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"Illner": Baydar nimmt Stuttgarter Jugendliche in Schutz – Kriminalbeamter lacht

Kabarettistin Idil Baydar und Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) gerieten bei "Maybritt Illner" aneinander.
Kabarettistin Idil Baydar und Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) gerieten bei "Maybritt Illner" aneinander.Bild: screenshot zdf
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Ausschreitung in Stuttgart: Baydar nimmt Jugendliche in Schutz – Kriminalbeamter lacht ironisch

Gibt es strukturellen Rassismus in den deutschen Polizeibehörden? Eigentlich soll es bei "Maybrit Illner" vorrangig um die Gewalt gegen Polizisten in Stuttgart gehen, doch schnell entwickelt sich daraus eine Meta-Diskussion. Der NSU-Prozess, der "taz"-Artikel über die Polizei und viele weitere Themen kommen auf den Tisch – und die Gäste streiten sich ganz schön.
26.06.2020, 13:2726.06.2020, 18:44
maik mosheim
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Gewalt gegen Polizisten – seit den Ausschreitungen in Stuttgart ein polarisierendes Thema. Bei einer Drogenkontrolle hatten sich Hunderte Jugendliche gegen die Polizisten vor Ort verbündet. Es kam zu körperlicher Gewalt und Plünderungen. Bei "Maybrit Illner" am Donnerstagabend im ZDF ging es um genau dieses Thema, polarisiert auch in der Talkrunde – und die Gäste verlieren dabei teilweise das Maß.

Vor allem im Blickpunkt: Kabarettistin Idil Baydar und Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Es dauert nur wenige Minuten, bis sich die beiden gehörig in die Haare bekommen. Baydar zieht das Beispiel der Polizeigewalt in den USA heran und bringt es mit den Vorgängen in Stuttgart in Zusammenhang.

Stuttgart: Kriminalbeamter lacht ironisch

Sie sieht eine zunehmende Radikalisierung Jugendlicher, vor allem mit Migrationshintergrund, auch darin begründet, dass die Polizei ihnen keinerlei Respekt entgegenbringt. Und sie sieht die Jugendlichen "nicht in der Pflicht, das Vorbild zu sein". Sondern sie müssten es "von uns" lernen. Sebastian Fiedler lacht zwischendrin ironisch auf.

Und als Baydar fertig ist, holt er zum Gegenschlag aus. "Das kann ja nicht so stehenbleiben", sagt er kopfschüttelnd. "Sie machen ja hier Opfer zu Tätern." Er unterstellt Baydar, den Polizisten die Schuld für die Eskalation zu geben, die widerspricht ihm jedoch sofort und fällt ihm dabei ins Wort.

Das kann der BDK-Vorsitzende offensichtlich nicht ab: "Ich hatte sie jetzt gerade nicht unterbrochen im Gegensatz zu Ihnen", sagt er. Er sieht Baydars Aussagen als Form der Rechtfertigung an. Für ihn sei es "der Gipfel der Interpretation der Ereignisse", die Taten gegen die Polizisten in irgendeiner Weise zu rechtfertigen. Moderatorin Illner beendet schließlich die Szene und leitet die Diskussion an einen der anderen Gäste weiter.

Bobach gegen Baydar: Diskussion wird persönlich

Auch Wolfgang Bosbach, CDU-Innenpolitiker, bekommt sich kurz darauf mit Baydar in die Haare. Die beiden geben sich keine Mühe, zu zeigen, was sie von den Aussagen des jeweils anderen halten. Als Kabarettistin Baydar einen ausführlichen Appell zum Thema "Racial Profiling", also dem Handeln von Behörden und Staatsvertretern auf Basis äußerlicher oder herkunftsbasierter Merkmale, hält und der Polizei vorwirft, unter anderem beim Thema Clankriminalität genau dieses Handeln anzuwenden, entgegnet Bosbach:

"Das sind hauptsächlich Libanesen und Araber. Da finden Sie keine schwedischen Volkstanzgruppen."

Das Zitat ist ein Symbol für die Diskussion, die an mancher Stelle persönlich wird und dabei teilweise unangenehm ausartet.

Weiteres Beispiel: Der NSU-Prozess, der bis heute nicht ganz aufgearbeitet ist, wie Grünen-Politiker Cem Özdemir mehrfach betont. Idil Baydar sieht in der Ermittlungsarbeit der Polizei "strukturellen Rassismus". "Das wurde von großartigen Journalisten auch recherchiert", sagt sie, um ihre Aussage zu unterstreichen. Bosbach widerspricht, Baydar legt ihm in provokantem Ton ans Herz, weniger "Bild"-Zeitung und mehr "Zeit" zu lesen. Bosbach entgegnet: "Wenn Sie das Niveau ein bisschen anheben könnten, wäre ich Ihnen dankbar."

Baydar solidarisiert sich mit "taz"-Journalistin

Und noch eins: Der satirische "taz"-Artikel der Journalistin Hengameh Yaghoobifarah, in dem sie die Polizei als "Müll" bezeichnete. Idil Baydar steht hinter der Journalistin, die anderen Gäste nicht. Sebastian Fiedler wünscht sich, der Artikel wäre von niemandem gelesen worden und selbst im "Mülleimer" gelandet, Wolfgang Bosbach kritisiert den Text ebenfalls scharf. Dass Innenminister Horst Seehofer jedoch Anzeige erstatten wollte, davon distanzieren sich selbst Fiedler und Bosbach. Nicht entschieden, aber sie distanzieren sich.

Grünen-Politiker Özdemir versucht sich in der Runde indes als Vermittler. Er übt auf der einen Seite massive Kritik an der Gewalt gegen Polizisten, wünscht sich allerdings auch ein genauso vehementes Vorgehen gegen Rechtsradikalismus wie es gegen Linksradikalismus passiert.

Was wir an diesem Abend erleben, ist eine Meta-Diskussion: Sind die rassistischen und gewalttätigen Fälle in der Polizei Einzelfälle, oder ist es struktureller Rassismus in den Reihen der Polizeibehörden? Durch die hochgradig aufgeladene Diskussion wird klar, wie wichtig das Thema ist. Und wie viel mehr Dialog es möglicherweise dazu geben müsste. Auch wenn sich die Gäste bei Maybrit Illner in vielen Situationen eher unsachlich angreifen: Die Botschaften sind erstmal angekommen.

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