich die deutsche Rap-Szene zu Beginn der Proteste im Iran noch zurückhielt, äußerten sich nach der erneuten Verhaftung von Toomaj Salehi mehr und mehr Rapper:innen zur Lage im Iran.

Zunächst nutzte Xatar seine Reichweite, um auf die Situation aufmerksam zu machen. Einige Monate später machen weitere Deutschrapper auf die Missstände im Iran und insbesondere auf das Schicksal inhaftierter iranischer Rapper aufmerksam.

So beteiligen sich unter anderem Peter Fox, Kool Savas, Xatar und weitere Rapper:innen an der Video-Kampagne "RAP4AZADI", um sich mit Iraner:innen zu solidarisieren. "Azadi" bedeutet auf Persisch "Freiheit".

Im dreiminütigen Video repräsentieren sie sowohl Toomaj Salehi als auch die beiden iranischen Rapper Saman Yasin und Behrad Alikenari. Das Video prangert die Verhaftungen an und kritisiert die Unterbindung der Meinungsfreiheit und künstlerischen Freiheit im Iran. Immer wieder werden zudem Video-Clips von Protesten im Iran eingeblendet.

Das letzte Wort des Videos wird Toomaj Salehi überlassen. Er äußert sich zu seiner möglicherweise bevorstehenden Hinrichtung: "Weint nicht für mich, wenn ich morgen sterbe. Eure Tränen bringen mich nicht zurück. Wenn ihr euch wirklich um mich gesorgt hättet, wärt ihr an meiner Seite."

Dass sich vornehmlich Xatar und Kool Savas als eine der ersten Deutschrapper mit dem Iran solidarisierten, ist kaum verwunderlich. Es ist Xatars Heimatland, in dem Gewalt herrscht – der Rapper spricht von einem "Massaker".

Kool Savas fühle sich selbst gewissermaßen als "Teil der iranischen Community", da seine Ehefrau selbst Iranerin ist. Zudem gehe ihm das Schicksal von Toomaj Salehis aufgrund seiner eigenen Familiengeschichte besonders nahe. Denn auch Savas' Eltern waren Systemkritiker – allerdings in der Türkei.

Kool Savas war sechs Jahre alt, sein Vater betrieb eine Druckerei, in der er geheim linke Zeitschriften abdruckte. Ein Mitarbeiter verriet ihn bei den Behörden – der Vater des Rappers muss fünf Jahre in einem türkischen Gefängnis verbringen. Während Savas und seine Mutter Schutz in Deutschland fanden, habe sein Vater in der Türkei Folter über sich ergehen lassen müssen.

Toomaj Salehi wird erneut festgenommen

Erst vor knapp zehn Tagen kam die überraschende Nachricht: Toomaj Salehi ist frei! Nach rund einem Jahr in Gefangenschaft wurde der iranische Rapper auf Erlass des Obersten Gerichts auf Kaution freigelassen. Toomaj Salehis Freiheitsstrafe wurde laut seinem Anwalt revidiert, da das Gericht einen "Fehler im ursprünglichen Urteil" gefunden habe. Damit hätte der Rapper sogar auf staatliche Begnadigung hoffen können.

Nun nahm die Geschichte des Rappers eine unerwartete Wendung: Nur wenige Tage nach seiner Entlassung wurde Toomaj Salehi erneut festgenommen. Das verkünden sowohl staatlich kontrollierte Medien des Irans als auch der Twitter-Account Salehis.

In der Meldung einer Nachrichtenagentur der iranischen Justiz heißt es: "Salehi wurde wegen der Verbreitung von Falschinformationen und Störung der öffentlichen Meinung verhaftet." Der Anwalt des Rappers meint, dass sich die Vorwürfe offenbar auf ein Dankesvideo beziehen, das Toomaj kürzlich veröffentlichte.

Toomaj Salehi ist nicht der einzige bekannte Inhaftierte im Iran. Die Rapper Saman Yasin und Behrad Ali Kenari befinden sich noch immer in Gefangenschaft – auch ihre regimekritischen Songs sind ein wichtiger Bestandteil der Proteste im Iran.

Saman Yasin befindet sich aktuell im Hungerstreik und hat im Gefängnis bereits einmal versucht, sich das Leben zu nehmen. Ihm steht der Gerichtsprozess bevor, wie "Deutschlandfunk" berichtete. Behrad Ali Kenari wurde bereits für seine regimekritische Musik zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt.

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"Basierend auf wahren Begebenheiten." Ein Hinweis, der das Publikum zu Beginn eines Films oder einer Serie unweigerlich aufhorchen lässt und Erwartungen weckt – auf eine Geschichte, die nicht alltäglich ist, aber eben doch so passierte. Oder zumindest so ähnlich, denn dramaturgische "Korrekturen" braucht es immer, um die Sache für ein breites Publikum rund zu machen.

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